Nach dem Parlament sagt auch das St.Galler Stimmvolk Nein zur Initiative «Behördenlöhne vors Volk». Das nicht gerade überdeutliche Resultat sollte aber zumindest als Warnschuss wahrgenommen werden. Es braucht in Gemeindeführungen ein neues Rollenverständnis gegenüber früher.
Abstimmungsresultate sollten nicht im Nachhinein schöngeredet werden. Eine Niederlage ist eine Niederlage, und das Wort «Achtungserfolg» wird mittlerweile bei jedem möglichen Ergebnis bemüht. Wenn aber eine Initiative, die nur von ganz wenigen (jungen) organisierten Kräften unterstützt wurde, von doch immerhin rund 47 Prozent derjenigen bejaht wird, ist das zumindest beachtlich.
Das war der Fall bei der Initiative «Behördenlöhne vors Volk». Angesichts der geballten Kraft, mit der sich die meisten Parteien und rund 80 Prozent des Kantonsrats stemmten, ist das Volksverdikt eine andere Grössenordnung. Man mag nun sagen, dass viele frustrierte Bürger die Gelegenheit nutzen wollten, es «denen da oben» zu zeigen. Aber das greift zu kurz. Für viele schien es auch einfach logisch, dass sie als Steuerzahler in einer Gemeinde zu bestimmen haben, was die oberste Riege der Verwaltung verdient - und was nicht.
Ganz mager war vor allem ein Argument der heutigen Abstimmungssieger. Sie befanden, man dürfte das Amt des Gemeindepräsidenten nicht noch unattraktiver machen, indem man die Löhne den Launen der Bürger überlässt. Angesichts dieser Ausführung müsste man zum Schluss kommen, es sei eine Art Strafe, einer Gemeinde vorzustehen. Natürlich steckt viel Arbeit hinter dieser Aufgabe, aber auch viele Freiheiten und Gestaltungsspielraum - und ein Gehalt, das auch von der Bürgerschaft kaum je massiv gekürzt worden wäre. Als Gemeindepräsident ist man alle vier Jahre ohnehin dem Willen des Stimmvolks ausgesetzt. Wer damit nicht umgehen kann, ist fehl am Platz.
Die Mehrzahl der Gemeindepräsidenten leistet gute Arbeit und ist sich der Verantwortung des Amts bewusst. Es gibt aber auch solche, die - einmal im Amt - vergessen, wem sie verpflichtet sind und woher das Geld kommt, das sie beziehen. Wer den Draht zur Bevölkerung hat, wer pflichtbewusst handelt und nicht willkürlich, wer die Gesetze einhält und niemanden bevorteilt, hätte auch bei einem Ja kaum je Angst haben müssen, mit einer Lohnkürzung zu rechnen.
Letztlich ging es an diesem Abstimmungssonntag nicht um das einzelne Salär eines Gemeindepräsidenten, sondern um einen Paradigmenwechsel. Die Lohnhoheit wäre an die Arbeitgeber gegangen - die Bürgerschaft. Und damit weg von einem Gremium wie dem Gemeinderat, der in engster Verflechtung steht mit dem primus inter pares, dem Gemeindepräsidenten. Es wäre schlicht transparenter gewesen. Das dem nun nicht so ist, ist zu akzeptieren. Ein Freipass für die Zukunft ist es nicht.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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