Käse. Rivella. Oder Aromat. Alles bekannte Produkte aus der Schweiz. Aber Shrimps? Die exotischen Tiere werden wohl von den wenigsten mit der Ostschweiz in Verbindung gebracht. Simon Mayer hat sich seit fast zehn Jahren seiner Leidenschaft für eine nachhaltige Shrimps-Produktion verschrieben.
Der Werbeslogan «Ä bitzli stinke muess es» trifft bei den Shrimps so gar nicht zu. Und wenn doch: Dann ist wohl etwas gewaltig schief gelaufen. Frischer Shrimps sollte niemals nach Fisch riechen, und schon gar nicht so schmecken. Wer hingegen einmal in den Genuss von frischen Shrimps gekommen ist, der weiss, wie gut die exotischen Tiere schmecken. Als Simon Mayer vor bald zehn Jahren in Brasilien eine entsprechende Zucht kennenlernte, war es passiert. Ein fast 70-jähriger Freund und Bäcker, welcher bis anhin eigentlich keine Shirmps mochte, ass gleich einen ganzen Teller davon. Und die Idee, ein solches Angebot, wie es sein Kollege in Brasilien hatte, in der Schweiz aufzuziehen, liess Simon Mayer nicht los. Dass das Ausarbeiten, das Tüfteln und die Versuche gleich so viele Jahre in Anspruch nehmen werden, konnte der Thurgauer damals zwar nicht ahnen. Dennoch ist er froh, auf sein Gefühl gehört zu haben. «Wenn man wirklich überzeugt von etwas ist, sollte man seiner Intuition auch einmal nachgeben», findet er.
Zwischen damals und heute liegen viele Herausforderungen, noch mehr Schweissperlen und manche Verzweiflungsträne. Denn nicht alles lief glatt, es brauchte viele Versuche, bis die Zucht gelang. «Aufhören war für mich dennoch keine Option», fasst es Simon Mayer zusammen. «Ich habe so viel Zeit und auch Geld investiert, dass Aufhören einfach das dümmste gewesen wäre.» Gerade, weil die Shrimps-Aufzucht Neuland war, konnte er nicht auf die Erfahrungswerte anderer zurückgreifen. Und von zehn Ratgebern erhielt er zehn verschiedene Meinungen. Was beim einen funktioniert, muss noch längst nicht für den anderen gelten. «Manchmal verstehe ich es selbst nach so vielen Jahren nicht, weshalb nun etwas gegriffen hat. Wir müssen wohl auch nicht alles verstehen», sagt Mayer. Am Schluss entscheiden die Anlage und Tiere, was richtig sei – und was nicht. Das Wasser sei ein Element, in welches sich der Mensch nicht zu hundert Prozent einfühlen könne.
Heute beliefert er den Globus mit seinen Shrimps. Die Nachfrage übersteigt mittlerweile das Angebot. Auch wenn die Kunden dafür tiefer in die Tasche greifen müssen. Über den Daumen gerechnet, ist der Kilopreis für die Shrimps aus der Ostschweiz zehnmal höher, als es bei den importierten der Fall ist. «Ich bin jedoch der Meinung, dass der Preis für Shrimps aus dem Ausland viel zu tief angesetzt ist. Da werde ich niemals mithalten können.»
Bis die Tiere auf etwa 35 Gramm angewachsen sind, verstreichen gerne bis zu 200 Tagen. Tage, die gefüllt sind mit Arbeit rund um die kleinen Garnelen. Frisch, saftig und geschmackvoll sollen sie sein. Und somit einen Gegentrend zu den gefrorenen und bereits gekochten Import-Shrimps setzen. Damit die Qualität gewährleistet ist, vollzieht Simon Mayer sämtliche Arbeitsschritte selbst. «Mir liegt es am Herzen, dass die Shrimps frei von chemischen Zusätzen und Antibiotika sind.»
Derzeit wird die Brut eingeflogen. Das Ziel Mayers ist jedoch, dass demnächst die Nachzucht gelingt. Damit die Abhängigkeit aus dem Ausland nicht mehr gegeben ist. «Natürlich wollen wir auch so nachhaltig wie möglich arbeiten. Aber sind wir ehrlich: Shrimps gehören nicht zum Grundnahrungsmittel, sondern sie sind ein Luxusprodukt.» Für die Produktion verbrauche er jedoch Ressourcen. Die Diskussionen rund um das Thema Nachhaltigkeit gehen auch am Ostschweizer Produzenten nicht vorbei. Wobei man eben nicht alles nur schwarz oder weiss sehen könne. Die Antwort, was Nachhaltigkeit bedeutet, muss wohl jeder für sich selber finden. Und doch ist der Ostschweizer davon überzeugt, dass künftig wieder mehr in Nahrungsmittel investiert wird. «Die letzten Jahre mit Corona oder dem jetzigen Krieg lassen die Wertschätzung steigern. Ich bin sicher, dass gesunde Produkte auch in gewisser Weise ‘ansteckend’ sein können – wenn es auch schwieriger ist, dies zu beweisen.»
Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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