«Verstoss gegen die Sitzpflicht» und andere Absurditäten: Weshalb man den bundesrätlichen Corona-Straf-Irrsinn nicht akzeptieren sollte. Ein Gastbeitrag des Frauenfelder Kantonsrats und Rechtsanwalt Hermann Lei.
Anfangs März erhalte ich ein Mail einer Aktionsgruppe, welche eine Veranstaltung gegen die Coronamassnahmen durchgeführt hat: «Ich hatte gerade einen Anruf von der Kantonspolizei Herrn O. Er war gestern auch vor Ort und kam auch noch kurz nach der Veranstaltung zu mir, um zu sagen, dass wir die Abstände nicht eingehalten haben.Jetzt hat er mich angerufen und gesagt, aufgrund der Pressemitteilung und Bilder, wo anscheinend zu sehen ist, dass die Abstände nicht eingehalten wurden, muss er reagieren und ich als Veranstalter bekomme eine Anzeige und eine Busse...».
Ich werde gebeten abzuklären, ob diese Busse gerechtfertigt ist.
Strafen innert 3 Tagen in Kraft
Doch wo findet man die Coronastrafbestimmungen? Veröffentlicht wurden die neuen Strafbestimmungen am 27. Januar, in Kraft getreten sind sie nur drei Tage später. Wenn man wenigstens wüsste, wo man sie findet, so könnte man sich eventuell darauf einstellen.
Google führt mich auf die Homepage des SRF: «Coronabussen ab 1. Februar 2021: Das müssen Sie wissen». Hier könne man die Antworten auf die wichtigsten Fragen lesen. Wer gegen die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus verstosse, könne gemäss Bundesrat mit einer Busse in der Höhe von 50 bis 200 Franken bestraft werden, lese ich. Was aber genau verboten ist, steht nicht. Hingegen lese ich einen weiteren Bericht von SRF, dass Mitte Februar bereits hunderte Bussen ausgesprochen worden seien. Wofür auch immer.
Verstoss gegen die «Sitzpflicht»
Nach längerem Suchen finde ich immerhin beim BAG eine Rubrik «Coronavirus Massnahmen und Verordnungen.» Das BAG schreibt, hier könne man lesen, welche Regeln und Verbote zurzeit national und kantonal gelten würden. Doch auch hier steht eigentlich nur, dass verboten sei, was dem Bundesrat nicht passt.
Nach längerem Suchen finde ich endlich die Verordnungen des Bundesrates. Die «Covid-19-Verordnung 3» enthält zwar dutzende Artikel und eine Unmenge von Anhängen, aber keine Strafbestimmungen. Also: Weitersuchen. Unter «818.101.26 Verordnung über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie (Covid-19-Verordnung besondere Lage) lese ich, dass mit Busse bestraft wird, wer «Betreiber oder Organisator vorsätzlich oder fahrlässig seine Verpflichtungen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 sowie nach den Artikeln 5a, 5d Absatz 1 und 6d–6g nicht einhält». Was soll denn das bedeuten? Immerhin lerne ich: bestraft wird, wer in einer Bar «vorsätzlich gegen die Sitzpflicht» verstösst.
«Zivilgesellschaftliche Kundgebung»
Wieder zurück zu den «Verpflichtungen nach Art. 4 Abs. 1 und 2». Fehlanzeige. Was stand schon wieder in Art. 13? Hat meine Organisation evtl. Art. 5a 5d Abs. 1 und 6d bis 6g nicht eingehalten? Das ist es glaub nicht. Nochmals zurück zu Art. 13: Es bleiben nur noch Art. 6d bis 6g. Aber wieder Fehlanzeige. Nochmals Art. 13 konsultieren. In lit. i stosse ich auf folgende Bestimmung: «Mit Busse wird bestraft, wer an einer politischen oder zivilgesellschaftlichen Kundgebung vorsätzlich oder fahrlässig keine Gesichtsmaske trägt.»
Das könnte es sein. Aber was zum Geier ist eine «zivilgesellschaftliche Kundgebung»? Nach abendfüllender Suche nach der anwendbaren Strafbestimmung gebe ich auf. Offenbar muss man zivilgesellschaftlich geschult sein, um zu merken, was eine Busse gibt und was nicht. Anwalt sein reicht nicht.
Strafeneinführung im Eilverfahren, Strafenwirrwar und absurde Strafbestimmungen wie «Sitzpflicht in der Bar». Der bundesrätliche Strafkatalog ist ein Sinnbild seiner sonstigen Coronapolitik. Das müssen wir uns nicht bieten lassen. Ich rate daher allen «Corona-Straftätern» dazu, die Strafe nicht zu akzeptieren und Einsprache zu machen.
Hermann Lei (*1972) ist Anwalt und Thurgauer SVP-Kantonsrat.
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