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Kritik an Regierungskandidat Beat Tinner

Aus der «Steuerhölle» heraus Steuern senken?

Der St.Galler Regierungskandidat Beat Tinner (FDP) will den Kanton steuerlich attraktiver machen, vor allem für Vermögende. Nun tauchen Fragen auf, weil Tinners eigene Gemeinde Wartau alles andere als ein Steuerparadies ist. Im Interview nimmt der Gemeindepräsident Stellung.

Stefan Millius am 30. März 2020

Dieses Interview ist eine Reaktion auf diesen Beitrag eines Kolumnisten von «Die Ostschweiz».

Beat Tinner, Ihre Gemeinde Wartau, die Sie seit vielen Jahren präsidieren, wird in einem Beitrag als Steuerhölle bezeichnet. Leidet darunter Ihr Image als einer, der für attraktive Steuern einsteht?

Die Gemeinde Wartau hatte bei meinem Amtsantritt als Gemeindepräsident einen riesigen Infrastrukturnachholbedarf. Dies, weil vorher über Jahre hinweg wenig passiert ist. Es wurde beispielsweise ein neues Betagtenheim erstellt und vor allem das weitläufige Strassennetz erneuert. In den letzten Jahren standen die Sanierung von Schulbauten in Oberschan und Azmoos an. Das Oberstufenschulzentrum Seidenbaum in Trübbach wurde einer umfassenden Sanierung unterzogen und derzeit wird ein Neubau eines Schulhauses für 200 Schulkinder erstellt. Die Infrastrukturkosten wirken sich auf den Steuerfuss aus. Ebenso die schwache Steuerkraft der Gemeinde.

Kritisiert wird auch, dass in Wartau zu viele externe Experten als Strategieberater angeheuert und teuer bezahlt werden. Hier gehe das Geld flöten, das gebraucht würde, heisst es dazu.

Mit Dritten arbeiten wir nur dann zusammen, wenn wir eine Kompetenz intern nicht abdecken können. Der Gemeinderat nimmt seiner Verantwortung wahr. Zudem sollen auch meine guten Wahlergebnisse nicht unerwähnt bleiben. Beim ersten Wahlgang der Regierungsratswahlen wählten mich knapp 75 Prozent aller Wartauerinnen und Wartauern. Ich erhielt ein vielfaches Mehr Stimmen als alle anderen Kandidierenden, auch die Bisherigen. Das ist ein grosser Vertrauensbeweis der Bevölkerung, der mich freut und ehrt.

Dennoch die Frage: Warum haben Sie vor diesem Hintergrund gerade die Steuerthematik so offen aufgenommen im Wahlkampf?

Es ist korrekt, dass ich in einem Interview darauf hingewiesen habe, dass auch den guten Steuerzahlenden Sorge getragen werden muss. Rund 30 Prozent der Steuerpflichtigen tragen zu über 60 Prozent zum Steuersubstrat bei. Sowohl bei den Privatpersonen mit mittlerem Einkommen als auch bei den Unternehmen weist der Kanton St.Gallen eine sehr hohe Steuerbelastung aus. Befindet er sich bei den Unternehmen und Geringverdienenden knapp im Mittelfeld, gehört er bei den mittleren Einkommen zu den Schlusslichtern. Gerade aber Personen mit mittleren bis hohen Einkommen oder Vermögen tragen aufgrund der Progression ausserordentlich stark zu den Staatseinahmen bei. Dies hat die Regierung in einem Bericht über die finanziellen Langfristperspektiven selbst festgestellt. Unser Ziel muss es also sein, die Steuerbelastung zu reduzieren und den Kanton über alle Steuerarten ins vordere Drittel aller Kantone zu bringen. Sind wir nämlich für alle Einkommensschichten attraktiv, nützt das allen. Schliesslich kann der Staat nur Leistungen anbieten, wenn er genügend Steuergelder einnimmt. Nur dann sind unser Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem und viele weitere Bereiche finanzierbar. Nur dann kann der Staat den Schwächsten mit individueller Prämienverbilligung, Ergänzungsleistungen oder sogar Sozialhilfe unter die Arme greifen.

Die Einnahmen sind das eine, die Ausgaben das andere. Steuereinnahmen nützen wenig, wenn das Geld ebenso schnell wieder verschwindet.

Wir müssen gleichzeitig sicherstellen, dass die Staatsquote mittelfristig wieder sinkt und wir die Verwaltung sowie die Bürokratie nicht ständig weiter ausbauen. Überlegen wir uns bei jeder neuen Ausgabe, wo wir dafür auf eine nicht mehr benötigte Leistung verzichten können, halten wir den kantonalen Finanzhaushalt im Gleichgewicht – die zukünftigen Generationen werden es uns danken. Der Kanton St.Gallen finanziert heute einen Teil seiner Ausgabe mit den Einnahmen aus dem nationalen Finanzausgleich. Er lebt also auf Kosten der strukturstarken Kantone. Das ist aber nicht in Stein gemeisselt. Der Kanton St.Gallen kann mittel- bis langfristig sein Potenzial ausbauen. Dafür muss er in allen relevanten Bereichen staatlichen Handelns seine Strukturen überdenken und anpassen. Als Regierungsrat möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir diese Strukturreformen angehen und gleichzeitig daran arbeiten, dass wir unsere Lebensgrundlage erhalten. Gerade aufgrund der aktuellen Krise und zur Bewältigung der Folgen ist das nötiger denn je.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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