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Gourmet

«Der Ehrgeiz packte mich»

Raphael Lüthy ist Gourmetkoch und führt das erste vegane Hotel in der Schweiz. Am schönen Bodensee in Kreuzlingen liegt Das Hotel Swiss. Der 35-Jährige verzichtet dabei seit vielen Jahren selber auf tierische Produkte.

Nadine Linder am 05. Juli 2020

Vegan sein ist kein Trend ,sondern eine Lebenshaltung. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer verzichten bewusst auf tierische Produkte. Fleisch, Fisch, Geflügel, Milch und Eier gehören nicht mehr zu ihrem Speiseplan. Sei es aus gesundheitlichen Gründen, der Umwelt zu liebe oder weil sie schlicht nicht wollen, dass ein Tier ihretwegen sterben muss.

Zu diesen Veganern gehört auch Raphael Lüthy. Er ist gleichzeitig Gourmetkoch und verwöhnt seine Gäste im ersten veganen Hotel der Schweiz. Dem Hotel Swiss in Kreuzlingen. Ein Gespräch über den Verzicht von tierischen Produkten.

Raphael Lüthy, wie, wann und warum wurden Sie selber zu Veganer?

Ich begann mich etwa vor zehn Jahren durch eine Zusammenarbeit mit Provegan mit dem Thema zu beschäftigen. Ich war damals in der konventionellen Spitzengastronomie tätig. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte desto weniger konnte ich hinter vielen Produkten stehen. Obwohl ich damals Küchenchef eines sehr bekannten Hotels war, waren mir die wirklichen Konsequenzen von unserem Konsum, für die Tiere, bis dahin nicht bewusst.

Es war anfänglich eine reine ethisch-moralische Entscheidung. Damals war die vegane Küche in der Gastro-Szene noch kaum Thema. Der Ehrgeiz packte mich und ich wollte die vegane Küche unbedingt auch auf Gourmet Niveau anbieten können. Das war dann der Startschuss für das Hotel Swiss in Kreuzlingen. Im 2012 beschloss ich dann beruflich nur noch in veganen Projekten Tätig zu sein. Mit den gesundheitlichen und ökologischen Vorteilen habe ich mich erst zu einem späteren Zeitpunkt intensiver auseinandergesetzt.

Diese zwei Aspekte sind aber heute für mich genauso wichtig. Vor allem die aktuelle Klima Diskussionen drücken das vegane Thema noch mehr in den Vordergrund. Ich selber lebe etwa seit 2012 vegan.

Wie gross war die Umstellung für Sie?

Die Umstellung war damals noch ein bisschen schwieriger als heute, da es einfach viel weniger Produkte gab und diese viel schwieriger erhältlich oder deklariert wurden. Doch ich habe die Umstellung nie als schwierig empfunden, es war eher spannend und sehr lernreich. Es ist natürlich auch immer ein Prozess, die wenigsten Menschen hören über Nacht auf, tierische Produkte zu konsumieren.

Haben Sie jemals etwas vermisst?

Ich habe eigentlich nie wirklich etwas vermisst. Es ist aber schon so, dass man vor allem am Anfang noch oft Lust auf gewisse tierische Produkte hat. Die meisten Menschen habe ja Fleisch gegessen und sich an diese Ernährungsweise gewöhnt. Man gewöhnt sich aber auch sehr schnell an die Vielfalt der pflanzlichen Lebensmittel. Ich habe während meiner Umstellung auch sehr viele Produkte neu kennengelernt. Mein Speiseplan ist heute viel abwechslungsreicher und kreativer.

Was vermissen Sie bis heute am meisten an tierischen Produkten?

Für Fleischgerichte gibt es sehr gute Alternativen, z.B. auch Skymeat, wenn man mal Lust auf ein Goulasch oder Schnitzel hat. Auch bei den Milchprodukten gibt es eigentlich vom Jogurt bis zu Käse sehr gute Produkte. Im Bereich Fisch oder Meeresfrüchte gibt es noch weniger Alternativen also vielleicht am ehesten in dem Bereich etwas. Aber Grundsätzlich vermisse ich wirklich nichts!

Wie gut sind Ihrer Meinung nach handelsübliche Ersatzprodukte in Form von Würstchen oder Burger?

Die Qualitäten sind leider sehr unterschiedlich. Nicht alle Produkte sind gut. Dies macht es gerade für Personen, die sich noch nicht mit veganen Alternativen auskennen, sehr schwierig den Überblick zu bekommen. In der Tendenz, werden die Produkte aber immer besser und auch günstiger. Gerade im Bereich Fleischalternativen, haben sich die Produkte extrem verbessert und sind in gewissen Varianten nicht mehr von den konventionellen Fleischgerichten zu unterscheiden.

Wie konsequent kann sich ein Mensch überhaupt nur vegan ernähren?

