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Interview mit Bolt und Scheitlin

«Der Druck ist gross, denn es geht um alles oder nichts»

Man hofft auf Solidarität. Mit einem Rettungsplan sollen die Olma Messen wieder zukunftsfähig gestaltet werden. Wie das konkret aussieht, erklären Direktorin Christine Bolt und Verwaltungsratspräsident Thomas Scheitlin im Interview.

Marcel Baumgartner am 11. November 2022

Bis vor der Pandemie haben die Olma Messen über Jahre hohe Gewinne geschrieben. Dies ermöglichte Investitionen wie die Halle 1 und die Weiterentwicklung des Unternehmens. Der langfristig angelegte Finanzplan wurde mit der Pandemie auf den Kopf gestellt. Um die dadurch entstandene Lücke zu füllen, brauchen die Olma Messen zusätzliches Eigenkapital. Dazu planen sie die Umwandlung der heutigen Genossenschaft in eine breit abgestützte Aktiengesellschaft.

Thomas Scheitlin, Christine Bolt, die Olma Messen sind in eine finanzielle Schieflage geraten. Klar, Corona und den Ukraine-Krieg konnte niemand vorhersehen. Müssen Sie heute aber nicht zugeben, dass man sich mit dem Neubau der Halle 1 einfach zu viel aufgeladen hat?

Christine Bolt: Diese Frage ist müssig. Wir investieren unsere Energie in eine florierende Zukunft, in innovative Formate, in die Emotionen und Wow-Effekte, welche die Gäste bei uns erleben – heute und in Zukunft. Mit diesem Fokus wird es uns gelingen, das Gelände, das mit der neuen Halle 1 um einiges grösser wird, mit Leben zu füllen und attraktiv zu bespielen. Die Akquise ist seit längerem gestartet und macht mit dem neuen Produkt im Portfolio – der Halle 1 – grosse Freude.

Thomas Scheitlin: Klar, die aktuellen Umstände haben die Herausforderung grösser gemacht. Doch sind wir in dieser Zeit nicht alle agiler geworden? Die Investition in die neue Halle 1 war damals und ist heute ein mutiger und unternehmerischen Entscheid. Die alte Halle 1 war nicht mehr marktkonform, und anstelle eines Realersatzes haben wir uns für die Weiterentwicklung entschieden. Ich erinnere mich gut an den visionären Entscheid der Autobahnüberdeckung und damit verbunden das Ja zur neuen Halle 1 auf dem vergrösserten Areal. Der Kantonsrat und das Stimmvolk der Stadt St.Gallen haben sich sehr deutlich für die Kredite ausgesprochen. Das ist ein Commitment zum bedeutenden Messe-, Kongress- und Eventstandort Ostschweiz. Damit verbunden war ein klarer Auftrag – und genau daran arbeiten wir heute.

Man muss sich doch die Frage stellen, ob Messen überhaupt noch zeitgemäss sind. Womit wollen Sie die neuen Quadratmeter überhaupt füllen?

Bolt: Die Halle 1 vergrössert unser Gelände ganz generell und bietet neue Möglichkeiten für Events. Sämtliche Messen werden in die Halle 1 erweitert. Auch füllen wir sie mit rauschenden Firmenanlässen, grossen GVs, Personalfesten, Comedy-Veranstaltungen, Sportanlässen und Konzerten, die nachhallen. Und das ist nur ein kleiner Einblick in die Ideen, die wir aktuell konkretisieren. Und zu den Messen: Bei den Publikumsmessen setzen wir auf die konsequente Weiterentwicklung von OLMA und OFFA, welche nach wie vor sehr erfolgreich unterwegs sind. Wir beobachten im europäischen Markt bei den Fachmessen eine Regionalisierung von grossen internationalen und nationalen Messen. Hier haken wir ein; das ist eine grosse Chance für uns, für St.Gallen und die ganze Ostschweiz. Mit all diesen Komponenten stärken wir unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Scheitlin und Bolt

Christine Bolt, in einem Interview sagten Sie dereinst, dass Sie im Bereich der Kongresse und Veranstaltungen so viele Anfragen hätten, wie noch nie zuvor. Was heisst das in harten Zahlen?

Bolt: Im laufenden Jahr gingen bei uns 200 Offerten an potenzielle Neukunden aus dem Haus, das sind mehr als doppelt so viel wie 2019. Doch wichtiger ist es, die Offerten umzuwandeln und begeisterte Kunden zu gewinnen. Wir stellen fest, dass die neue Halle 1 bereits heute eine Anziehungskraft hat. Neue und grosse Unternehmen haben schon angeklopft und erste Verträge werden wir in Kürze unterzeichnen.

Liegt demnach in diesem Bereich die grosse Hoffnung für die Zukunft?

