Der Kanton Thurgau sollte seine Interessen in Bern nicht unbedingt lauter vertreten. Aber sehr viel gezielter.
Die Thurgauer haben vor zwei Jahren den Expo-Planungskredit abgelehnt, etwas weniger deutlich als die St. Galler, aber das war mir nicht wirklich ein Trost. Frauenfeld hat fast zum gleichen Zeitpunkt auch den Kredit für den Afip abgelehnt. Afip, was war das schon mal wieder genau? Etwas mit Forschung, Landwirtschaft und Lebensmittel? Ja genau, der Agro Food Innovation Park! Der Thurgau, bedeutendster Verarbeiter von landwirtschaftlichen Produkten mit schweizweit bekannten Produzenten und Marken (Möhl, Biotta, Hefe Schweiz, Pasta Premium, Bina und vielen anderen) ist auf Innovationen angewiesen. Die ganze Wertschöpfungskette der Land- und Ernährungswirtschaft wollte man mit dem Afip an einem Standort zusammenbringen, unterstützt von einem ETH-Studio, begleitet von der produzierenden Thurgauer Lebensmittelwirtschaft.
Will der Thurgau nicht?
Die beiden Nein sind möglicherweise in Bern als (zu) deutliche Signale angekommen: Der Thurgau will sein Potenzial nicht zeigen, gut, dann lassen wir ihn eben, wo er ist und aus Bundessicht immer schon war: am Rande der Schweiz! Nur so kann man sich erklären, dass in Bern quasi über Nacht und klammheimlich beschlossen wurde, den Forschungsstandort Agroscope im thurgauischen Tänikon aufzuheben und in den Kanton Freiburg zu verlegen. Betroffen sind rund 100 Mitarbeitende. Parlament, Regierung und weitere Kreise im Thurgau wehren sich zu Recht vehement gegen diesen massiven Abgang von Brain und interessanten Arbeitsstellen.
Nicht lauter, sondern gezielter!
Sachlich spricht vieles dafür, diesen wichtigen Standort der angewandten Forschung im Thurgau zu belassen. Landwirtschaft ist dezentral, es macht Sinn, die dazugehörende Forschung auf dem Felde zu betreiben. Nicht alles muss zentralisiert werden. Ob die zuständigen Stellen in Bern unseren lautstarken Widerstand gegen die Verlegung von Agroscope Tänikon in die Westschweiz ernst nehmen, wird sich zeigen. Für uns Thurgauer selbst mag das Verhalten von Bern auch bedeuten, dass wir uns vermehrt dafür interessieren sollten, wie wir von aussen wahrgenommen werden, welche Wirkung wir als Kanton entfalten. Damit rede ich nicht von einem lärmigen Engagement, von einem reflektierenden jedoch schon.
Brigitte Kaufmann (*1958) ist Inhaberin der Agentur Kaufmann Kommunikation. Sie vertritt im Thurgauer Kantonsrat die FDP und ist Bereichsleiterin Politik des Thurgauer Gewerbeverbandes.
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