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Gruppe mit mehreren hundert Mitgliedern

Bei der Swiss wird Opposition gegen die Impfpflicht laut

Die Swiss fordert von ihren Angestellten, sich bis Mitte November impfen zu lassen. Nicht alle wollen das mittragen. Mehrere hundert Mitarbeiter haben sich in einer Gruppe formiert. Sie wollen genauere Abklärungen, weil die Impfung eine Gefahr für die Flugsicherheit sein könne.

Stefan Millius am 03. September 2021

Das fliegende Personal der Swiss untersteht bald einer Impfpflicht. In zweieinhalb Monaten muss jeder geimpft sein. Das Unternehmen begründet das damit, dass die Einreisebestimmungen im Ausland zum Teil die Impfung voraussetzen. Doch noch ist vieles unklar. Der emeritierte Rechtsprofessor Thomas Geiser, Experte für Arbeitsrecht, äussert Bedenken darüber, ob die Forderung so einfach durchsetzbar ist, wie die Swiss das darstellt.

Inzwischen setzt sich aber auch eine Gruppe von Angestellten der Swiss gegen die Impfpflicht ein, wie Recherchen zeigen. Der Pilot X.Y. (Name der Redaktion bekannt), der die Gruppe vertritt und wie alle anderen anonym bleiben möchte, spricht hier erstmals darüber. Er sagt, bis vor wenigen Tagen habe es sich um über 200 Mitarbeiter gehandelt, doch seien seither viele dazugekommen. Offiziell ist nun die Rede von «mehreren hundert Mitarbeitern», darunter vor allem fliegendes Personal.

Sorge um Flugsicherheit

Ihnen gehe es in erster Linie um offene Fragen rund um die Impfung und deren mögliche Auswirkungen. «Wir dürfen derzeit nicht einfach ausschliessen, dass die Impfung die Flugsicherheit gefährden könnte», sagt X.Y. Mögliche Nebenwirkungen wie eine Thrombose oder ein Blutgerinsel können laut ihm für den Flugbetrieb unter Umständen verhängnisvoll werden und müssten weiter abgeklärt werden. Die Swiss stehe in der Bringschuld, diese Bedenken auszuräumen. «Aber wer derzeit Fragen stellt, wird nur immer wieder auf Zahlen und Fakten des Bundesamts für Gesundheit verwiesen, obwohl es genügend Hinweise aus anderen medizinischen Quellen gibt, die auf mögliche Gefahren hindeuten.»

Die Gruppe will nach eigenen Angaben keine Totalopposition gegen die Impfung betreiben, sondern den Dialog suchen. Es gebe durchaus Möglichkeiten, eine allgemeine Impfpflicht zu vermeiden, so der Pilot. «Auf Europastrecken gibt es beispielsweise nur wenige Flüge mit anschliessender Einreise. Man könnte sicher individuelle Lösungen finden, statt pauschal alle zu impfen.»

Repressalien befürchtet

Das Problem ist laut X.Y. und seinen Mitstreitern: Niemand traue sich, die Unternehmensführung direkt anzusprechen, der einzelne Mitarbeiter habe Angst um seinen Job. Deshalb habe man sich als Gruppe vernetzt und überlege sich, über einen externen Dritten oder einen Anwalt als Sprecher mit der Swiss-Führungsetage in Kontakt zu treten. Diese wurde in der Zwischenzeit über die Existenz der Gruppe informiert, ein Dialog hat aber noch nicht stattgefunden.

Die Gegner einer pauschalen Impfpflicht bei der Swiss haben eine Webseite aufgeschaltet, um weitere Interessenten zu informieren und zu vernetzen. Zu den Mitgliedern der Gruppe gehören demnach sowohl ungeimpfte wie auch geimpfte Mitarbeiter, die nicht mit einer generellen Impfpflicht einverstanden sind. Auf der Webseite heisst es:

«Diese Plattform dient als anonyme Anlaufstelle, bei der sich Gleichgesinnte melden können. (…) Zusammen können wir es schaffen, die Interessen der Firma, der Behörden, der Mitarbeiter abzugleichen und vor allem einen wichtigen Beitrag zu leisten, die Flugsicherheit aufrechtzuerhalten.»

Swiss stellt es laut X.Y. so dar, als sei innerhalb des Unternehmens die Akzeptanz für die Impfpflicht gross, die Rede sei von «85 Prozent Zustimmung». Das sei zu relativieren. Diese Zahl beziehe sich auf einen Artikel, der intern publiziert wurde und mit «Daumen rauf oder runter» beurteilt werden konnte. Daraus habe die Swiss die 85 Prozent abgeleitet. «Das ist eine sehr einseitige Plattform, anderslautende Stimmen werden teilweise gelöscht, und es traut sich kaum jemand, Kritik zu äussern», so X.Y. Gemäss Swiss sind derzeit rund 65 Prozent der Piloten und 35 Prozent der Flight Attendants geimpft, was mit insgesamt knapp 50 Prozent dem Schweizer Durchschnitt entsprechen würde.

Was passiert mit Ungeimpften?

Die Forderung der Gruppe lautet: Der Impfentscheid müsse ein individueller bleiben, wer sich dagegen ausspricht, dürfe keine negativen Auswirkungen tragen müssen. Allerdings sei sowieso vieles offen. Swiss liess verlauten, man müsse sich bis zum 15. November impfen lassen, doch was im gegenteiligen Fall passiert, sei nicht kommuniziert worden. Der Pilot stellt sich auch die Frage, was mit den Leuten passiert, die sich schon im Januar impfen liessen und ob diese bald zwingend für die dritte Spritze anrücken müssten. Dazu komme: «Es wurde bisher auch nicht mitgeteilt, was diese Impfpflicht beinhalten wird. Ist diese Pflicht auf Dauer festgelegt, auf einen Prozess, der bis heute weder geprüft, getestet noch zugelassen wurde?»

Man fühle sich ein bisschen wie «David gegen Goliath», dabei vertrete die Gruppe die Interessen des Unternehmens, indem sie sich um die Flugsicherheit sorge: «Wir wollen nur, dass unsere Sicherheit und die unserer Passagiere gewährleistet ist.» Ob die betriebliche Notwendigkeit für eine Impfpflicht gegeben sei, um dafür potenzielle Risiken einzugehen, sei fraglich. Auch die Gewerkschaft sei nur bedingt eine Hilfe, sie stelle sich auf den Standpunkt, die Impfpflicht sei rechtlich vertretbar.

Die Gruppe fordert konkret eine «fachkundige neutrale Beurteilung» der möglichen Auswirkungen der Impfung auf die Flugsicherheit. Es müsse erlaubt sein, skeptisch zu sein, denn es gebe genügend Ärzte ausserhalb des BAG, die Bedenken hätten, auch, was die Langzeitwirkung der Impfung angehe.

Auf Anfrage teilte die Swiss mit, man habe Kenntnis von der Webseite, eine anonyme Gruppe habe dem Unternehmen ein Schreiben zukommen lassen. «Wir sind gerne zu einem Gespräch bereit», so die Medienstelle. Man schätze ehrliches Feedback und die freie Meinungsäusserung, «selbst wenn ein Thema einmal kontrovers diskutiert wird.» Die Einführung des Impfobligatoriums sei weiterhin per 15. November geplant, Gespräche mit den Sozialpartnern Aeropers und kapers über die Umsetzung seien in Planung.

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Nach Kommentar von Stefan Schmid

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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