Die Lage auf dem Markt für Büro- und Gewerbeimmobilien hat sich während der Corona-Pandemie drastisch verändert. Alle Beteiligten benötigen jetzt Fach- und Führungskräfte, die einer Welt zunehmender Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität sowie Mehrdeutigkeit gewachsen sind, wie Renata Kratzer, Management Consultant bei Nellen & Partner, erläutert.
Europas Büroflächenumsatz stürzte im 1. Quartal des Jahres um 32 Prozent ab – obwohl lediglich die 2. Hälfte des Quartals durch die Pandemie betroffen war. Andere Experten bestätigen dies, auch speziell für die Schweiz. So beschreibt das Beratungs- und Forschungsunternehmen Fahrländer Partner Raumentwicklung ein düsteres Bild bei den Geschäftsflächen.
Der Preiserwartungsindex für Büromieten sei mit -95.9 Punkten 62.3 Punkte tiefer als im Herbst 2019. Der entsprechende Index für Transaktionspreise von Büro- und Geschäftshäusern habe einen ähnlich tiefen Stand wie zuletzt in der Herbstumfrage 2009. Es zeichne sich ab, «dass die Corona-Pandemie deutliche Spuren im Bereich der Geschäftsimmobilien hinterlassen dürfte».
Eine davon ist ein grosses Bürosterben, wie die Strategieberatung Eurocres Consulting prognostiziert. Demnach könnte mindestens ein Fünftel der Büroarbeitsplätze dem Markt dauerhaft entzogen werden. Eine Entwicklung, die viele Fragen aufwirft, auf die es jetzt Antworten zu finden gilt!
Eine Ursache für den Einbruch ist die vermehrte Arbeit aus dem Homeoffice. Denn: «Wer von den Angestellten möchte auf Dauer noch an den Firmenarbeitsplatz zurück, den er vor Corona verlassen hat?», fragt Sven Wingerter, geschäftsführender Gesellschafter bei Eurocres. Darüber hinaus haben unzählige Firmen die Erfahrung gemacht, dass dezentrales Arbeiten positive Aspekte hat, wie der SRF berichtet.
Dies zeige sich am Beispiel des IT-Unternehmens Adesso. Seit dem Lockdown seien fast alle 300 Mitarbeiter im Homeoffice – eine überraschend positive Erfahrung, so Geschäftsführer Hansjörg Süess. Die Konsequenz: «Trotz Wachstums seien keine grösseren Büroflächen geplant. Im Gegenteil:
In Zukunft soll Homeoffice öfter möglich sein. Statt 80 Prozent Büropräsenz könnten es künftig nur noch 60 Prozent sein.»
Entspannung ist nicht zu erwarten
Ausserdem wird die Nachfrage nach zusätzlichen Büroflächen, von denen viele kurz vor der Fertigstellung stehen, durch die bevorstehende Rezession gehemmt, was die Leerstände mittelfristig ansteigen lässt, geht aus dem Bericht zur Lage des Schweizer Immobiliensektors der Zürcher Kantonalbank (ZKB) hervor. «Die Leerstände werden weiter steigen und üben Druck auf die Büromieten aus. Corona wird auf dem Büromarkt noch länger nachhallen», heisst es im Bericht.
Die unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Krise seien bei Büroflächen jedoch «weniger akut». Grössere Verwerfungen seien am Markt für Gewerbe- und Verkaufsflächen zu erwarten. Die ZKB schliesst Konkurse von einzelnen KMU nicht aus und rechnet mit einem zunehmenden Angebot an Verkaufs- und Gewerbeflächen in peripheren Lagen. Dies übt Druck auf Eigentümer von Geschäftsliegenschaften aus, die derzeit mit Anfragen für Mietreduktionen und Mietzinsstundungen «überschwemmt» werden.
Eine automatische Entspannung ist nicht in Sicht. Auch im zweiten sowie im dritten Quartal rechnet beispielsweise JLL, ein Beratungsunternehmen im Immobilienbereich, dem Immobilienbrief zufolge mit einem schwächeren Umsatzvolumen. Denn viele in den letzten Verhandlungsphasen befindliche Deals würden wohl so lange verschoben, bis mehr Sicherheit über die weitere Entwicklung bestehe.