Scheitlin: Auf das Prinzip Hoffnung zu setzen, wäre in dieser sensiblen Phase fahrlässig. Es war und ist unsere Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen, und zwar aktiv, gemeinsam und zukunftsgerichtet. Unsere Strategie sieht vor, im Bereich Kongresse und Events in den nächsten Jahren ein Umsatzplus von rund 50 Prozent zu erreichen.

Bolt: Dieses Ziel ist sportlich und realistisch zugleich. Es beruht auf Branchentrends, harten Fakten sowie persönlichen Erfahrungen unseres Teams. Der Geschäftsbereich Kongresse & Events wird wachsen, das ist ein klarer Auftrag aus der Strategie. Auch im Bereich Messen, insbesondere durch die Entwicklung neuer Fachmessen und die Akquisition von Gastmessen, streben wir ein Wachstum von rund 20 Prozent bis 2031 an.

Um diese Zukunft überhaupt gestalten zu können, benötigen Sie Geld. Als erstes müssen Sie das Stadt- und das Kantonsparlament – beide haben sich dereinst für den Neubau ausgesprochen – davon überzeugen, das 2020 gewährte Darlehen in der Höhe von 16.8 Millionen in Eigenkapital umzuwandeln. Die SP etwa wirft ein, dass der Schritt nicht dazu führen dürfe, dass die öffentliche Hand die Zinsforderungen der Banken subventioniert…

Scheitlin: Da sind wir uns einig. Das Kapital wird konsequent für die Weiterentwicklung des Unternehmens gebraucht. Dem zugrunde liegt die Strategie 2031, welche wir während der Pandemie – früher als geplant – entsprechend geschärft haben. Wir verfolgen drei Schwerpunkte: Die Weiterentwicklung des Messegeschäfts, der Ausbau des Veranstaltungsgeschäft und der Aufbau von Zusatzgeschäften. Die Absicht ist klar: Wir wollen wieder in die Gewinnzone kommen und das kerngesunde Unternehmen werden, das wir vor der Pandemie waren.

Auch andere Parteien sind teilweise durchaus kritisch. Können Sie diese Zurückhaltung grundsätzlich nachvollziehen?

Scheitlin: Von den meisten Parteien und zahlreichen Verbänden, welche sich der regionalwirtschaftlichen Effekte der Olma Messen bewusst sind, spüren wir grosse Unterstützung. Gleichzeitig stellen wir ein hohes Dialogbedürfnis fest, und das nutzen wir.

Bolt: Wir sind beispielsweise aktiv auf die Parteien und Verbände zugegangen, um ihnen und ihren Mitgliedern Informationen aus erster Hand zu liefern und die Fragen, die unter den Nägeln brennen, persönlich zu beantworten. Das Angebot wird rege genutzt – an Fraktionssitzungen oder bei einer Baustellenführung. Unsere Türen sind offen.

Scheitlin und Bolt

Die Parteien befinden sich gewissermassen auch bereits im Wahlmodus. Das dürfte die Diskussionen noch zusätzlich anheizen…

Scheitlin: Die Politik hat sich während der letzten zweieinhalb Jahre stark für uns eingesetzt. Daher ist es völlig klar, dass die Situation der Olma Messen diskutiert wird. Das zeigt die hohe Identifikation und die differenzierte Auseinandersetzung mit den Olma Messen – und das ist gut so! Allerdings, so hoffe ich, werden die Olma Messen bis zu den kantonalen Wahlen im Jahr 2024 die anspruchsvollen Zeiten hinter sich haben. Ich denke deshalb, dass wir bis dann nicht mehr ein Thema sein werden.

Haben Sie überhaupt die Hoffnung, dass sich möglichst viele Private eine Aktie sichern?

Scheitlin: Am Schluss zählt die Zahl. Wir brauchen 20 Millionen Franken frisches Kapital. Mit der Wandlung in eine Aktiengesellschaft ermöglichen wir den Miteinbezug von Privaten und damit eine breite Abstützung. Alle leisten einen Beitrag: Politik, Wirtschaft und Private.

Bolt: Die Olma Messen verbinden und schaffen Begegnungen. Die Unternehmen sind als Lieferanten oder Aussteller im Einsatz, die Privaten geniessen auf unserem Gelände eine tolle Zeit und die ganze Ostschweiz profitiert. Genau so bunt und vielseitig wie auf dem Olma-Areal soll es auch im neuen Aktienregister aussehen. Vielfalt belebt und bereichert!

Der Ausgabepreis der Aktie wird 1100 Franken betragen. Das ist ordentlich Geld für eine Privatperson. Zumal nicht mit einer Dividende gerechnet werden kann…

Bolt: Die Olma-Aktie ist eine Liebhaberaktie und im Zentrum steht das Engagement für den Messe-, Kongress- und Eventstandort St.Gallen. Der Ausgabepreis war eine eher technische Berechnung. So viel sei verraten: An der Generalversammlung, welche jeweils im Rahmen der OFFA stattfinden wird, gibt es dereinst einiges zu erleben. Auch planen wir attraktive Vergünstigungen für die Aktionärinnen und Aktionäre.

