Bis vor Kurzem schien es denkbar, dass Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) auch am 20. Oktober versucht, St.Galler Ständerätin zu werden, nun sagt sie ab. Die Begründung für ihren Rückzug hat einige Leute überrascht. Denn die FDP-Frau beruft sich auf die Unterstützung der SP. Was steckt dahinter?
Das St.Galler Stimmvolk hat Benedikt Würth (CVP) vorgezogen, Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) ist am 19. Mai der zweite Platz geblieben. Aus Respekt vor diesem Volksentscheid habe sie nicht vor, Würth den Ständeratssitz am 20. Oktober 2019 bei den ordentlichen Wahlen streitig zu machen, liess Vincenz-Stauffacher in einer Mitteilung wissen.
Dass die Frau aus Gaiserwald bei einer Kandidatur nicht den Sitz von Würth im Auge gehabt hätte, hat man sowieso vorausgesetzt. Die bürgerlichen Parteien sind nicht daran interessiert, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Wenn schon, so hätte es um den Sitz von Paul Rechsteiner (SP) gehen müssen, der wieder antritt.
Aber auch diesen Sitz will die Ex-Ständeratskandidatin nicht attackieren. Und zwar, weil sie - wie sie schreibt - im Wahlkampf die Unterstützung der SP-Frauen erhalten habe und sie nun nicht deren Kandidat angreifen wolle.
Diese Begründung hat zu einigen Reaktionen geführt, die uns erreicht haben. Die Rede ist beispielsweise von einem «Kuhhandel» zwischen SP und FDP. Die SP-Frauen sprechen sich für die FDP-Kandidatin aus, dafür lässt diese am 20. Oktober den SP-Mann in Ruhe.
Das sei keineswegs so, sagt Susanne Vincenz-Stauffacher gegenüber «Die Ostschweiz». Vor allem habe es nichts mit ihrer Partei zu tun: «Das war meine ganz persönliche Stellungnahme aufgrund meiner eigenen Wahrnehmung und nicht die der Partei. Es war mir deshalb auch wichtig, das selbst zu kommunizieren.»
Es sei ihr zum einen ganz allgemein nicht wohl gewesen beim Gedanken, noch einmal für den Ständerat anzutreten. «Für mich hätte es sich nicht richtig angefühlt. Bestehende Ständeräte anzugreifen ist etwas anderes als um einen freien Sitz zu kämpfen, das ist eine neue Ausgangslage», so Vincenz-Stauffacher.
Aber wie steht es mit dem Vorwurf, nun Rücksicht auf den politischen Gegner zu nehmen, nur weil sich dieser für einmal für sie ausgesprochen hat? «Mir ging es darum, glaubwürdig zu bleiben. Ich habe von den SP-Frauen Unterstützung erhalten, und damit sind diese ein Stück weit auch über den eigenen Schatten gesprungen. Für mich stand fest, dass ich nicht bei nächstbester Gelegenheit einen Kandidaten dieser Partei angreife.»
Sie halte aber klar fest, dass die Unterstützung der SP-Frauen nie mit einer solchen Bedingung verknüpft war, «das war allein meine Entscheidung.»
Konkurrenz wird Paul Rechsteiner wohl ohnehin erwachsen. Die SVP hat bereits klargestellt, dass sie antritt. Und die FDP? Bisher hatte sie stets vollmundig erklärt, den Sitz wieder erobern zu wollen. Derzeit laufen auch bereits Bestrebungen für die Kandidatensuche.
Gegenüber Würth muss die FDP keine Beisshemmungen haben, immerhin hat er ihr den Sitz weggeschnappt. Und gegenüber der SP? Schwer vorstellbar, dass die FDP aufgrund der Unterstützung der SP-Frauen am 19. Mai nun Paul Rechsteiner in Ruhe lässt. Selbst wenn die Partei auf eine Kandidatur verzichten würde, müsste sie spätestens bei den Empfehlungen Gesicht bekennen.
Und dass die Freisinnigen Paul Rechsteiner offiziell unterstützen, ist ebenso wenig anzunehmen. Die Geste von Susanne Vincenz-Stauffacher bleibt also vermutlich eine persönliche - die Partei hat ihren eigenen Fahrplan.
Nicht besonders begeistert könnten die Leute sein, die sich im Wahlkampf durch aktive Unterstützung und Spenden für die FDP-Kandidatin eingesetzt und gehofft haben, dass diese auch im Herbst wieder antritt. Diesen dürfte die Begründung mit Verweis auf die SP-Frauen weniger einleuchten.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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