Die Genossenschaftsbank steht vor wichtigen Weichenstellungen für die Zukunft. Und ist mit der Vergangenheit noch nicht im Reinen. Schön, dass sich da der Präsident ums wirklich Wichtige kümmert.
Eigentlich hätte es diese Bestätigung gar nicht gebraucht. «Die Ostschweiz» ist ein wichtiges Medium und wird aufmerksam gelesen. Das ist keine überhebliche Behauptung, sondern kann belegt werden.
Am 19. November analysierte ich die Ergebnisse der Raiffeisen-GV in Zürich. Insbesondere kritisierte ich die schneckenschnelle Geschwindigkeit, mit der der gross angekündigte Umbau im Rahmen der «Reform 21» vorankommt.
Kann man so sehen, muss man nicht so sehen. Aber der aufmerksame Leser Guy Lachappelle, vollamtlicher VR-Präsident der Bank und in dieser wohlbezahlten Position für die Strategie, die Leitlinien, das Grosseganze im Umbau der Bank zuständig, empfindet schon eine leise Kritik an ihm als ungehörig.
Sozusagen als Majestätsbeleidigung. Das merkt man daran, dass sich Lachappelle schriftlich bei mir meldete; sein Mail fand ich nach der Rückkehr aus dem internetmässig eher unwirtlichen Havanna vor. Nun könnte man meinen, wenn sich der VR-Präsident schon die Mühe macht, dann erklärt er dem Kritiker, wo der überall falsch liege und wie man die Sache richtig sehen müsse.
Das täte der VR-Präsident, wenn es ihm um eine sachliche Auseinandersetzung ginge – oder wenn er Gegenargumente hätte. Da es ihm aber an solchen mangelt, verlegt er sich auf den Versuch der Kritik unter der Gürtellinie. Er sei nämlich «irritiert und befremdet», dass ich «auf der anderen Seite» auftauchen würde.
Was will uns Lachappelle damit sagen? Er nimmt Bezug darauf, dass ich mich vergangenes Jahr bei Raiffeisen gemeldet hatte, die unterirdische Kommunikation rund um die Affäre Vincenz kritisierte und Abhilfe anbot. Wie ich das als erfahrener Kommunikationsspezialist schon seit vielen Jahren nicht ohne Erfolg tue. Es mag ja einen wohlbezahlten VRP überraschen, aber als freier Journalist mit Schwerpunkt aufwendige Wirtschaftsberichterstattung kann man davon allein nicht leben.
Zudem kam es offensichtlich nicht zu einer Zusammenarbeit, wie man der anhaltend unterirdischen Kommunikation von Raiffeisen auch deutlich anmerkt. Ich habe mich in verschiedenen Medien umfangreich mit dem Fall Vincenz, mit dem Reputationsschaden durch unfähige Krisenkommunikation, und mit der lahmenden Aufarbeitung der Vergangenheit sowie der zögerlichen Gestaltung der Zukunft beschäftigt. Wobei immer das klare Prinzip gilt: Man kann vielleicht meine Arbeitszeit mieten, aber sicher nicht meine Meinung kaufen.
Nachdem nun das neue Führungsduo rund ein Jahr am Gerät ist, schien es mir nicht vorschnell oder verfrüht, eine erste Bilanz zu ziehen. Dass die nicht positiv ausfiel und daher Lachappelle nicht gefiel, ist menschlich verständlich. Dass er keinen Anstoss an der durchaus auch wohlwollenden Berichterstattung in «Die Ostschweiz» nahm, auch.
Dass ein VRP aber damit droht, er könne dann allenfalls auch aus der «Korrespondenz» zwischen mir und Raiffeisen zitieren, ist doch ein starkes Stück. Man kann nur hoffen, dass die Bank das Kunden- und Geschäftsgeheimnis ansonsten sorgfältig bewahrt. Ich als Kleinunternehmer käme nie auf die Idee, einem ehemaligen oder potenziellen Mandanten damit zu drohen, ich könne dann auch noch anders, wenn ich schon mal irritiert und befremdet sei.
Das bin ich allerdings. Nicht nur wegen dieser Reaktion einer beleidigten Leberwurst, die weitere Zweifel an den Führungsfähigkeiten schürt, die es für die immerhin systemrelevante und drittgrösste Schweizer Bank braucht. Sondern auch, weil Lachappelle es am wichtigsten in einer Debatte vermissen lässt: an Argumenten. An Gegenargumenten. Da bleibt er stumm; es wäre allerdings besser gewesen, wenn er überhaupt geschwiegen hätte.
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