Wir gratulieren der Schweizerischen Nationalbank zu ihrer ersten Billion. Ja, das sind 1000 Milliarden. Das wiederum sind eine Million Millionen. Allen wird schwindlig? Zu Recht.
Wir Schweizer sind Weltmeister. Echt, in allen (Anlage)klassen. Wir haben keine Notenbank (SNB), wir besitzen den grössten Hedge Fonds der Welt. Der muss demnächst, vielleicht schon heute, Platz für eine neue Ziffernreihe in der Bilanz schaffen. Denn nach den Multimilliarden kommt zwangsläufig die Billion.
Kann man sich das vorstellen? Nein, kann man nicht. Das ist rund ein Drittel mehr als das gesamte Schweizer Bruttoinlandprodukt. Weltrekord, kann sonst keiner. Wir gratulieren uns: jeder Schweizer ist mit rund 120'000 Franken weltweit investiert. Die SNB, und damit wir alle, ist einer der grössten Einzelinvestoren in Apple, Google, Facebook usw.
Wir sind also noch reicher, als alle dachten. Einfach stinkreich. Wir haben die einzige Währung der Welt, die selbst zu einer Handelsware geworden ist, sozusagen einen intrinsischen Wert hat. Die SNB kann Franken im Multidoppelfamilienpack herstellen, sie werden ihr aus den Händen gerissen. Sie kann den Leitzins auf unter null senken, dennoch wird ihr Geld nachgeschmissen.
Voltaire hatte doch Recht, als er sagte: Wenn Sie einen Schweizer Bankier aus dem Fenster springen sehen, springen Sie hinterher. Es gibt sicher etwas zu verdienen dabei. Apropos, wieso arbeiten wir eigentlich noch? Grundeinkommen für alle. In den arabischen Kleinreichstaaten sind ja auch bis zu 80 Prozent der Work Force aus dem Ausland angemietet. Warum also nicht?
Es gibt ja noch einen ganzen Strauss von weiteren guten Nachrichten. Die SNB hat auch letztes Jahr, trotz Corona und allem, einen satten Gewinn auf ihren Anlagen eingefahren. Man fragt sich allerdings mal wieder, wie es die paar Beamten in der SNB Jahr für Jahr schaffen, mit ganz wenigen Ausnahmen, Multimilliarden zu generieren, während unsere beiden Grossbanken mit Heerscharen von vielleicht nicht überqualifizierten, aber sicherlich überbezahlten Wichtigtuern das nicht schaffen; den Aktienkurs in den Keller gefahren haben und ihn dort auch heimisch werden lassen.
Die SNB verfügt über ein Eigenkapital von über 200 Milliarden Franken. Dafür würde sich jeder Gierbanker im privaten Sektor alle Finger abschlecken. Eigenkapitalquote von 20 Prozent; während Zombie- und andere Banken in Europa ein hartes Kernkapital im niedrigen, einstelligen Bereich ausweisen. Aber das ist noch nicht alles. Die SNB sitzt inzwischen auch auf einer Auszahlungsreserve von fast 100 Milliarden.
Und da sie mit ruhiger Hand investiert, nicht shortet, auch nicht hyperventiliert, hat sie alleine an den Guerillaaktionen an der Wall Street kurz und locker in wenigen Tagen über 70 Millionen US-Dollar verdient. So rechnet das der Finanzblog «Inside Paradeplatz» durch . Hier lehrt ein Flashmob die grossen Spekulanten das Fürchten. Wenn die shorten, also auf sinkende Kurse spekulieren, dann verabreden sich ganze Schwärme, diese Aktien zu kaufen, womit der Kurs in die Höhe schnellt und der Spekulant, der sich ja eindecken muss, um zu liefern, hat Milliardenverluste. Aber nicht unsere SNB.
Was macht sie denn mit dem ganzen Zaster, mit ihren Geldspeichern, die sogar Dagobert Duck ein anerkennendes Schwingen seine Stöckchens abnötigen würden? Nun, eigentlich nichts. Fast nichts. Denn sie ist weitgehend autonom in ihren Entscheidungen. Das wurde weise so festgelegt, um Übergriffe begehrlicher Politiker zu verhindern.
Was auch gut ist. Trotzdem melden sich natürlich viele, die sich sinnvollere Verwendungen für das Eigenkapital vorstellen könnten. Sanierung der AHV, Finanzierung der Impfstoffforschung, einfach mit der Giesskanne ausschütten, u.s.w.
Als Zückerchen kann die Nationalbank aber Bund und Kantonen eine Gewinnausschüttung reichen. Die betrug bislang 4 Milliarden Franken. Dank des Zufalls, dass die aktuelle Vereinbarung gerade ausgelaufen ist, gibt’s neu bis zu 6 Milliarden. Natürlich auch rückwirkend für 2020. Damit hat die SNB natürlich die wichtigsten Entscheidungsträger im Sack. Denn sie tut das aus Kulanz, verpflichtet ist sie zu nichts.
Nun mag sich auch der Ostschweizer ab und an Sorgen machen, wo und wie das alles enden soll. Dass es ewig so weitergeht, das hat man noch von der letzten grossen Finanzkrise im Kopf, ist ausgeschlossen.
Es gibt andere, nicht unrealistische Szenarien. Wenn auch nur eines davon eintrifft ¬¬– insgesamt dürfte die Eintrittswahrscheinlichkeit bei 1 liegen –, dann kann man die Auswirkungen entweder lang und tabellarisch, oder kurz und nicht weniger seriös erklären.
Die Zinsen steigen wieder, zuerst über 0, dann auf normale, inflationsbereinigte 5 Prozent. Auswirkung auf die SNB: au weia. Euro und US-Dollar könnten den Wettkampf fortsetzen, wer am schnellsten seine Währung abschwächen kann. Auswirkungen SNB: au weia.
Die USA erwischt eine gröbere Rezession, Corona, Trump, Shoppinglaune am Boden. Auswirkungen SNB: au weia. Der Franken sitzt wie festgezurrt beinahe bei Parität zum Euro. Obwohl die SNB seit Langem am Markt interveniert und Franken verkauft wie blöd. Kracht’s in dieser Balance-Übung , fahren die Kurse Achterbahn, Auswirkungen auf die SNB: au weia.
Nun ist die SNB nicht nur stinkreich, sondern auch eine Volksbank. Von den Gründervätern so vorgesehen. Weiss nur kaum einer. Die Zeche zahlen, wenn das überhaupt möglich wäre, müsste der Steuerzahler, der das leider doch nicht geschnallt hat. Denn trotz allen Bemühungen und der Ruhe ausstrahlenden Person Thomas Jordans: eine solche aufgeblähte Bilanz, nicht zuletzt durch ihre Abhängigkeit von fremden Währungsräumen, kann das Eigenkapital schneller wegschmelzen als Eis am karibischen Strand.
Aber eine Billion, das ist doch nicht weiter wichtig, im Vergleich zu Corona, Corona, Corona.
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