Schon wieder Flugzeiten bei der einstmals stolzen Bank: der neue VR-Präsident ist bereits der alte. Der Portugiese António Horta-Osório ist zurückgetreten (worden). Der Nächste, bitte.
Die Credit Suisse ist «too big to fail». Sie ist zu gross, um zu straucheln und kann in diesem Fall mit Staatshilfe rechnen. Dennoch stolpert sie von einem Fehler in den nächsten.
Diesmal hat es den braungebrannten Scheitelträger Horta-Osório nach nur acht Monaten an der Spitze erwischt. Er stolperte über seine Vorliebe für Tennis und seine Wurstigkeit bezüglich Corona-Regeln. Nur eine GV der Aktionäre hätte ihn zum Rücktritt zwingen können, und einer der Hauptaktionäre der CS hatte ihm noch vor Kurzem den Rücken gestärkt. Das seien Nebensächlichkeiten, es käme darauf an, dass er den Turnaround schaffe.
Aber offenbar war der Druck im VR zu gross, und um einer offenen Feldschlacht zu entgehen, knickte der Banker freiwillig ein. Sein Nachfolger ist mal wieder ein Schweizer, der auch erst im Oktober zur CS gestossene Axel Lehmann, sozialisiert bei der Zurich Versicherung und der UBS.
Diese Personalie ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn Alfred Escher, der Gründer der SKA (so hiess die CS in besseren Zeiten), würde sich im Grab umdrehen, wüsste er um den aktuellen Zustand seiner Bank.
Ihr Börsenwert beträgt noch läppische 25 Milliarden Franken. Die Finanzboutique Partners Group, mit einem Bruchteil an Mitarbeitern, bringt es auf 36 Milliarden. Der ewige Konkurrent UBS auf 61, aufs mehr als das Doppelte davongezogen.
Dabei war die CS nach der Finanzkrise eins von 2008 in einer besseren Ausgangssituation als die nur mit Staatshilfe überlebende UBS, die zudem als erste Grossbank 780 Millionen Dollar Ablass in den USA leisten musste; Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Aber statt durchzustarten, setzte die CS auf untaugliches Personal zuoberst. Der VRP und Jurist Urs Rohner, zuvor oberster Verantwortlicher für die Einhaltung aller Regeln, hatte die grösste Busse einer ausländischen Bank in den USA zu verantworten; 2,6 Milliarden US-Dollar.
Sein CEO Brady Dougan bezog obszöne Boni und zog dann von dannen. Sein Nachfolger Tidjane Thiam erwies sich als Spionage-Meister und stolperte über einen Ausspäh-Skandal. Dann kamen Horta-Osório und Thomas Gottstein. Der Schweizer CEO musste bereits einen milliardenschweren Doppelflop eingestehen, der das Ergebnis der Bank schwer belastet und in die roten Zahlen treibt.
Im Hintergrund schwebt im VR der Pharma-King Severin Schwan, ein Österreicher mit Schweizer Pass. Er war und ist die starke graue Eminenz, durch Einsitz in entscheidenden Komitees lenkt er die Personalpolitik ganz oben. Und landet einen Flop nach dem anderen.
«Zwei komplette Fehl-Besetzungen, zwei Mal bei der wichtigsten Aufgabe im Verwaltungsrat, der Kür der beiden Steuerleute Chairman und CEO, daneben gegriffen», resümiert Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz».
Schon länger pfeifen es die Spatzen von dem Dach des altehrwürdigen Hauptsitzes im Herzen Zürichs, dass eine Fusion die wohl naheliegende und letzte Rettungsmöglichkeit für die Bank wäre. Einem Aufkauf steht entgegen, dass das einstmals grosse Finanzhaus schon längst von erfolgreicheren Konkurrenten aus den USA mit deren Portokasse gekauft werden könnte.
Die tun das deswegen nicht, weil niemand weiss, wie viele Leichen noch in den tiefen Kellern der Bank vergraben sind und auch bei einer noch so sorgfältige Due Diligence, also einer sorgfältigen Analyse, nicht ausgegraben würden.
Eines ist klar. Das übliche Bankergedöns, wie es Schwan mal wieder von sich gibt, löst nur noch gerunzelte Stirnen und trockenes Gelächter aus: «Axel Lehmann verfügt mit seiner umfassenden Erfahrung ... über die besten Voraussetzungen, um als neuer Verwaltungsratspräsident die strategische und kulturelle Transformation der Bank weiterzuführen.»
Weiterführen? Scherz lass nach. Über Lehmanns sportliche Vorlieben ist nichts bekannt (vielleicht golft er gerne, wie Gottstein). Sein Teint ist nicht so braungebrannt wie der seines Vorgängers, er hat graue statt dunkel gefärbte Haare, er trägt die übliche Bankeruniform, ohne dabei modische Akzente zu setzen.
Das ist ja alles schon mal positiv. Ausserdem scheint er seine bisherige Karriere skandalfrei absolviert zu haben, was bei führenden Bankern eher selten ist. Aber ob er wirklich das Format hat, den schlingernden Tanker zu retten, der Wasser zieht, von einer demotivierten Mannschaft bevölkert ist, der mit SKAndal wie weiland die SKA von sich reden macht, dem die Kunden mit zunehmenden Misstrauen begegnen – ob Lehmann dem allen gewachsen ist?
Indem er Schwan zum Rücktritt überreden würde, könnte er mal ein erstes Zeichen setzen, dass er den Ernst der Lage erkannt hat. Aber ob es überhaupt noch im Rahmen menschlicher Fähigkeiten und Führungsqualitäten liegt, das Steuer herumzureissen, den Tanker ins Trockendock zu manövrieren und von Grund auf zu überholen?
Mit einem Blick auf das Portemonnaie des Schweizer Steuerzahlers sei’s ihm gewünscht. Allein, es fehlt der rechte Glaube.
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