Die Höchststrafe für Journalisten ist, wenn der 1. August auf einen Samstag fällt. So wie dieses Jahr. Da werden die Kollegen der Sonntagsblätter selbst von empathiefremden Journalisten mit mitleidigen Blicken bedacht.

Allerdings haben es auch die Tageszeitungen nicht leicht. Denn was soll man nur zu einem Ereignis schreiben, das sich seit 1891 mit schöner Regelmässigkeit wiederholt? Soll man wieder einmal darauf hinweisen, dass nach Aegidius Tschudi der Rütlischwur am 8. November 1307 stattgefunden habe?

Soll man mal wieder kulturpessimistisch daran erinnern, dass es einen deutschen Dichter brauchte, um den Nationalhelden Wilhelm Tell zu würdigen? Und wer erinnert sich schon noch an Max Frisch und seinen «Tell für die Schule»? Soll man sich darüber freuen, dass der 1. August mit Schweizer Bedächtigkeit erst seit 1993 allgemeiner Feiertag ist?

Also erheben sich die Redaktoren aus ihren Verrichtungsboxen und machen im Newsroom eine Stehung, denn Sitzung war gestern. Der Blattmacher schaut streng in die Runde und sagt: «Der Chef möchte mindestens 10 krasse Vorschläge hören, was wir zu diesem 1. August ins Blatt heben. Den Leitartikel schreibt natürlich der Chef höchstpersönlich. Gerade in herausfordernden Zeiten wie heute, Besinnung aufs Bewährte, dabei Neuem aufgeschlossen, hast das notiert, Fredy, du schreibst das nämlich, der Chef hat keine Zeit.»

Jedes Jahr das Gleiche, denkt Fredy, da unterscheidet sich der Chef auch nicht gross vom 1. August. «Okay», sagt er laut, «wie sieht eigentlich zurzeit die Haltung des Hauses aus, soll ich etwas Europafreundliches texten, etwas Europakritisches, oder soll ich das Thema umfahren?»

«Guter Punkt», sagt der Blattmacher, «das kläre ich noch ab. So, und, was machen wir?» Eine tiefe Stille lastet auf dem sonst so hektischen Newsroom. Selbst die armen Schweine, die die Klickraten der Online-Artikel im Auge behalten müssen, setzen verwundert ihre schalldämpfenden Kopfhörer ab.

«Wer draussen brätelt, muss vorsichtig sein», das wäre meine Story, sagt ein mutiger Redaktor. «Ich mache Feuerverbot!», fügt ein zweiter hinzu. «Und ich mache den Terminkalender, was ist am 1. August-Wochenende alles los», beteiligt sich ein dritter.

«Ich hab’ einen Super-Primeur», meldet sich der Chefreporter zu Wort. Als er sich der allgemeinen Aufmerksamkeit sicher ist, sagt er: In Kölliken wird gerade das Ortsmuseum samt Strohdach renoviert. Und da muss nun die Feuerwehr ran und das Dach bewässern, damit auch beim Feuerwerk nix anbrennt.»

«Der Hammer», sagt der Blattmacher matt, «das wäre dann potenziell die Titelgeschichte für Freitag.» – «Und ich mache einen Ratgeber: Wie gefährlich sind Umarmungen und fremde Biere bei privaten 1.-August-Feiern», kommt weiter Schwung in die Runde. «Schön», sagt der Blattmacher, «da hätte ich aber gerne auch ein Experteninterview dazugestellt. Kurz und knackig, drei Fragen, drei kurze Antworten.» – «Soll ich noch etwas über Solidarität und den schleppenden Verkauf von 1.-August-Abzeichen durch pro Patria machen», flattert eine weitere Idee rein.

«Super», sagt der Blattmacher, «damit hätten wir’s wohl. Helm auf und los. Du da mit dem Strohdach, bequatsche doch die Feuerwehr, dass sie schon mal spritzt, dann machst du auch ein Video davon, crossmedial, weisst schon.»

So setzen sich die Zentralredaktionen von CH Media, von Tamedia, von Ringier in Bewegung. Während sich die NZZ überlegt, ob sie auch dieses Jahr mal wieder ein Interview mit der Bundespräsidentin ins Blatt hebeln will. Same procedure as every year, so heisst es doch im unsterblichen Neujahrsklassiker «Dinner for One». Aber der ist wenigstens lustig.