Bald werden dank einem neuen Kompetenzzentrum auf dem Rosenberg afrikanische Trommeln zu hören sein, die Afrika-Forschung soll dort Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen helfen, wissenschaftlich fundierte Entscheidungen zu treffen. Einige Fragen eines Afrika-Kenners.
Die Uni «strategisch positioniert werden», sie will «den systematischen Fokus auf Afrika richten» und sie will «Gefäss für die Forschung sein und damit auch die eigene Forschung unterstützen.» Das jedenfalls heisst es in einer Mitteilung der Universität St.Gallen.
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Ab sofort werden in St.Gallen Millionen verbraten für etwas, was es in Basel schon lange gibt (Standortneid?) und das Motto tönt wie ein Arbeitsauftrag einer Abhörkompagnie: «Wir wollen vor allen Dingen zuhören.“»Wo und wie viel? Es existiert erst einmal nur eine Kooperation mit Kamerun: Wird eifrig dorthin telefoniert oder deren Forschungsergebnisse ausgetauscht? So wird es wohl sein:
St.Gallen hört Afrika zu!
Zumindest einem kleinen Teil, dem es dazu noch besser als vielen anderen geht.
Was will St.Gallen leisten gegen die brutale Armut, den Unruhen überall und der meist nicht vorhandenen Wirtschaft?
Die Antwort tönt wie aus einem Kompetenzzentrum: «Wir wollen Forschung betreiben, die eine gewisse Relevanz für die Menschen in Afrika, ihr Leben oder die Politik hat.» Also etwas Vages, was vielleicht relevant und ein «oder» hat, also nicht komplett sein will.
St.Gallen rettet also Afrika?
Sicher nicht auf diese Art. Es gibt eine Milliarde Afrikaner, alle geprägt durch ihre eigene Kultur. Dieses Projekt betrifft nur wenige, die in nichtafrikanischen Ländern studiert haben und denen man eine nichtafrikanische Mentalität übergestülpt hat. Afrika funktioniert total anders:
Die Wirtschaft ist geprägt von traditionellen Familienclans und amateurhaftem Überlebenskampf. Dort gibt es keine abgehobenen Gedanken, Systeme aufzubauen oder gar langfristig zu verändern, nur der Tag und vielleicht der nächste zählen. All dies ist erforscht und wird sich in Jahrzehnten nicht ändern können.
Die Ethik ist einfach: Der Afrikaner ist sich selbst und seiner Familie am nächsten, zu kurzfristigen Anstrengungen in der Lage und immer darauf bedacht, mit geringsten Mitteln viel zu erreichen, träumen als Sinn des Lebens.
Beispiel: «Mon ami, ich habe es erfolglos mit Allah probiert. Wird man als Christ schneller reich?»
Die Politik ist von uns Europäern abgekupfert. In Wirklichkeit leben sie weiter in ihren Volksgemeinschaften, lieben und hassen sich dabei und gaukeln uns vor, so zu sein wie wir, damit sie besser an Geld herankommen. Politik = ausnehmen, so oft es geht.
Alle diese originären Erfahrungen wird man auf dem Rosenberg nie erfahren, denn sie werden nie der milliardenschweren Basis «zuhören», sondern sich mit einer Minielite abgeben, die ebenfalls so tut, als würden sie unserer Philosophie folgen.
Das neue Kompetenzzentrum entspricht dem grössten aller afrikanischen Tiere, der Giraffe: Sie gibt sich riesig gross, hat einen langen Hals mit einem kleinen Kopf und kann von oben gut sehen, wie Löwen sie angreifen, aber etwas dagegen tun kann sie kaum.
Der Autor Wolf Buchinger war mehr als zwei Dutzend Mal dank Goethe-Institut in ganz Afrika und hat allen Schichten intensiv zugehört.
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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