Wie garantiert man, dass die Olma nicht plötzlich im Besitz von einem bestimmten Privatpersonen-Kreis ist?

Scheitlin: Die neue Aktionärsstruktur wird sich mit der Emission, welche nach der Genossenschafterversammlung im April 2023 lanciert wird, zeigen. Wenn Stadt und Kanton wie geplant ihre Darlehen wandeln, so besitzen sie gemeinsam gut 40 Prozent und damit die Sperrminorität. In Anbetracht der Bedeutung der Olma Messen für den Standort ist das absolut sinnvoll und wichtig. Gemäss Statuten kann die Zustimmung des Verwaltungsrates zur Übertragung von Aktien verweigert werden, wenn durch die Übertragung eine natürliche oder juristische Person direkt oder indirekt mehr als 10 Prozent des Aktienkapitals erwerben, besitzen oder kontrollieren würde.

Scheitlin und Bolt

Finanzdirektor Marc Mächler sagte in einem Interview «Die Olma ist zum Erfolg verdammt». Wie gross ist der Druck bei Ihnen?

Bolt: Der Druck ist gross, denn es geht um alles oder nichts. Darum bildeten wir im Januar 2021 eine Arbeitsgruppe mit Stadt, Kanton, Banken und natürlich uns, den Olma Messen. Im Lead war die Stadt als grösste Genossenschafterin. Dass wir den Lösungsprozess gemeinsam entwickelt haben, gibt uns die Gewissheit, dass alle Interessen eingeflossen sind. Wir sitzen im gleichen Boot.

Wie hoch ist der regional-wirtschaftliche Aspekt der Olma Messen?

Scheitlin: Es geht um viel. Über 1'350 Vollzeitstellen und regionalwirtschaftliche Effekte von 177 Millionen Franken stehen in der Ostschweiz in Abhängigkeit der Aktivitäten der Olma Messen St.Gallen. Mit der prognostizierten Steigerung des Deckungsbeitrags von knapp 40 Prozent bis 2031 wird das entsprechend mehr sein.

Die Olma Messen sind als Genossenschaft gross und bekannt geworden. Wo sehen Sie für die Zukunft die massgeblichen Vorteile einer Aktiengesellschaft?

Bolt: Die Rechtsform der Genossenschaft stösst bei der aktuellen Situation schlicht an Grenzen. Beispielsweise gilt die Kopfstimme – im Gegensatz zur AG, wo sich das Stimmverhältnis nach der finanziellen Beteiligung richtet. Auch hat eine Genossenschaft kein festes, sicheres Eigenkapital. Die AG bietet eine klare, gesetzliche Struktur, die sich in der Praxis bewährt hat. Eine breite Abstützung mit Beteiligung von Privatpersonen, Gewerbe und Firmen bringt aus unserer Sicht nur Chancen mit sich. Der bestehende Firmenzweck wird mit der Umwandlung der Genossenschaft in eine AG beibehalten.

Was geschieht, wenn einer der drei Phasen – Umwandlung in Eigenkapital, Umwandlung in eine AG und letztlich dann noch die zusätzliche Kapitalerhöhung von 20 Millionen Franken – nicht vollzogen werden kann? Stehen wir dann vor einem Scherbenhaufen oder gibt es einen Plan B?

Scheitlin: Ein Scherbenhaufen, ein ungenutztes Gelände mitten in der Stadt und eine Bauruine wären die Folge. Die Alternative ist der Konkurs; Betriebsschliessung, Liquidation, der Entzug jeglicher Einflussmassnahme und ein riesiger Reputationsschaden. Das will niemand. Was wir wollen, ist ein belebtes Olma-Gelände, wo wir Begegnungen ermöglichen.

Bolt: Wir setzen alles daran, die Kapitalerhöhung über die Bühne zu bringen und die Erfolgsgeschichte der Olma Messen weiterzuschreiben – mit einer vollen Halle 1, bewährten und neuen Formaten. Die Messe-, Kongress- und Eventbranche ist in Bewegung. Wir sind es auch und laden die Ostschweizerinnen und Ostschweizer ein, mitzumachen, selbstbewusst zu sein und zusammenzustehen. Unsere Zukunft hat bereits begonnen.

Angekündigt wurde, neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Unter anderem soll ein Namensponsor für die Halle 1 gesucht werden. Laufen hier bereits erste Verhandlungen?

Bolt: Ja, wir sind mit verschiedenen interessierten Unternehmen im Gespräch. Wir wünschen uns einen Partner, welcher unsere Werte teilt und zu den Olma Messen und zu St.Gallen passt. Die Strahlkraft geht weit über Generationen-, Sprach- und Landesgrenzen hinaus.

Scheitlin und Bolt
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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