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Situation in der Ostschweiz

Alles eine Frage der Grösse?

Lehrermangel, steigende Schülerzahlen, Kostendruck: Die Schullandschaft hat einige Probleme zu bewältigen. Gerade, was die Klassengrösse betrifft, sei dies der wohl bedeutendste Belastungsfaktor für die Lehrpersonen, so der Dachverband der Lehrer Schweiz.

Manuela Bruhin am 17. Juni 2020

Zwischen 16 und 24 Schüler sitzen durchschnittlich in einer Ostschweizer Klasse. Viele unterschiedliche Charaktere, Herkünfte und Zukunftsvisionen. Dazu kommen die unterschiedlichen Talente. Während der eine seine Mühe im Rechnen hat, verzweifelt der andere an einer Fremdsprache, und der nächste zeigt sich im Sport so gelenkig wie ein Nilpferd. In diversen Ostschweizer Schulen findet der Unterricht zudem im altersdurchmischten Lernen statt. Wie schafft man es da als Lehrperson, allen Schülern gerecht zu werden – und vor allem, den Überblick zu bewahren? Der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz betonte bereits vor einiger Zeit, dass der wohl bedeutendste Belastungsfaktor für die Lehrpersonen die Klassengrösse sei.

Keine zu grossen Klassen

Um diese Probleme wissen die Ostschweizer Schulleiter. «Ja, die Lehrerpersonen sind stark gefordert, vor allem im Kindergarten», sagt der Gossauer Schulpräsident Urs Blaser. Einerseits sei dies auf die fehlenden Deutschkenntnisse bei einem Drittel der Kinder zurückzuführen. «Andererseits stellen wir tatsächlich sehr schwierige Kinder fest, die mit ihrem Verhalten eine ganze Klasse durcheinanderbringen.» Das seien zwar nur ganz wenige, aber darunter könne dann eine ganze Klasse leiden. Durch aussenstehende Angebote, Elterngespräche und Klassenhilfe hole man sich entsprechende Unterstützung. Blaser betont, wie zufriedenstellend die Arbeit der hiesigen Lehrpersonen sei. «Ich erhalte keine Klagen über die sehr anspruchsvolle Arbeit. Die Lehrerschaft weiss aber auch, dass wir sie unterstützen.» Auch dies sei übrigens ein wichtiges Argument, dass man die Klassenbestände nicht zu hoch haben will. Im Durchschnitt 17.5 Kinder gibt es in Gossau in einer Kindergartenklasse, 20.4 Schüler in der Primarschule, 18.7 Schüler in Realschulklassen und 19.8 in Sekundarschulklassen.

Ein Viertel der Lehrer pensioniert

Einen Lehrermangel gibt es in Gossau derzeit nicht. Aber: Gerade im Kindergarten werden in den nächsten Jahren die Schülerzahlen steigen. Zudem stehen in den nächsten Jahren viele Pensionierungen an. «In den nächsten fünf Jahren gehen rund 40 Lehrer/-innen in die Pension, also etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden», so Blaser weiter. «Es dürfte vielen Schulen so gehen, dass es doch eng werden wird.» Dennoch bleibe er zuversichtlich, was das Thema anbelangt.

Kleinere Klasse erwünscht

Die kantonalen Richtlinien im Hinblick auf die Klassengrösse werden in Kreuzlingen wenn möglich nicht voll ausgeschöpft. Laut kantonalen Richtlinien gelten für den Kindergarten 20 und für die Primarschule 24 Kinder als Richtgrösse. «Unser grosses Ziel ist es, in der Primarschule Klassengrössen von 18 Kindern anzustreben – allerdings gelingt uns das nicht immer», sagt Schulpräsidentin Seraina Perini. Man bewege sich in Kreuzlingen in einem urbanen Umfeld, es gäbe einige komplexe Faktoren, welche sich nicht beeinflussen lassen. «Das betrifft beispielsweise die verschiedenen Lebensstile, die Durchmischung der Einwohner sowie der Anteil fremdsprachiger Kinder», fasst Perini zusammen. Alles zusammen mache eine kleinere Klasse, wenn die Finanzen es zulassen, in Kreuzlingen mehr Sinn. Die Lehrpersonen könne sich so Zeit für das einzelne Kind oder Jugendliche nehmen. Ob sich diese Wunschgrösse in Zukunft weiterhin verfolgen lasse, kann Perini derzeit schwer abschätzen. Denn: Auch in Kreuzlingen geht man von einem Schülerzuwachs aus, was wiederum eine Schulraumerweiterung mit sich ziehe. Die Anforderungen seien spannend, gleichzeitig aber auch eine Herausforderung. «Uns ist es wichtig, für die Lehrpersonen ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wir wollen sie in ihrer Arbeit durch verschiedene Angebote unterstützen.» Dies beinhalte unter anderem Weiterbildungen, umsichtige Schulleiter und eine professionelle Schulberatung.

Lehrpersonen unterstützen

Durchschnittlich 19.6 Schüler sitzen in einer Klasse in Herisau. Eine gute Grösse, erklärt Abteilungs- und Schulleiter Michael Häberli. «Klar gibt es gewisse Situationen, die anspruchsvoll sind. Doch wir haben verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, um das abzufedern.» So werden bei Bedarf Zivildienstleistende, Praktikanten oder die Schulische Sozialarbeit eingesetzt, um die Lehrpersonen zu unterstützen. Dass sie dennoch zeitweise gefordert sind, will er nicht bestreiten. Den Peak im Hinblick auf die steigenden Schülerzahlen habe man seiner Meinung nach in zwei bis drei Jahren jedoch erreicht. Grundsätzlich sei nicht nur die Klassengrösse entscheidend, wenn es um die Anforderungen an die Lehrpersonen gehe. «Wichtiger ist, wie die Klasse zusammengesetzt ist. Es kann also sein, dass eine grössere Klasse einfacher zu unterrichten ist, wie es bei einer kleineren der Fall ist», so Häberli weiter.

Talsohle durchschritten

Ähnlich tönt es auch im Kanton Appenzell Innerrhoden. Die durch die kantonalen gesetzlichen Vorgaben definierten Obergrenzen wurden in den vergangenen Jahren nur in ganz vereinzelten Ausnahmefällen erreicht oder überschritten, sagt Norbert Senn, Leiter Volksschulamt. «In solchen Situationen wurde beispielsweise vorgegeben, dass immer eine zweite Lehrperson anwesend sein muss, wenn alle Schüler unterrichtet werden.» Von einem Lehrermangel könne man in Appenzell Innerrhoden nicht sprechen. Aktuell konnten alle Stellen besetzt werden und es gab im Vorfeld genügend Bewerber. Senn: «Bezüglich Schüleranzahl haben wir ebenfalls die Talsohle durchschritten.» Die Gesamtschülerzahl werde gemäss den Geburtszahlen in den nächsten Jahren moderat wachsen. Alles in allem blicke man positiv gestimmt in die Zukunft.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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