Der St.Galler Schuldirektor Markus Buschor will Stadtpräsident werden. Sein Wahlkampf ist klein, aber fein. Seine Ambitionen werden vom Zweikampf FDP gegen SP in den Hintergrund gedrängt. Ihn nicht ernstzunehmen wäre ein Fehler, der seinen Gegnern schon einmal unterlaufen ist.
Wenn dir dein Amt in einer Exekutive nicht besonders wichtig ist, dann übernimm das Schulressort. Das gilt für Hinterpfupfigen wie für jeden Kanton gleichermassen. Schule: Das sind Emotionen, das sind lautstarke und tendenziell unzufriedene Lehrkräfte, das sind noch lautstarkere und noch unzufriedenere Eltern. Die Schule ist der Bereich, in dem man es buchstäblich nie allen recht machen kann. Nehmen wir einen Finanzdirektor: Was will man dem den vorwerfen? Dass seine Kollegen dauernd sein Geld ausgeben?
Der St.Galler Stadtrat Markus Buschor wurde vor acht Jahren ins Schulressort gezwungen. Der Architekt hätte beim Bau etwas bewegen können, aber die Ämterverteilung in einer Stadtregierung gehorcht ihren eigenen Gesetzen. Obs danach besser wird, ist nicht die Frage. Hauptsache, es gibt möglichst wenig Reibung. Überspitzt gesagt: Je weniger Ahnung ein Stadtrat von seinem Gebiet hat, desto weniger kann er dort ausrichten. Und desto weniger Widerstand löst es aus. Wenig bis nichts zu tun, hat noch kaum einem Politiker geschadet.
Vor vier Jahren, das ist die offizielle Lesart, hätte Buschor dann den Wechsel in sein eigentliches Fachgebiet vollziehen können, er war ja kein Neuling mehr, der hinten ansteht. Offiziell hiess es, er wolle nun bewusst bei der Schule bleiben, weil er hier Prozesse angestossen hat, die er weiterverfolgen will. Inoffiziell hiess es, man wolle ihn nach wie vor nicht beim Bau haben. Was stimmt? Das findet man bei einer Kollegialbehörden sowieso nie raus.
Und jetzt möchte er Stadtpräsident werden. Ein parteiunabhängiger Stadtpräsident. Ein Novum. Aber wenn wir offen sind: Ein Primus inter pares, der keiner Partei Rechenschaft ablegen muss, ist keine absurde Idee. Da liegt sehr viel Logik drin.
Und überhaupt: Bevor Buschor in den Stadtrat gewählt wurde, gab es wenige, die ihm Wahlchancen einräumten. Eben, weil er keine Hausmacht hatte. Letztlich war es das, was die Menschen suchten. Einen, dem sie glaubten, weil er kein Parteibuch nachbeten musste. Weil man ihm abnahm, dass er das, was er sagt, auch wirklich glaubt. Markus Buschor ist bei Weitem das authentischste Mitglied des Stadtrats. Er muss auf niemanden Rücksicht nehmen, sondern nur am Morgen sein eigenes Spiegelbild ertragen.
Nicht alles lief rund in diesen acht Jahren. Die St.Galler Schulpolitik wird heftig kritisiert, von vielen Seiten. Aber auch hier: Man muss ihm zubilligen, dass er das, was nun gegen ihn ausgelegt wird, nach bestem Wissen und Gewissen getan hat. Wenn die Resultate nicht überzeugen, nützt das natürlich auch nicht viel. Aber immerhin löst er damit ein Versprechen ein, das die meisten Politiker abgeben: Das tun und sagen, was man für richtig hält.
Buschors Wahlkampf schwankt irgendwo zwischen zurückhaltend und nicht existent. Es hängen Kleinplakate, es erscheinen Kleininserate. Der Mann mit Hut plötzlich wieder ohne Hut (auf den er 2016 bei der Wiederwahl unbedingt bestand). Er scheint eine neue Rolle zu suchen. Es ist ein ästhetischer Auftritt, ein unaufgeregter, ein klarer. «Ich bin bereit» sagt Buschor in dieser kleinen Kampagne. 2012 hiess es «So gewinnt St.Gallen». Keine inhaltlichen Aussagen, nur ein Bekenntnis für Grundsätzliches. Er sagt damit keineswegs weniger als mit «üsi Stadtrötin» und dergleichen. Aber er löst mehr Dringlichkeit aus.
Vor dem zweiten Wahlgang 2012 monierten Wahlbeobachter, Buschor habe sich trotz eines überraschend guten Resultats im ersten Durchgang danach in die Unsichtbarkeit verzogen. Dabei ist es in der Politik oft das richtige Rezept, ein Angebot zu machen und sich danach in Demut zu üben. Die Wählerinnen und Wähler, diejenigen, die letztlich wirklich an die Urne gehen, sind durchaus informiert. Und sie belohnen nicht zwingend die Leute, die unbedingt wollen, mit dem Brecheisen. Sie mögen ein gewisses Understatement.
Wer Markus Buschor aufgrund seiner Kämpfe mit Lehrpersonen und Eltern in seinem Ressort jetzt schon abschreibt, begeht den gleichen Fehler wie 2012, als er ein politischer Niemand war. Sie unterschätzen die Dynamik, die den Wähler antreibt. Hier die bestehende Stadträtin aus der SP, dort der Quereinsteiger aus der FDP, der trotz seines ersten Anlaufs Richtung Politik bereits stark angelehnt wirkt an alles, was wir aus der Politik kennen. Und drittens der amtierende Stadtrat, der dennoch immer erstaunlich unpolitisch, erstaunlich anders wirkte. Das übt eine Anziehung aus.
Kaum jemand möchte auf irgendjemanden wetten in diesem Kampf ums Stadtpräsidium. Aber vielleicht sollte man am ehesten auf den wetten, auf den einst keiner gesetzt hat - und der alle verblüffte. Fragen wir doch die Radfahrer, wie sie das mit dem Windschatten sehen.
Disclaimer: Der Schreibende war 2012 im ersten Stadtratswahlkampf von Markus Buschor auf seiner Seite aktiv.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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