logo

Vornominiertes Praxisprojekt

«Blockchain ist keine Zukunftsmusik»

Ein studentisches Projektteam der FHS St.Gallen zeigte in einem Praxisprojekt der im Delikatessenbereich tätigen Mediterre International SA auf, wie die Rückverfolgbarkeit ihrer Lebensmittel mittels Blockchain sichergestellt werden kann.

Ronald Ivancic am 25. Juli 2019

Spätestens seit der Kursralley der Kryptowährung Bitcoin Ende des Jahres 2017 ist der Begriff Blockchain einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Solchen digitalen Währungen ist es geschuldet, dass der «Kette von Blöcken» skeptisch begegnet wird beziehungsweise der Nimbus des Undurchschaubaren anhaftet. Dabei bietet die Blockchain-Technologie ganz pragmatische Lösungen und sorgt beispielsweise bei der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln für Transparenz – wie ein internationales Studierendenteam in einem Praxisprojekt für die Mediterre International SA aufzeigt.

Blockchain – das neue Internet?

Einfach ausgedrückt handelt es sich bei Blockchain um eine Technologie, die mit dem Internet vergleichbar ist und dazu dient, Informationen zu speichern. Einzelne Blöcke speichern Daten und sind mit anderen Blöcken mittels kryptographischer, also verschlüsselnder Verfahren verkettet. Dabei ist wesentlich, dass getätigte Transaktionen auf früheren aufbauen und diese als korrekt verifizieren. So wird sichergestellt, dass frühere Transaktionen nicht manipuliert werden können. Der Sicherheit dient auch eine dezentrale Speicherung der Datenkette. Damit geht einher, dass einzelne Teilnehmer Manipulationen an der Kette aufgrund inkonsistenter Berechnungen erkennen würden: Die Integrität des Systems könnte nicht mehr aufrechterhalten werden. Im Vergleich zu zentral(er)en Speicherlösungen wie dem Internet liegt so eine höhere Transaktionssicherheit und Transparenz vor. Anwendungen von Blockchainlösungen sind sehr vielfältig und reichen von Bezahlmöglichkeiten über das Internet der Dinge bis hin zum Fahrzeugbau und zur Textilbranche.

Natur und Technik

Auch in den Lebensmittelbereich haben mittlerweile Blockchainlösungen Eingang gefunden. Grössere Unternehmen wie Walmart und Carrefour setzen sie ein, um Produkte nachzuverfolgen. Dabei werden Transaktionen in der Lieferkette durch die beteiligten Akteure (Bauern, Transportunternehmen usw.) gemeinsam dokumentiert. Dies schafft unter anderem Vertrauen, da ein zentral registerführender Akteur ausgespart wird. Schreibe- und Leserechte können dabei je nach Nutzergruppen und deren Bedürfnissen verteilt werden. Neben der Erfüllung und Automatisierung von Dokumentationspflichten (Temparatur usw.) ist es möglich, dem Endverbraucher Informationen zu Ernte, Verarbeitung, Zertifizierung, Gross- und Einzelhändler zugänglich zu machen und so für transparente Rückverfolgbarkeit zu sorgen – ein wesentliches Thema und Kundenbedürfnis, insbesondere bei hochwertigen Lebensmitteln und Delikatessen.

Rückverfolgbarkeit sicherstellen

Die Mediterre International SA konzentriert sich als Teil der im Luxussegment tätigen Wealthyard Group SA auf die Herstellung und Vermarktung hochklassiger, organischer, gesundheitsfördernder und nachhaltiger Lebensmittel. Das Unternehmen mit Sitz in Zug vertreibt Olivenöle, veredelte Balsamico-Essige, Trockenfrüchte, Salz, Fruchtsäfte, Honig, Tee und vieles mehr. Hergestellt werden die Delikatessen in traditionsbewussten Betrieben in Griechenland, Italien und Korea. Der Vertrieb erfolgt neben einem Online-Store über ausgewählte Hotels, Restaurants und den Einzelhandel.

Um ihre Wertschöpfungskette zu optimieren, neue Absatzmärkte zu erschliessen sowie ein Konzept zur Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte zu entwickeln, beauftragte das Unternehmen Studierende der FHS St.Gallen. Diese machten sich im Januar in einem Team aus drei Schweizer International Management Studierenden sowie drei Austauschstudierenden aus Costa Rica, Portugal und Thailand mit Elan an die Arbeit mit dem Titel «From Production to Sales – Optimization of the Value Chain». Neben der Optimierung der Primär- und Sekundäraktivitäten der Wertschöpfungskette sowie der Analyse potentieller Absatzmärkte in Deutschland, Dänemark und Österreich analysierte das Team Möglichkeiten, um die Rückverfolgbarkeit sicherzustellen.

Konkrete umsetzbare Lösungen

Marktforschungen bei Endkonsumenten, potentiellen Vertriebspartnern sowie Experten für Lebensmittel, Nachhaltigkeit und Digitalisierung in Deutschland, Dänemark und Österreich bestätigten das Bedürfnis nach Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln. Nachdem sich eine Blockchainlösung als vorteilhafter als Strichcodes, QR-Codes und die Identifizierungs mittels elektromagnetischer Wellen (RFID) herausstellte, wurden konkrete Lösungsanbieter, namentlich IBM Food Trust, WeTrace und Foodways, näher analysiert. Eine Nutzwertanalyse zeigte die Vorteile von IBM Food Trust für die Mediterre International SA auf. Zudem wurde deutlich, dass das Tool die Rückverfolgbarkeit mit hoher Sicherheit zu einem recht günstigen Preis sicherstellen kann.

