Dirigent Niklaus Meyer. (Bild: zVg.)
Während fast 40 Jahren hat Niklaus Meyer den St.Galler Kammerchor geleitet. Ende Juni 2019 nimmt er nun mit einem letzten Konzert Abschied vom Kammerchor und seinem Publikum. Im Gespräch mit dem langjährigen Dirigenten.
Niklaus Meyer, am 29. Juni geben Sie in der Tonhalle Ihr letztes Konzert. Welche Gefühle löst das bei Ihnen aus?
Seit meinem 20 .Lebensjahre leite ich Chöre, also mehr als 50 Jahre. Die Aufgabe war immer spannend, aber auch anspruchsvoll und anstrengend. Trotzdem, ein Leben ohne Chorarbeit konnte und kann ich mir auch heute nicht vorstellen.
Dass ich demnächst Abschied nehme, war ein seit mehreren Jahren gefasster Entschluss, ein Entschluss ohne direkten äussern Einfluss. Ich machte mir Gedanken, wie ich den wohl letzten Lebensabschnitt sinnvoll gestalten könnte.
Ich bin sehr dankbar, dass ich heute, kurz vor meinem Weggang, noch bester Gesundheit bin. Die Musik erfüllt mich voll und ganz. Ich gestehe, dass ich schon manchmal traurig, sehr traurig bin, wenn ich an den bevorstehenden Schritt denke.
Ich denke aber, dass ich eine andere, weniger anstrengende Form finden werde.
Und dies macht mich wieder zuversichtlich.
Der St.Galler Kammerchor war unter Ihrer Leitung darauf ausgerichtet, unbekanntere Werke aus verschiedenen Epochen der Musikliteratur zur Aufführung zu bringen. Die Wahl der populären Schöpfung als Abschiedskonzert steht diesem Credo etwas entgegen. Wieso haben Sie sich für dieses Werk entschieden?
Es gibt unendliche Formen, Abschied zu nehmen. Mit Haydns Schöpfung war ich seit meiner Schulzeit verbunden, als ich im Orchester die Bratsche spielte. Da stellte sich die Frage, ob ich mit dem Kammerchor dieses populäre Werk aufführen sollte.
Bisher hatte ich einen grossen Bogen darum gemacht. Beim genaueren Studium machte und mache ich immer wieder faszinierende Entdeckungen. Obschon dieses Werk leicht verständlich ist, hat es unglaublich viele kunstvolle Details, die der damaligen musikalischen Welt weit voraus waren und die man erst bei genauem Hingucken entdeckt. So etwa das Eröffnungsstück, das direkt zu der Kompositionstechnik eines Wagner führte, der ja 100 später lebte! Haydn gelang es mit diesem genialen Werk, sowohl den Liebhaber wie auch den Kenner zu begeistern. Und so erfüllt sich für mich ein Wunsch, den ich schon lange im Geheimen hegte.
Ihre Nachfolgerin wird Katharina Jud. Welche Tipps geben Sie Ihr mit auf den Weg?
Meine Nachfolgerin ist eine eigenständige Persönlichkeit mit vielen Erfahrungen.
Ich wünsche ihr in erster Linie die Freude an der Musik, und immer wieder die Kraft, musikalische Werke mit viel Optimismus zu einem guten Klangerlebnis zu führen.
38 Jahre lang haben Sie den Kammerchor geleitet. Können Sie beziffern, wie viele Konzerte Sie in dieser Zeitspanne dirigiert haben?
Mit dem St. Galler Kammerchor rund 140 Konzerte
Wer sich so intensiv für die Musik engagiert hat, wird wohl kaum einfach für immer Abschied nehmen. Wie und in welcher Form bleiben Sie dem Chor künftig erhalten?
Natürlich als Zuhörer oder bei Festen.
Selbst werde ich als Pianist, Organist und Geiger weiterhin Musik machen.
Das Konzert findet am Samstag, 29. Juni 2019, um 19.30, in der Tonhalle St.Gallen statt. www.sgkammerchor.ch
Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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