Wer ist Beat Tinner, der Mann aus Wartau, der St.Galler Regierungsrat werden will? Er ist der Kandidat, dem punkto Erfahrung nur wenige etwas vormachen können, der aber gleichzeitig einige Qualitäten vermissen lässt, die eine Wahl zum Spaziergang machen würden. Eine Betrachtung.
Im Moment möchte Beat Tinner (FDP) gerade Nationalrat werden. Der Gemeindepräsident von Wartau und langjährige Kantonsrat hat dabei keine besonders guten Karten. Ihm stehen andere Leute vor der Sonne, insbesondere zwei Frauen. Tinner erfüllt als Mann, der die klassische Politkarriere absolviert hat, die Kriterien nicht, die derzeit hoch im Kurs stehen.
Aber sein Wahlkampf für einen Nationalratssitz ist im Grunde ein Warmlaufen für eine viel wichtigere Schlacht: Die für die Nachfolge von Martin Klöti als St.Galler Regierungsrat. 2011 hatte Tinner die parteiinterne Ausmarchung gegen eben diesen Klöti verloren und musste zusehen, wie ihm ein Stadtpräsident aus einem anderen Kanton - Klöti war an der Spitze von Arbon - vorgezogen wurde.
Es war kaum der politische Leistungsausweis, der die Delegierten zu dieser Entscheidung bewog. Aber damals trafen zwei Welten aufeinander. Hier Martin Klöti, der weltmännische Bonvivant, ein sicherer Redner, eloquent, charmant (ja, das darf man auch mal bei einem Mann sagen), einnehmend. Auch wenn sich selbst in der FDP später einige schwer taten mit ihrem Regierungsrat: Klöti hat Überzeugungskraft und wirkt schon wie ein Staatsmann, wenn er einen Raum betritt.
Und auf der anderen Seite Beat Tinner. Bodenständig, ohne den Hauch von Globalisierung, ein Regionalpolitiker der alten Schule aus einem Wahlkreis fernab vom St.Galler Zentrum. Es war dieser Gegensatz, der 2011 zur Nominierung von Klöti führte. Mit ihm konnte man besser Wahlkampf machen, war die unausgesprochene Überzeugung der FDP.
Am Einsatz mangelt es Tinner gewiss nicht. Seit er Nationalratskandidat ist, lässt er über seinen Kommunikationsbeauftragten fast im Wochentakt Medienmitteilungen verfassen. Vordergründig geht es dabei immer um Sachthemen. Die Neophyten in der Region Werdenberg-Sarganserland werden bekämpft, am Gonzen entsteht ein sanierter Wanderweg, in Weite entsteht ein Naturgebiet, und bei einer Gemeindeviehschau wird ein Kälbli verlost.
Und wie aus schierem Zufall steht dabei Beat Tinner immer im Vordergrund - und im Bild.
Das sagt uns zwei Dinge. Erstens: Tinner will es wissen und vermarktet sich konsequent. Und zweitens: Er ist in der Tat ein umtriebiger Geselle. Denn überall dort, wo in dieser Art berichtet wird, setzt sich der Wartauer Gemeindepräsident ja tatsächlich für die Öffentlichkeit ein. Zu sagen, er engagiere sich nicht für die Gesellschaft, wäre deshalb vermessen. Er tut das, auch wenn es nicht einschenkt auf seine Marke. So war er auch viele Jahre Präsident der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten. Das ist ein Knochenjob, der nur wenig Ruhm einbringt.
Nun soll es endlich mehr werden. Nur: Dem 48-Jährigen geht nach wie vor der Glanz abhanden, den man unwillkürlich mit einem Exekutivamt verbindet. Er ist Präsident der FDP-Fraktion im Kantonsrat und damit einer der wichtigsten Strippenzieher im Parlament. Dennoch würden bei einer Strassenumfrage wohl viele Leute andere Namen aus der FDP-Fraktion nennen, wenn sie zu einer Aufzählung gezwungen würden. Tinner ist der Prototyp des stillen Schaffers, der im Hintergrund weibelt, aber nie ganz nach vorne dringt. Auch wenn es ihn selbst durchaus nach vorne drängt.
Für ihn ist die Regierungsratswahl nächsten Frühling eine Schicksalswahl. Auch wenn er selbst in vier Jahren noch genug jung wäre für ein Regierungsamt: Es wird kein Platz mehr frei. Marc Mächler als zweiter FDP-Regierungsrat wird kaum daran denken, 2024 schon abzudanken, die neugewählte Person aus 2020 erst recht nicht. Der Zug wäre wohl abgefahren, zumal es irgendwann auch einfach nicht mehr schicklich ist, sich wieder und wieder für dasselbe Amt zur Verfügung zu stellen.
Seit 2000 ist Beat Tinner Kantonsrat. Ob er 2020 wieder kandidiert, wird wohl auch davon abhängen, ob ihn die Partei in die Regierungsratswahl schickt. Gerüchtehalber gibt es bei der FDP die Idee, tatsächlich mit zwei Kandidaten anzugreifen. Dann wäre Tinner wohl auf dem Ticket. Aber wenn er über Wartau hinaus Politik machen will, müsste er auch ein weiteres Mal für den Kantonsrat kandidieren. Und dass er das will, ist angesichts der Kandidatur für den Nationalrat ziemlich deutlich. Denn auch in Wartau wirkt er seit 1997, seit einer halben Ewigkeit. Etwas Neues oder nichts mehr: Darauf scheint es bei Tinner hinauszulaufen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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