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«Speedcubing» | Thomas Stadler

Das Geheimnis hinter dem Würfel

Sie haben wohl schon jeden von uns schier in den Wahnsinn getrieben – wenn es einfach nicht klappen will, dass die Farben auf dem kleinen Zauberwürfel einstimmig geordnet sind. Wie schaffen das die ganz schnellen Denker, die das Ding aus den 80ern innerhalb weniger Sekunden ordnen?

Manuela Bruhin am 25. April 2021

Der Ostschweizer Thomas Stadler hat sich voll und ganz dem «Speedcubing» verschrieben und erklärt, was es braucht, um die Aufgabe zu lösen. Gerade in der Corona-Krise erfuhren die Würfel einen neuen Schub.

Die Zauberwürfel kennen unsere Eltern bereits und sorgte bei dem Einen oder Anderen für rauchende Köpfe. Was denken Sie, weshalb sind die Würfel über einen so langen Zeitraum aus unseren Wohnzimmern noch immer nicht verschwunden?

Die Faszination Zauberwürfel gibt es bereits seit den 80er Jahren. Damals drehten Schüler diese bunten Würfel auf dem Pausenplatz oder für sich im eigenen Zimmer. Jeder kannte ihn und die Lösungen wurden mündlich weitergegeben. Die im Jahr 2003 organisierte Meisterschaft «World Cubing Association» löste eine zweite Welle der Begeisterung aus. Nicht nur junge Leute packte es, dieses Puzzle mit den schier unendlichen Stellungen zu meistern, auch ihre Eltern und Grosseltern zeigten reges Interesse daran. Sie waren schliesslich in den 80er Jahren bereits mit dem Virus infiziert worden. Mit den neuen Modellen, die sich deutlich schneller drehen liessen, purzelten auch die Rekorde – damit stand der Rubiks Cube immer wieder im Rampenlicht. Dieses Puzzle, das Menschen unterschiedlicher Generationen fasziniert, ist das Puzzle schlechthin. Die Aufgabe ist simpel – den Würfel zu lösen, braucht am Anfang aber etwas Durchhaltewillen.

Sie sagten einmal, dass es kein direktes Gegeneinander gibt, sondern man vielmehr seine eigene Zeit unterbieten möchte. Sind Sie also nach wie vor fleissig am Üben?

Natürlich. Heute jedoch nicht immer nur auf Zeit. Es reizen mich viel mehr die verschiedenen Lösungsmethoden und Würfel-Varianten. Den Würfel einmal blind zu lösen oder aus hunderten von Cubes Mosaikbilder herzustellen, das stellt mich momentan vor neue Herausforderungen. Die Spielfreude, die der Rubiks Cube bei mir weckte, ist immer noch geblieben. Zum Glück.

«Speedcubing»

Thomas Stadler

Die Besten schaffen es innerhalb weniger Sekunden, die Farben zu ordnen. Verraten Sie uns das Geheimnis?

Wer die Zugfolgen für jeden Teilschritt einmal kennt, für den ist der Ablauf eigentlich immer derselbe. Ein Speedcuber achtet nur noch auf die nächsten Steine, auch dann, wenn er die Zugfolge noch gar nicht beendet hat. Er blendet alle anderen Farbflächen aus. Die Bewegungsabläufe der Zugfolgen werden so lange trainiert, bis diese automatisch von den Fingern ausgeführt werden können, sobald man die nächste Stellung erblickt hat. Bis eine Zeit unter zehn Sekunden gedreht werden kann, braucht es aber schon jahrelanges Training.

Die derzeitige Situation brachte auch Sie auf eine neue Idee. Für die Schüler gibt es Anleitungen, wie sie den Würfel ordnen können, damit sie ihre Zeit sinnvoll nutzen können.

