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Lukas Reimann im Interview

«Das Problem ist, dass immer noch ein Ausstiegsszenario fehlt»

Der Bundesrat gibt den Takt der Coronapolitik vor, die Kantone sind bezüglich Massnahmen aktuell am Ruder. Wo steht da die Bundesversammlung – und was tut sie? Der St.Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann im Gespräch.

Stefan Millius am 08. Dezember 2021

Das Covid-19-Gesetz ist durch, der Bund nimmt vor allem die Kantone in die Pflicht, was weitere Schutzmassnahmen angeht. Ist Corona unter der Bundeshauskuppel bei den Parlamentariern politisch überhaupt noch ein Thema?

Lukas Reimann: Permanent. Allerdings wird viel verdrängt und auch versucht, andere Themen in den Vordergrund zu rücken.

Permanent im Sinn von: Wir plaudern über die Situation, die auch uns betrifft – oder mit konkreten politischen Absichten?

Mit konkreten politischen Absichten, zumindest eine Minderheit: Aufhebung der «besonderen Lage nach Epidemiengesetz» (EpG) war ein dringlicher Antrag der SVP-Fraktion.

Der SVP wird vorgeworfen, aus der Lage Kapital schlagen zu wollen, sprich: Die Stimmung einer grossen Minderheit aufzunehmen, gegen alle anderen. Ist das so oder kommts von Herzen?

Aus dieser schwierigen Zeit raus - und das kommt wohl bei allen, vermutlich sogar bei den Befürwortern der Aufrechterhaltung der ausserordentlichen Lage - von Herzen.

Was ist aus Ihrer Sicht am 28. November geschehen beziehungsweise welche Konsequenzen wird es haben? Die Gegner des Gesetzes gingen vom schlimmsten aus, man befürchtete, der Bundesrat werde zur Allgewalt. Teilen Sie diese Angst oder halten Sie diese für überzogen?

Das grosse Problem ist, dass es noch immer kein Ausstiegsszenario gibt. Hoffnung fehlt. Wichtig ist aber - unter voller Akzeptanz der Abstimmungsresultate - jetzt der Spaltung entgegenzuwirken. Wir müssen auch den Verlierern der Abstimmung in der Politik eine Mitsprache einräumen und möglichst verhältnismässig Massnahmen einleiten.

Was halten Sie von den Bestrebungen der Massnahmenkritiker, eine neue politische Kraft aufzubauen unter dem Namen «Aufrecht Schweiz»? Kann so etwas aus Ihrer Erfahrung funktionieren?

Die Idee ist spannend. In letzter Zeit übertrumpfen politische Bewegungen die altgedienten Parteien in verschiedensten Staaten. Von «En Marche» in Frankreich bis zu den Massnahmenkritikern, welche den Sprung in Landtage zum Beispiel in Graz schafften. Vieles hängt aber von den Köpfen und dem politischen Programm ab, sofern man nicht als vorübergehende Protestpartei wieder rasch verschwinden will.

Der Vorteil einer neuen Kraft: Sie ist nicht vorbelastet. Die SVP hat das Problem, dass ihre Regierungsräte straff hinter der Politik des Bundesrats stehen. Gibt es da böses Blut hinter den Kulissen?

Natürlich wird um Positionen gekämpft und unterschiedliche Interessen sind in einer Volkspartei kein Novum. Der Puls schlägt höher, aber es fliesst kein Blut…

Apropos Volk: Hätte eine allgemeine Impfpflicht eine Chance vor diesem?

Im Schweizer System von Freiheit und Eigenverantwortung ist eine Impfpflicht nicht gleich populär wie in zentralistisch geführten Staaten und wäre ein krasser Verstoss gegen die Bundesverfassung und gegen fundamentale Rechte. Doch Vorsicht ist ratsam: Für undenkbar halte ich nichts mehr in dieser Pandemie.

Ihre Amtskollegen aus den anderen Parteien: Sind die vom Kurs des Bundesrats in der Tat so überzeugt, wie es scheint oder sind sie einfach froh, dass jemand anders Entscheide fällt?

Die Amtskollegen anderer Parteien sind total unterschiedlich: Die Einen möchten sogar noch weiter gehen als der Bundesrat, andere reagieren mit Gleichgültigkeit, wieder andere sind tatsächlich froh, dass nicht sie die unpopulären Entscheide fällen müssen. Irren tun sich aber alle. Bei derart wichtigen Entscheiden müsste das Parlament eine aktivere Rolle spielen.

Wie müsste aus Ihrer persönlichen Sicht das Aussteigsszenario aussehen, das Ihnen bisher noch fehlt?

Unsere Strategie war stets: Risikogruppen müssen geschützt werden, ohne dass die Freiheit von Gesellschaft und Wirtschaft beschnitten wird. Die willkürlichen und nicht-evidenzbasierten BAG-Massnahmen haben nicht nur ihr gesundheitspolitisches Ziel verfehlt, sondern das Vertrauen in die Politik erschüttert und die Gesellschaft tief gespalten. Die Zwangsimpfung von Kindern, die Impfpflicht für alle sowie ein Arbeitsverbot für Ungeimpfte lehne ich entschieden ab. Um die Krise endlich effizient zu bewältigen, braucht es eine Aufstockung der Intensivplätze und eine Ausbildungsoffensive für das nötige Personal. Die Restriktionen für die kaum von Corona betroffene Bevölkerung sind hingegen umgehend aufzuheben.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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