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Fallstricke im Wohnungsmarkt

Auch bei Kostenmiete sind deutlich steigende Mietpreise möglich

Das Zauberwort von links lautet: Kostenmiete. Damit nicht die böse «Marktmiete» die armen Mieter schröpfe. Doch auch die Kostenmiete vermag Mietzinssteigerungen nicht zu verhindern, wenn die Immobilienpreise steigen — ohne dass solche Mietzinserhöhungen missbräuchlich wären.

Thomas Baumann am 12. Dezember 2023

In der SRF-«Arena» vom Freitag 17.11. zum Thema «Was tun gegen steigende Mieten?» standen FDP-Nationalrat Beat Walti und der SVP-Vertreter Manfred Bühler den beiden Nationalräten Michael Töngi (Grüne), Vizepräsident Mieterverband, und Jacqueline Badran (SP), ebenfalls Vorstandsmitglied im Mieterverband, gegenüber.

Tenor von links: Wohnraum sei eine «primär essenzielle Güterklasse», denn «alle müssen wohnen». Oder mit den Worten von Jacqueline Badran: «Wir reden von einem Daheim, nicht von Turnschuhen.»

Der Vergleich hinkt: Viele Wohnungen verfügen heutzutage zum Beispiel über einen Geschirrspüler. Was ist nun essenzieller: Im Winter Turnschuhe an den Füssen zu haben, oder einen Geschirrspüler in der Küche? Geht man in die Details, ist die Welt oftmals komplizierter.

Rechenbeispiel zulässiger Mietertrag

Reichlich kompliziert auch die Definition eines «missbräuchlichen Mietzinses»: Liegt die Eigenkapitalrendite einer Immobilieninvestition mehr als zwei Prozent über dem hypothekarischen Referenzzinssatz, dann ist ein Mietzins missbräuchlich.

SRF versuchte dies anhand eines Beispiels zu erklären: Kauft Frau Müller ein Mehrfamilienhaus zum Preis von zwei Millionen Franken mit einer Million Eigenkapital und einer Hypothek von ebenfalls einer Million Franken, dann darf sie bei einem Referenzzinssatz von 1,5 Prozent pro Jahr höchstens eine Nettorendite von 35'000 Franken erzielen.

Berücksichtigt man ebenfalls die Zinszahlung auf die Hypothek bei — in diesem Fall — einem Zinssatz von 1,5 Prozent, dann darf sie maximal einen Mietertrag vor Zinsen von 50'000 Franken erzielen: 35'000 Franken Nettorendite plus geschuldete Zinsen von 15'000 Franken.

Je mehr Eigenkapitel, desto höhere Miete

Es leuchtet ein: Je höher das Eigenkapital, desto höher der zulässige Ertrag vor Zinsen. Kauft Frau Müller zum Beispiel die ganze Liegenschaft mit Eigenkapitel dürfte sie einen Ertrag von 70'000 Franken erzielen. Die zulässige Miete hängt somit auch von der Finanzierungsform ab.

Dies ist jedoch nicht der einzig relevante Faktor für die Höhe der Miete. Zwar dröhnte Jacqueline Badran wie gewohnt wortgewaltig gegen die beiden rechten Vertreter: «Ich stelle fest: Die beiden Herren wollen nicht erklären, warum die Mieten so massiv gestiegen sind, obwohl sie hätten sinken sollen.»

Damit tat sie aber bloss kund, dass sie Beat Walti nicht aufmerksam zugehört hatte. Dieser sprach in seinem vorhergehenden Statement nämlich von «asset inflation» — oder auf gut Deutsch: steigenden Immobilienpreisen.

Es ist trivial: Eine vollständig mit Eigenkapital finanzierte Immobilie im Wert von einer Million Franken darf jährlich eine Nettorendite von maximal 35'000 Franken abwerfen. Verdoppelt sich nun der Wert der Immobilie, so verdoppelt sich auch die zulässige Nettorendite auf 70'000 Franken.

Steigende Immobilienpreise

Genau das ist in den letzten Jahren passiert: In den vergangenen sieben Jahren stiegen die Immobilienpreise um rund einen Viertel, bei unverändertem Referenzzinssatz. Der zulässige Mietertrag stieg somit ebenfalls um fast 25 Prozent. Völlig legal. Tatsächlich stiegen die effektiven Mieten deutlich weniger stark.

Die letzten sieben Jahre mit mehr oder weniger stabilen Zinsen und steigenden Immobilienpreisen sind allerdings eher eine Ausnahme. Üblicherweise bewegen sich Hypothekarzinsen und Immobilienpreise in die entgegengesetzte Richtung.

So betrug der Referenzzinssatz vor 15 Jahren noch 3,5 Prozent. Eine vollständig mit Eigenkapital finanzierte Immobilie im Wert von einer Millionen Franken durfte vor 15 Jahren somit einen zulässigen Nettoertrag von 55'000 Franken abwerfen.

Zwar liegt der Referenzzinssatz heute deutlich tiefer. Hingegen sind die Immobilienpreise in den letzten 15 Jahren um gut 60 Prozent gestiegen. Dies kann dazu führen, dass der steigende Immobilienpreis den Rückgang des hypothekarischen Referenzzinssatzes überkompensiert: 3,5 Prozent auf 1,6 Millionen Franken werfen einen höheren Ertrag ab als 5,5 Prozent auf einer Million Franken.

Es sind somit zwei mögliche Faktoren, welche den zulässigen Mietzins in die Höhe treiben: Steigende Immobilienpreise — und mehr Eigenkapital. Wobei sich diese gegenseitig bedingen: Können institutionelle Anleger auf mit eigenem Kapital finanzierten Immobilien höhere Erträge erzielen, so sind sie auch bereit, mehr für Immobilien zu bezahlen.

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Autor/in
Thomas Baumann

Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.

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