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Revisor Daniel Senn

Der willige Gehilfe aus Frauenfeld

Wenn es heikel wurde, war der Frauenfelder Daniel Senn, der Revisor der Mächtigen, zur Stelle. Er lieferte, was man von ihm verlangte. Zum Beispiel im Fall des ehemaligen Nationalbankpräsidenten Hildebrand. Doch Senns eigene Weste ist alles andere als weiss.

Hermann Lei am 29. August 2018

Wer ist Revisor Daniel Senn aus Frauenfeld? 2003 untersucht der KPMG-Partner im Namen der Bankenaufsicht Oskar Holenweger und seine Zürcher Tempus-Bank, bei dem sich seine Vorwürfe vor Gericht aber in Luft auflösen. 2010 untersucht er im Auftrag der Valiant-Bank auffällige Transaktionen der eigenen Bankspitzen. Nach nur zwei Wochen stellt er der Bank - zu Unrecht - einen Persilschein aus. 

Senn ist der Revisor der Nation, der Gehilfe der Mächtigen. Dass er keine weisse Weste hat, wissen nur wenige.

Schlüsselrolle in der Affäre Hildebrand

Auch in der Affäre um den spekulierenden SNB-Präsidenten Philipp Hildebrand spielt Senn eine zwielichtige Rolle. Nach einem unbrauchbaren Gefälligkeitsgutachten von PwC gibt der Bankratspräsident Raggenbass (auch ein Thurgauer) bei der Konkurrentin KPMG eine neue Untersuchung in Auftrag.

Daniel Senn heisst der Mann, prüfen soll, der aber nicht prüft: Ausgerechnet Hildebrands umstrittene Finanzgeschäfte zwischen Frühling und Herbst 2011 klammert er aus. Und auch die Geschäftskonten von Hildebrands Ehefrau werden nicht überprüft. Darauf habe man aus «Zeitgründen einstweilen verzichtet», ist die sonderbare Antwort von Senn. Dabei waren die Bewegungen auf dem Konto von Philipp Hildebrand die eigentlichen Auslöser der Krise.

Senn wäscht weisser

Nach der Parlamentsdebatte vom März 2012, bei der unter anderem Christoph Mörgeli sich mächtig ins Zeug legt, muss Senn nachbessern. Doch Senn macht weiter wie bis anhin: Bei den Privat- und Geschäftskonti von Frau Hildebrand bleiben sämtliche Devisentransaktionen bis 20'000 Franken und alle übrigen Transkationen bis 100'000 Franken umüberprüft.

Heute können wir vermuten, weshalb Senn alles tat, um Hildebrand reinzuwaschen. Denn im Herbst 2011 hat Senn ein Konto bei der Bank Sarasin - wie Hildebrand.

Insider spricht Insider frei

Und als Insider weiss er von einem möglichen Kurssprung – wie Hildebrand – und kann es nicht lassen, noch schnell einen hübschen Gewinn einzufahren - wie Hildebrand. Später bringt er seine Frau ins Spiel - wie Hildebrand - beziehungsweise kann sich nicht mehr so genau an die Details erinnern - wie Hildebrand. Und wie bei Hildebrand kommen die Insidergeschäfte auch bei Senn aus, allerdings erst Jahre später.

Der Fall des Revisors

Denn im Hintergrund tut sich einiges: Die Revisionsaufsichtsbehörde zeigt Senn an. Senn verliert seine Zulassung. Die Bundesanwaltschaft ermittelt und erhebt Mitte 2018 Anklage. Im heissen Sommer 2018 steht Senn vor dem Bundesstrafgericht von Bellinzona und versucht seine Haut zu retten.

Der grosse, einstmalige Chefprüfer der Nation ist klein geworden. Seinen Beruf darf er nicht mehr ausüben, er wird in Millionenhöhe betrieben, eine Steuererklärung hat er seit 2014 nicht mehr eingereicht, und seine Frau nennt er «Noch»-Ehefrau, als wären sie demnächst geschieden – eine weitere Parallele zu Hildebrand.

Der Lack ist ab

Doch trotzig weist Senn alle Schuld von sich, fantasiert wieder wie Hildebrand von einer SVP-Verschwörung. Und wie Hildebrands Frau damals wird auch Senn pathetisch und beruft sich auf Gott. Aber was Hildebrand damals noch half, hilft Senn heute nicht mehr, der Lack ist ab. Das Bundesstrafgericht verurteilt Daniel Senn erstinstanzlich zu einer bedingten Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 430 Franken und zu einer Busse von 5000 Franken.

Klar ist nun: Insider Senn (strafrechtlich erstinstanzlich verurteilt) hat Insider Hildebrand (keine Strafuntersuchung) freigesprochen. Langsam bricht zusammen, was schief war.

*Unsere Gastautoren äussern ihre eigene Meinung und Darstellung, die sich nicht mit der der Redaktion decken muss.

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Autor/in
Hermann Lei

Hermann Lei (*1972) ist Anwalt und Thurgauer SVP-Kantonsrat.

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