Ein Prozessmodell erklärt dem Auftraggeber konkrete Funktionalitäten der Lösung und erste Schritte der Implementierung. «Die Leistung der Studierenden hat uns überzeugt und die Ergebnisse die Erwartungen übertroffen», sagt Valerie Küenzi, Mitglied der Geschäftsleitung. Neben konkreten Ansprechpartnern in den interessierenden Ländern geben die Studierenden Empfehlungen für die Expansion ab und schlagen vor, wie die Wertschöpfungskette optimiert werden kann. «Das Aufzeigen konkret umsetzbarer Blockchain-Technologie regt uns zu weiteren Schritten an», fährt Küenzi fort, «so werden wir auch hier – wie mit unseren Produkten – am Puls der Zeit und im Premiumsegment des Genusses erfolgreich bleiben.»

Consulting Project International Management

Das Praxisprojekt wurde von einem gemischten Team aus internationalen Austauschstudierenden und FHS-Studierenden mit Fachrichtung International Management im fünften oder sechsten Semester ihrer Ausbildung realisiert. Inhaltlich können dabei Marktforschungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen durchgeführt und Managementkonzepte entwickelt werden. Die Schweizer Studierenden, die ebenfalls ein Semester ihres Studiums im Ausland verbringen, werden gemeinsam mit Austauschstudierenden Projekten zugeteilt, in die sie ihr Marktwissen optimal einbringen können.

Unterstützt durch Plenumslektionen und Schulungen sowie erfahrene Coachs der FHS St.Gallen, entwickeln die Teams im Herbst- oder Sommersemester in rund 800 Arbeitsstunden massgeschneiderte Lösungen für Unternehmen jeglicher Grösse und Branche, öffentliche Institutionen und NGOs in der Schweiz sowie im internationalen Bodenseeraum. «Eine absolut lehrreiche und gewinnbringende Erfahrung und ein nachhaltiger Sprung in meiner Entwicklung», so Manuella Lopes, studentische Projektleiterin des internationalen Projektteams. «Es freut uns, den Auftraggebern einen Mehrwert und datengestützte Optimierungslösungen bieten zu können. Blockchain ist keine Zukunftsmusik, sondern sehr real, pragmatisch und zielführend anwendbar.» Das internationale Praxisprojekt «From Production to Sales – Optimization of the Value Chain» ist in der Kategorie Managementkonzeption für den WTT YOUNG LEADER AWARD vornominiert.

Weitere Infos: www.fhsg.ch/wtt

WTT YOUNG LEADER AWARD

Mitte August entscheidet eine hochkarätige Jury aus Wirtschaft und Wissenschaft, welche Praxisprojekte endgültig für den WTT YOUNG LEADER AWARD nominiert werden. Die ersten drei Plätze in den Kategorien Marktforschung und Managementkonzeption werden am Montag, 16. September 2019, in der Tonhalle St.Gallen in feierlichem Rahmen verliehen. Für ein Impulsreferat zum Thema «künstliche Intellgienz» konnte der St.Galler Start-up-Investor und Digitalpionier Andreas Göldi gewonnen werden.

Weitere Infos dazu finden Sie auch auf der eigenen Unterseite von «Die Ostschweiz».

WTT

(Bild: zVg.)

Highlights

Nach Kommentar von Stefan Schmid

Interessenkonflikt beim Tagblatt-Chefredaktor?

am 07. Mai 2024
Lehrperson filmte heimlich

Nach den Übergriffen an der St.Galler «Flade» sagt Psychologe: «Wenn man nicht ernst genommen wird, kommt ein Gefühl von Ohnmacht auf»

am 08. Mai 2024
Lage entspannt sich wieder

Nach Missbrauchsskandal der Kirche sagt Thomas Franck: «Es gab sehr viele Kirchenaustritte, aber nicht so viele, wie ich persönlich befürchtet habe»

am 05. Mai 2024
DG: DG: Politik

Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

am 06. Mai 2024
Banker-Saläre

Es ist völlig in Ordnung, wenn Sergio Ermotti 14 Millionen Franken Lohn erhält

am 03. Mai 2024
Mangelndes Interesse?

Weil das Umfeld nicht vergessen werden darf: In St.Gallen sollen Angehörige psychisch Kranker ein Gehör finden

am 07. Mai 2024
20 Jahre Jubiläum

Bianca Mosimann feiert das Jubiläum ihres Coiffeurgeschäfts in St.Gallen: «Es war eine gute Zeit, und ich würde keinen Tag davon missen wollen»

am 06. Mai 2024
Zoomer Agency

Funktioniert Werbung überhaupt noch? Die St.Galler Werbeagentur sagt: «Hochwertiger Content auf TikTok geht oft unter»

am 09. Mai 2024
Serie «Warbird»

Nach einem Einsatz über Augsburg musste ein Bomber im Rheintal zur Landung ansetzen

am 08. Mai 2024
Serie «Warbird»

Der «Death Dealer»: Erster amerikanischer Bomber landet in der Schweiz

am 05. Mai 2024
Positive Dynamik fortsetzen

So sieht die neue St.Galler Departementsverteilung aus

am 08. Mai 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Ronald Ivancic

Dr. Ronald Ivancic promovierte zu systemischen Markenmanagement und ist als Dozent und Projektleiter an der Wissenstransferstelle WTT der FHS St.Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften tätig. Bis 2016 war er Direktor der Internationalen Programme der St.Galler Business School und der Management Academy St.Gallen sowie als Dozent, Autor, Herausgeber, Berater, Coach und Interimsmanager sowie in verschiedenen Fachverbänden, Interessensgemeinschaften und Beiräten aktiv.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.