Die Frage aller Fragen: Wie unabhängig soll eine Notenbank sein?
Darf ein amtierender US-Präsident sagen, dass er nicht davon begeistert sei, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöht? Mit dem sogenannten Leitzins steuert die Zentralbank das allgemeine Zinsniveau und setzte ihn im Juni auf eine Spanne zwischen 1,75 bis 2 Prozent. Eine inzwischen deutliche Abkehr von der Politik der Null- oder sogar Negativzinsen.
Nicht nur Donald Trump, Politiker allgemein haben niedrige Leitzinsen lieber als höhere, da sie sich davon versprechen, dass die Wirtschaft durch billige Kreditvergabe angekurbelt wird und die Arbeitslosenquote sinkt – was sich hoffnungsfroh in Wahlresultaten niederschlagen sollte.
In den USA ist der Konjunkturmotor tatsächlich angesprungen, die Arbeitslosenquote ist auf einen historischen Tiefstand gefallen, alles zum Leidwesen von Trump-Gegnern. Also hebt die Notenbank den Leitzins an und steigt langsam aus dem Ankauf von Schuldpapieren aus.
Anders sieht es aber in Europa aus. Die europäische Notenbank EZB hält den Leitzins auf 0, was angesichts einer moderaten Inflation bedeutet, dass der Gläubiger damit Geld verliert, dass er einen Kredit gibt. Zudem kauft die EZB weiterhin jeden Monat für 60 Milliarden Euro Schuldpapiere auf, was ihr zunehmend schwer fällt, da der Markt leergefegt ist.
Der Euro-Raum zeigt, dass viele vermeintliche Grundgesetze der Ökonomie nicht stimmen. Zu ihnen gehörte, dass ein niedriges Zinsniveau die Wirtschaft ankurbelt, allerdings auch für einen Anstieg der Inflation sorgt. Beides ist seit der Finanzkrise eins, also immerhin seit zehn Jahren, nicht der Fall.
Der Wirtschaftsmotor kommt in der EU nicht auf Touren, eine nennenswerte Inflation gibt es auch nicht. Das liegt in erster Linie daran, dass für Investitionsentscheide in der Wirtschaft das Zinsniveau nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Viel wichtiger ist eine positive Antwort auf die Frage: Gibt es überhaupt einen Markt für die Produkte, die die Firma neu und zusätzlich herstellen wird? Herrscht eine pessimistische Konsumentenstimmung, wird sie verneint und nicht investiert.
Nun ist der Franken eine unabhängige Währung, wir haben eine auch von der Politik unabhängige Nationalbank (SNB). Die Zweckbestimmung der SNB ist – als vorrangiges Ziel – die Preisstabilität, wobei die Konjunktur zu beachten sei. War es daher zweckdienlich, eine Zeitlang eine Untergrenze zum Euro festzulegen und im Rahmen einer Stabilisierung des Wechselkurses die Bilanz aufzublähen?
Die SNB sitzt aktuell auf rund 850 Milliarden Franken, die in fremden Währungen, in erster Linie in Euro, angelegt sind. Dafür macht sie das «Gesamtinteresse des Landes» geltend, das als Exportnation auf verlässliche Wechselkurse angewiesen sei.
Nicht zuletzt wegen diesen Multimilliarden ist die SNB aber von der Entwicklung des Euro abhängig, vor allem in ihrer Zinsgestaltung. Um zu verhindern, dass der Franken immer wieder zur Fluchtwährung wird, erhebt die SNB sogar Negativzinsen.
Das bedeutet, dass man dafür zahlen muss, der SNB Geld zur sicheren Aufbewahrung zu übergeben. Diese Negativzinsen werden nicht zuletzt Schweizer Pensionskassen abgezwackt, was deren Rentenbezüger schmerzlich merken werden. Aber auch ausländische Investoren in Franken werden so abgeschreckt.
Vor einer weiteren Frage stehen die wichtigsten Notenbanken der Welt, das Fed, die EZB, die japanische Nationalbank und die SNB gemeinsam: Wie führen sie ihre Bilanzen wieder auf ein normales Mass zurück, wie verkürzen sie die Bilanzen um den Faktor zehn? Denn es kann ja nicht sein, dass im Fall der SNB das Vermögen in Fremdwährungen grösser ist als das Bruttoinlandprodukt eines ganzen Jahres.
Aber die Antwort auf diese Frage ist die gleiche wie auf die Frage, wieso es bei Nullzinsen keine Konjunktur und keine nennenswerte Inflation gibt. Auf alle diese Fragen sagt die versammelte Fachkompetenz der Wirtschaftswissenschafter, Ökonomen und Spezialisten: Keine Ahnung, kann man da den Telefonjoker nehmen?
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