Gemäss einer aktuellen Schlussbilanz wurden in der Nacht vom Ostersonntag auf Ostermontag in St.Gallen nicht nur 500, sondern 650 Personen weggewiesen. Bisher hat sich ein Dutzend Betroffener für eine Überprüfung gemeldet. Eine Petition im Web fordert eine politische Aufarbeitung.
Es seien viele Fragen aufgekommen nach den «zahlreichen Wegweisungen» vom Abend des Ostersonntags, schreibt die St.Galler Stadtpolizei in einer Mitteilung. Man sei «gesprächsbereit, sollte eine Wegweisung zu Unrecht verfügt worden sein». Gleichzeitig wird gemeldet, es habe sich nicht wie ursprünglich gemeldet um 500 Wegweisungen gehandelt, sonderen deren 650, also fast ein Drittel mehr als zunächst kommuniziert. Wie es zur Abweichung kommen konnte, wird nicht gesagt.
Die Stadtpolizei verweist dafür einmal mehr darauf, dass sie durch das Polizeigesetz ermächtigt sei, «Personen wegzuweisen, wenn der Verdacht besteht, dass diese die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden.» Die 30 Tage, die gesetzlich erlaubte Maximaldauer für diese Massnahme, habe man verfügt, damit «Wirkung» entstehe für den Fall weiterer Aufrufe. Das bedeutet, dass es nicht in erster Linie darum ging, am Ostersonntag echte Übeltäter mit einer Verbannung aus der Stadt zu bestrafen, sondern andere Leute für die Zukunft abzuschrecken.
Man wolle niemanden davon abhalten, zur Schule oder zur Arbeit zu gehen, wichtige Besorgungen zu erledigen oder den ÖV zu benutzen, «sofern für diesen Zeitraum keine Aufrufe zu Gewalt kursieren», heisst es weiter. Was im Umkehrschluss heisst: Sobald es solche Aufrufe gibt, wird es auch schwierig, einfach friedlich zur Arbeit zu gehen.
Weil die Formulierung auf den verfügten Wegweisungen «eng gefasst» worden sei, habe man die Betroffenen darauf hingewiesen, sie sollen sich bei der Stadtpolizei melden, wenn sie der Ansicht sind, sie seien zu Unrecht weggewiesen worden. Laut der Mitteilung hat das bis Dienstagabend, 6. April 2021 «rund ein Dutzend Personen» getan. Es habe vor Ort keine Zeit gegeben für lange Gespräche, im Nachgang könne man einzelne Fälle «ausführlicher Situativ» beurteilen. In «begründeten Fällen» könne die Wegweisung aufgehoben werden.
Inzwischen ist eine Onlinepetition gestartet worden, die verlangt, dass die Wegweisungen und ihre Rechtmässigkeit von der Politik untersucht werden. Lanciert hat sie eine Privatperson als Folge der Medienberichte rund um den Ostersonntag. Im Petitionstext wird darauf hingewiesen, dass eine Wegweisung für 30 Tage, die gesetzlich mögliche Maximaldauer, nur «in besonderen Fällen» zulässig sei. «Wir fordern das Stadtparlament St.Gallen dazu auf, eine Untersuchung anzuordnen, ob dies am letzten Freitag in St.Gallen mit den über 500 Wegweisungen rechtens und verhältnismässig war», heisst es im Petitionstext Als Ziel für die Petition werden 200 Unterzeichner angegeben.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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