Er muss nicht ums Amt kämpfen, er kann direkt reinspazieren. Der Arboner Stadtpräsident Dominik Diezi wechselt bald in die Thurgauer Regierung. Nicht besonders schön für die Demokratie, aber das ist nicht seine Schuld. Eine Annäherung.
«Das» Regierungsmitglied gibt es nicht. Aber viele Faktoren, die die Chancen verbessern, es in die Exekutive zu schaffen. Dominik Diezi, 48, weist sie alle auf. Müsste man einen künftigen Regierungsrat auf dem Reissbrett skizzieren, könnte man seine Laufbahn als Vorlage nehmen. Deshalb wird er am 13. Februar in die Thurgauer Regierung gewählt werden.
Von Haus aus Jurist und Anwalt: Das hilft schon mal. Frühe Nähe zum Staat durch die Tätigkeit als Gerichtsschreiber: Kann nicht schaden. Ein Doktortitel obendrauf: Immer gut. Engagement in einer Landeskirche, Einstieg in die Politik in einem Stadtparlament, Aufstieg in den Grossen Rat, Funktionen parteiintern: Dominik Diezi liefert das volle Paket. Wenn man dann seine Freizeit noch gerne «mit der Familie und mit Freunden» bringt, sich gerne in der freien Natur bewegt und bei Regen am liebsten Bücher liest, ist das Profil makellos.
Sollte das in irgendeiner Weise ironisch klingen: Das ist nicht die Absicht. Es ist schlicht und einfach die klassische Laufbahn, die – wenn sie auf die entsprechende Persönlichkeit mit Ambitionen trifft – früher oder später nach oben führt. Dagegen ist nichts zu sagen.
Es erklärt aber auch, warum bei der Ersatzwahl in die Thurgauer Regierung niemand Diezi das Amt streitig machen mag. Der Mann der CVP, pardon, der «Die Mitte», ist ziemlich unangreifbar. Ebenso ist es der Anspruch seiner Partei, nachdem «Die Mitte»-Regierungsrätin Carmen Haag Platz macht. Hätte man sich eine Auswahl gewünscht, so hätte das in einer Vorstufe innerhalb der Partei passieren müssen. Nun ist es ein Selbstläufer für Diezi.
Was ein Thema sein könnte, vielleicht sogar müsste: Die Tatsache, dass der Kandidat erst seit 2019 Arboner Stadtpräsident ist. Die Stadt am See hätte etwas Ruhe an der Spitze nötig und verdient. Arbon ist nicht einfach zu regieren. Deshalb hat in der Vergangenheit so mancher aufgegeben, andere – wie einst schon der spätere St.Galler Regierungsrat Martin Klöti – haben die Flucht nach oben angetreten. In der Privatwirtschaft wäre es verpönt, nach zwei Jahren in einer Führungsposition bereits wieder den Wechsel zu suchen, in der Politik nimmt man es still hin. Gelegenheiten ergeben sich eben, wenn sie sich ergeben. Die CVP hat nur einen Sitz in der Thurgauer Regierung. Schlägt Diezi jetzt nicht zu, ist das Fenster für viele Jahre geschlossen. Und er vielleicht schon zu alt, wenn es sich wieder öffnet.
In diesem Sinn ist es nachzuvollziehen, dass er jetzt nach mehr greift. Auch wenn es nach unten – eben in Arbon – natürlich wieder für Unruhe sorgt. Auch die Tatsache, dass es sich am 13. Februar 2022 nur rein technisch um eine Wahl handelt und Nervosität beim Kandidaten nicht angebracht ist, kann man nicht Diezi anlasten. Es könnte ja jeder Bürger, der Lust hat, antreten. Kommt dazu, dass er dem Amt sicher gewachsen ist. Vielleicht fragt man sich da und dort, warum es denn immer der geschliffene Lebenslauf sein muss, der aussieht wie die Kopie des letzten, aber eben: Die Wählerschaft mag Sicherheit, Verlässlichkeit. Mit der Wahl des SVP-Manns Urs Martin scherten die Thurgauer zwar mal aus, weil dieser als Parlamentarier ein ziemlicher Heisssporn war, der zunächst nicht wie der typische Exekutivpolitiker wirkte, der in erster Linie den Ausgleich will. Wenige Monate später war er es dann aber durch und durch.
Die simple Wahrheit ist: Der Stammtisch mag noch so über «die da oben» herziehen, auch er wählt letztlich immer dieselbe Kategorie Politiker «nach oben». Der Thurgau funktioniert, daher ist das vermutlich nicht mal die schlechteste Taktik. Aber wenn man möchte, dass die Politik zu reden gibt, dass sie Emotionen auslöst, dass man sich für sie interessiert, dann diese Taktik vermutlich nicht unbedingt zielführend. Denn der 13. Februar wird sehr unbeachtet von der Öffentlichkeit vorbeiziehen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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