Bei der Ernährung, ist es heutzutage möglich, sich konsequent vegan zu ernähren. Wenn man dann auch Kleider, Kosmetik, Putzmittel berücksichtigt, ist es schwieriger ganz ohne Kompromisse auszukommen. Dass dies aber auch möglich ist, zeigt unser Hotelkonzept. Wichtig ist hierbei, dass man seinen Konsum hinterfragt und sich den Konsequenzen bewusst ist.

Wird der Kreis der Veganer in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach noch wachsen?

Es wird ganz sicher in Zukunft noch viel mehr Menschen geben, die sich mehrheitlich vegan oder fast vegan ernähren. Auch die ganzen Klimafragen werden in Zukunft zwangsläufig noch stärker mit unserer Ernährung zusammengebracht. Ich bin überzeugt dass die pflanzliche Ernährung noch einen viel grössere Bedeutung bekommen wird als sie heute schon hat.

Was würden Sie Jemanden raten beim umsteigen zum veganen Leben?

Man sollte sich schon mit dem Thema beschäftigen und sich ein bisschen vorbereiten. Es gibt da gute Bücher oder viele Tipps auch im Internet. Ich selber habe mit einem sehr renommierten Arzt Dr. Ernst Walter Henrich ein Buch (Vegan Gesund) geschrieben.

Um wirklich alle gesundheitlichen Vorteile einer rein pflanzlichen Ernährung auszunutzen gibt es da ein paar Regeln die einem bewusst sein sollten. Das wichtigste aber ist vielseitig und gut zu essen.

Sie gründeten das erste vegane Hotel der Schweiz. Wie viel Mut brauchte dies?

Ich bin seit meinem 24. Lebensjahr selbständig und seither immer erfolgreich mit meinen Projekten, wenn ich von einer Idee überzeugt bin.

Wie schwierig war die Umsetzung eines gleichzeitig veganen- aber auch Gourmetrestaurant? Wie lässt sich Gourmetküche mit Veganismus vereinbaren?

Das war am Anfang tatsächlich eine Herausforderung da sich die Gourmet-Küche praktisch nur durch tierische Produkte definierte. Im Fokus hatten wir die verschiedensten Gemüsesorten und Hülsenfrüchte, die noch wenig bis gar nicht bekannt waren.

Heute wird die vegetarische und vegane Küche eigentlich fast überall sehr gut anerkannt. Kochkunst wird nur durch das Handwerk vom Koch und die Qualität der Produkte definiert und nicht ob etwas tierischen Ursprung hat oder nicht.

Was abgesehen von dem Essen ist in Ihrem Hotel noch vegan?

Alles ist vegan. Wie haben keine Daunendecken oder Leder verarbeitet. Die Kosmetik ist frei von Schlachtabfällen oder Tierversuchen. Auch bei den Putzmitteln achten wir uns sehr genau welche Produkte für uns in Frage kommen. Es hört aber nicht bei vegan auf.

Wir versuchen möglichst nur Biologische- und Fairtrade-Produkte zu verwenden. Auch dies ist ein Prozess der über Jahre geht und selbst heute noch nicht abgeschlossen ist. Wir lernen Täglich dazu und versuchen unser Konzept zu verbessern und noch konsequenter zu werden.

Wo stossen Sie an Ihre Grenzen was den Veganismus betrifft in Ihrem Hotel?

Wir haben bisher eigentlich immer Gute Lösungen gefunden. Am Anfang war es sehr schwierig, bestimmte Mengen von Produkten zu erhalten, da der Markt sehr auf den privaten Kunden ausgerichtet war. Dies hat sich aber sehr verbessert und ist heute kein Problem mehr.

Die höheren Beschaffungskosten sind teilweise eine Herausforderung aber überwindbar.

Wo holen Sie sich Inspirationen für Ihre Gerichte?

Beim kochen selbst. Ich fange am liebsten einfach an zu kochen und lasse mich selbst vom Resultat überraschen. Deshalb gibt es bei mir im Restaurant auch keine Speisekarten.

Wie erfolgreich ist das Hotel Swiss?

So viel machen wir nicht verkehrt, da es uns bereits seit 8 Jahren gibt.

Sind nur Veganer unter Ihren Hotelgästen?

Nein, im Hotel haben wir auch viele Ferien- oder Business-Gäste. Viele merken nicht einmal, dass wir ein rein veganes Hotel sind.

Was halten Sie von der Meinung: Vegan sei nur gerade ein Trend?

Ich bin mir sicher, dass der Konsum von pflanzlichen Produkten in den nächsten Jahren noch extrem zunehmen wird. Wenn man die Auswirkungen von der Massentierhaltung in Bezug auf unser Klima sieht, wird das auch nötig sein.

Was halten Sie von Menschen die behaupten ein Veganer lebe ungesund?

Eine rein pflanzliche Ernährung, richtig angewandt, ist für jedes Alter eine sehr gesunde Ernährung. In Wirklichkeit werden die meisten Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Herzerkrankungen usw. von tierischen Produkten verursacht oder zumindest begünstigt.

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Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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