Gemeindeoberhäupter machen mobil gegen aufgemotzte, PS-starke Fahrzeuge, die von ihren Besitzern - oder eher Leasingnehmern - lautstark durch die Quartiere ausgefahren werden. Aber im Grunde müssen Politiker froh sein um die sogenannten «Autoposer». Sie sind beste Werbung.
Keine Frage: Wer sich in der Gruppe trifft, in die endlos getunten Autos steigt und dann ein gefühltes Dutzend Mal denselben Streckenabschnitt abfährt und dabei den Auspuff knallen und den Motor heulen lässt, hat vermutlich das eine oder andere Defizit auf der persönlichen Ebene. Als Hobby kann man das Ganze schlecht bezeichnen, und sollte es eines sein, dann ist es schwierig, seinen Sinn zu ergründen. Am ehesten vielleicht noch so: Wenn sonst nichts auffällt, muss es wenigstens das Auto tun.
Dass es Leute wie den Rorschacher Stadtpräsidenten Robert Raths nervt, wenn solche Leute die Hauptstrasse am Wochenende in eine Abgas- und Gedröhn-Hölle verwandeln, ist nachvollziehbar. Die Polizei hat - kaum zufällig - inzwischen auf das laute Klagen der Politik reagiert und kontrolliert systematisch. Sie kann aber schlecht permanent stationiert bleiben an den Hotspots, sie hat auch noch anderes zu tun. Im besten Fall verlagern sich die Schwerpunkte.
Aber im Grunde kann den Politikern nichts besseres passieren als die Autoposer. Denn den Kampf gegen diese führen sie widerspruchsfrei und oppositionslos. Nur die PS-Protzer selbst finden es nicht lustig, aber ganz offen gesagt: Die gehen kaum wählen. Oder dürfen nicht. Es gibt also kein Thema, bei dem jemand, der irgendwann wieder gewählt werden will, so hemmungslos offensiv aktiv werden darf wie hier. Kein besorgter Bürger wird sich in einem Leserbrief über Polizeikontrollen gegen Poser beklagen. Man hat den Stammtisch auf seiner Seite, aber auch den Turnverein, den Serviceclub und das Gewerbe obendrauf.
Möge auch der Steuerfuss ins Unendliche steigen und die Infrastruktur ins Bodenlose sinken: Wer den Kampf gegen den unnötigen Autolärm gewinnt, steigt in der Wählergunst. Und das dank - bei aller Lästigkeit - einem ausgesprochenen Softthema. Was nicht heissen soll, dass das entschlossene Vorgehen nicht richtig ist. Es ist gut, dass hier durchgegriffen wird. Nur ist zu hoffen, dass sich das riesige Engagement auch auf andere Bereiche erstreckt. Denn zur Erinnerung: Derzeit kämpfen zahllose Betriebe ums Überleben.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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