So dürften die Leerstände in den meisten europäischen Städten ab dem 2. Quartal zunehmen.
Umdenken ist unumgänglich
Ein «Weiter so» sei für Mieter und Vermieter sowie Investoren völlig ausgeschlossen», meint Eurocres Consulting. Stattdessen müssten Unternehmen in neue Businessmodelle und Arbeitsmethoden investieren und die teure Immobilität auflösen. Die Situation heute sei eine Chance für ein vollständiges Umdenken von Betriebsabläufen.
Der klassische Zehn-Jahres-Mietvertrag für einen beheizten Rohbau werde zum Beispiel kein Standard mehr sein. Zudem müssten die Büros von gestern umgestaltet werden – zu Orten für qualitatives Zusammenkommen. Denn Arbeitstypologien, die Individualarbeit bedeuten, benötigen keine Büros mehr.
Vielmehr werden frischer Wind, der ein flexibles Kommen und Gehen ermögliche und Infrastrukturen vorhalte, die auf Interaktion und Kommunikation geeicht seien, nach Corona Erfolge sichern. Diese Meinung, dass es neue Konzepte braucht, teilen auch weitere Experten.
Eine solche Idee lautet, dass KMU vorhandene Büroflächen durch Anpassung der Arbeitsmodelle optimieren, sodass sie diese reduzieren können, berichtet Avobis, ein Dienstleister rund um die Themen Immobilien sowie Hypotheken und erläutert: «Dies würde die Fixkosten senken, resp. die Möglichkeit ergeben, durch Vermietung von Flächen an Dritte, gar einen Zusatzertrag zu erwirtschaften.»
Deshalb rechnet das Unternehmen mit einem stark wachsenden Markt für Shared Offices in den kommenden Jahren – insbesondere nach der Corona-Krise. Es sei davon auszugehen, dass sich der konventionelle Büromarkt fundamental verändern werde. «Einerseits werden von Mietern kürzere Mietlaufzeiten und gleichzeitig weit mehr voll ausgebaute Flächen gefordert», so Avobis.
Anlass, um neue Herausforderungen in Angriff zu nehmen
Die gegenwärtige Situation sollte zudem ermutigen, eine weitere Herausforderung anzugehen, die im Zuge der Gesundheitskrise in den Hintergrund geraten ist, so die Zürcher Kantonalbank. Damit meint sie die Klimakrise. Denn Immobilien nehmen eine zentrale Rolle ein, um das Ziel des Bundes, bis 2050 eine klimaneutrale Schweiz proklamieren zu können, zu erreichen. Bislang sei nur der Neubau klimafreundlich.
Doch auch bei der Altbau-Modernisierung könne dies berücksichtigt werden. Denn fossile Heizungen und schlecht isolierte Gebäude seien in wenigen Jahrzehnten nicht mehr möglich. Um dies zu erreichen, bedürfe es nicht nur der gesetzlichen Leitplanken, sondern auch der Transparenz und des erforderlichen Fachwissens.
Dieses Fachwissen bezieht sich nicht nur auf innovative Bauweisen. Genauso bedeutend ist jetzt eine ausgesprochen hohe Expertise in flexiblen Anlagemöglichkeiten oder etwa ein tiefgreifendes Verständnis aktueller Vermarktungsoptionen wie der virtuellen Immobilienbesichtigung. Nicht zuletzt sind agile Fähigkeiten gefragt, Erkenntnisse aus den verschiedensten Branchen flexibel miteinander zu verknüpfen.
Denn die neue Situation auf dem Markt für Gewerbeimmobilien betrifft alle Beteiligten, vom mietenden Unternehmen über Bürovermieter sowie Vermittler und Investoren bis hin zu Projektentwicklern und Baufachleuten. Wer erfolgreich bestehen will, benötigt Fach- und Führungskräfte, die einer Welt zunehmender Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität sowie Mehrdeutigkeit gewachsen sind.
Wir helfen Ihnen, diese Talente zu gewinnen. Sprechen Sie uns an!