Drei Mitglieder des Bundesrats waren dabei, als die Landesregierung ihre neuesten Befehle übers Land ergoss - mit weitreichenden Konsequenzen für unzählige Betriebe. Die Rollenverteilung war klar. Es gab Sinnsprüche, belehrende Fingerzeige und stoische Ruhe.
Die Fakten kann man kurz halten, sie sind bekannt. Unser Land geht bis sicher zum 22. Januar 2021 in eine Art Teillockdown. Die Restaurants sowie jede andere Form der Freizeitbeschäftigung werden abgewürgt. Einkaufen darf man weiterhin, aber mit verkleinerten Kapazitäten in den Läden. Das hat den ungeheuren Vorteil, dass man sich gegenseitig in endlosen Warteschlangen draussen anhusten darf.
Verkündet wurden die neuesten, laut Bundesrat völlig unabdingbaren und garantiert sehr effektvollen Massnahmen von drei Bundesratsmitgliedern. Die übernahmen in einer seltsamen Mischung verschiedene Rollen, was die Inhalte der Information und ihr Gebaren vor der Kamera angeht.
Die Pfarrerin
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga gab in drei der vier Landessprachen so etwas ab wie einen sprechenden Wandkalender. In rund einem halben Dutzend Spielarten betonte sie, dass wir alle zusammenhalten sollen und die Schweiz nur gemeinsam stark sei. Dass sie diese Solidarität mit einem sofortigen Lohnverzicht zugunsten leidender Gastronomen unterstreicht, ist allerdings leider nur ein Gerücht. Sommarugas Gestik, die bedeutungsschwangere Mimik: Die Ex-Pianistin tat alles, um zu unterstreichen, wie gross die Krise, wie grossartig unser Land und wie vorausschauend der Bundesrat ist. Erleichternd ist anzumerken, dass sie darauf verzichtete, dramatisierende Zahlen in die Runde zu werfen, die immer weniger Leute glauben. Sie beschränkte sich darauf, ganz allgemein von einer Krise zu schwadronieren. Und die ganze Zeit wartet man darauf, dass irgendwann hinten im Bild ein Ministrant mit dem Weihrauchgefäss durchläuft. Eine Kerze wäre auch passend gewesen.
Der strenge Lehrer
Wenn Gesundheitsminister Alain Berset freundlich in die Kamera blickt, kriegt man Angst, wenn er unfreundlich schaut, stellt man sich zur Sicherheit instinktiv tot. Für seinen Blick, der ihm bereits eine versehentliche Oscar-Nomination als Gegenspieler von James Bond eingetragen hat, kann der Westschweizer nicht. Schwerer wiegt der permanente Tonfall der Schuldzuweisung. Auf Französisch klingt sogar der noch halbwegs romantisch, sobald er auf Deutsch wechselt, ist der Zauber vorbei. Unterm Strich wird klar, dass hier ein Mann sitzt, der glaubt, der einzige Vernünftige vor einem Haufen unmündiger Bürger zu sein, die man zu ihrem Glück beziehungsweise ihrer Gesundheit zwingen muss.
Der Papi
Guy Parmelin durfte danach darüber informieren, wie der Bund das Massaker, das er unter den Schweizer Betrieben anrichtet, auszugleichen gedenkt. Was bei denen, die seit Frühling noch nie einen Rappen an direkter Unterstützung erhalten haben, sicherlich glaubwürdig rüberkommt. Ihm kann man allerdings weniger böse sein, weil er stets so wirkt, als würde er gerade einer Gästegruppe den Reifeprozess eines Waadtländer Tropfens erklären. In stoischer Ruhe sitzt er da und fabuliert von imaginären grossen Geldmenge, die irgendwann irgendwie zu Betrieben gelangen sollen, die bis dann vermutlich schon lange das Licht gelöscht haben.
Aber gut, alles halb so wild, das sind ja nur etwas über 40 Prozent unserer Landesregierung, wir haben ja noch vier andere.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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