Genau. Meine Schüler bekamen beim ersten Lockdown einen Cube von mir geschenkt. Im Homeschooling haben wir dann diesen Würfel gemeinsam gemeistert und heute können ihn alle aus der Klasse lösen. Es war ein Klassenprojekt, bei dem die Schüler einander weiterhalfen. Es war schön, zu beobachten, wie plötzlich auch Schüler anderen etwas beibringen konnten, die sonst im Unterricht weniger die Chance hatten, anderen etwas zu zeigen. Diese Welle der Begeisterung schwappte anschliessend auch auf andere Klassen über. Viele Schüler berichten mir, dass sie sich während ihrer Quarantänezeit vorgenommen hätten, den Würfel zu lösen.

Mich freut es, dass ich den Schülern meine Begeisterung weitergeben kann. Die Jugendlichen entwickeln für dieses «Spielzeug ohne Bildschirm» eine Begeisterung und Ehrgeiz, wie ich es damals getan habe. Um immer wieder neue Anreize zu schaffen, haben sich auf meiner Internetseite www.speedcubing.ch ganz viele Ideen, Lösungsansätze und Wettbewerbe angehäuft, welche jeder gerne mal ausprobieren darf.

«Speedcubing»

Auch Lehrpersonen können den Unterrichtsstoff bestellen. Wie gross ist da die Nachfrage?

Wegen Corona konnte ich im letzten Jahr keine Weiterbildungskurse und Workshops in Schulen oder auf Messen anbieten. Das führte dazu, dass weniger Lehrer sich für diesen Unterrichtsinhalt interessierten. Auch waren viele verunsichert, Würfel zu mieten, da Sonderwochen und Gesamtveranstaltungen in Schulen abgesagt wurden.

Es war ein besonderes Jahr, das von den Lehrern viel abverlangte. Dass diese dabei nicht in erster Linie an Rubiks Cube dachten, kann ich nachvollziehen. Jedoch sind viele Schulhäuser interessiert daran, das Thema Zauberwürfel in ihren Unterricht einzubauen oder ihn zumindest als Klassenprojekt einzuführen. Ich bin zuversichtlich, dass das Interesse seitens der Schule wieder zunehmen wird.

Was fasziniert Sie persönlich nach all den Jahren am Würfel?

Ich als absoluter Rätsel-Fan sehe in jedem ungelösten Würfel immer noch eine Herausforderung, die ich zu meistern versuche. Wenn ich dann diese Begeisterung auch noch weitergeben und den Schülern ein Grinsen in ihr Gesicht zaubern kann, nachdem sie den Würfel das erste Mal gelöst haben – das gefällt mir.

Von Würfelfesten bis hin zu Auftritten an der OFFA: Welches war Ihr persönliches Highlight, welches Ihnen der Würfel beschert hat?

Es gab so viele tolle Erlebnisse. Der Schweizer Rekord in Tschechien 2006 oder die Weltmeisterschaft im Jahr 2007, an welcher ich Erno Rubik begegnet bin, gehören sicher mit dazu. Dann aber auch meine ersten Meisterschaften, die ich 2014 in der Schweiz organisieren durfte, zeigten mir, dass dieses Hobby nicht nur mich interessiert. Dass heute meine ganze Familie an unseren Meisterschaften mitmacht und mithilft, erfüllt mich mit Stolz. Es ist schön, dieses Hobby mit anderen zu teilen.

Auch wenn wir es uns derzeit nicht so vorstellen können, wird es auch eine Zeit nach Corona geben. Gibt es dann ein spezielles Ziel oder Projekt, welches Sie umsetzen wollen?

Sicher werde ich in der Schweiz wieder Speedcubing Meisterschaften organisieren, denn das vermissen die Cuber in der Schweiz sehr. Auch habe ich noch einige Ideen für Mosaik-Bilder Projekte, welche ich gerne gemeinsam mit vielen Leuten umsetzen möchte. Ein Lehrmittel zu schreiben, war auch mal angedacht, doch bisher fehlte mir die Zeit dafür. Als Familie haben wir beschlossen, gemeinsam an die nächste Speedcubing Weltmeisterschaft zu fahren. Darauf freuen wir uns alle.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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