In gut einem Monat wird in Teufen über den Bahntunnel abgestimmt. Rolf Brunner ist Co-Präsident der IG Tüüfner Engpass und hat schlagende Argumente für die Schienenverlegung unter die Erde.
Die IG Tüüfner Engpass und das Komitee Teufen mit Zukunft legen sich einen Monat vor der Abstimmung ins Zeug. Am vergangenen Mittwoch fand eine Dorfbegehung mit 30 Personen teil, weitere sollen folgen. Darüber hinaus sind Standaktionen und am 25. April ein Informationsabend mit Diskussion geplant; allerdings ohne Beteiligung von Gemeinde und Doppelspurbefürwortern. Diese verzichten auf eine Teilnahme, wie es in einer gestern verschickten Mitteilung heisst.
Die Fronten scheinen verhärtet. Man wirft sich gegenseitig vor, mit falschen Zahlen und aufgrund falscher Annahmen zu operieren. Im Interview mit «Die Ostschweiz» legt Rolf Brunner, Co-Präsident der IG Tüüfner Engpass seine Argumente für einen Bahntunnel dar.
Herr Brunner, am 15. Mai wird abgestimmt: Was tun Sie, um eine Mehrheit der Teufner Stimmbevölkerung von der Tunnellösung zu überzeugen?
Neben der IG Tüüfner Engpass, die sich seit Jahren gegen die geplante Doppelspur im Dorfkern engagiert, hat sich auf die Abstimmung hin das schlagkräftige und kreative Komitee «Teufen mit Zukunft» gebildet. Komitee und IG bestreiten zusammen einen aktiven Abstimmungskampf, in dem wir in erster Linie Fakten sprechen lassen. Es geht um eine Grundsatzfrage, die mehrere Generationen betrifft, deshalb stossen wir mit unseren Argumenten auf offene Ohren. Man hat zwar immer mehr das Gefühl, Bahn, Gemeinde und Kanton wollen daraus eine Frage der Ideologie entwickeln. Dies darf jedoch nicht so sein. Denn: Es sollen rein sachliche Punkte für die Abstimmung gelten.
Es heisst, die Meinungen im Dorf seien längst gemacht. Teilen Sie diese Einschätzung?
Mindestens die 841 Stimmberechtigten, die seinerzeit unsere Initiative unterschrieben haben, wissen wohl, was sie am 15. Mai stimmen werden. Es gibt aber durchaus auch Stimmberechtigte, die sich noch nicht entschieden haben. Diese Teufnerinnen und Teufner wollen wir erreichen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass je eingehender sich jemand mit der Frage beschäftigt, desto klarer die Argumente für einen Tunnel und gegen die Doppelspur zu Tage treten.
Was sind Ihre wichtigsten Argumente für den Tunnel?
Die geplante Doppelspur würde zu unmöglichen Verkehrsbehinderungen führen, weil die Bahn Vorrang vor allen anderen Verkehrsteilnehmer bekäme. Der Privatverkehr würde an verschiedenen Stellen ganz aufgehalten, um dann hinter der Bahn schleichen zu dürfen. Vor allem aber würde die Doppelspur zu sehr gefährlichen Situationen für die schwächsten Verkehrsteilnehmer – Schülerinnen und Schüler auf dem Velo wie auch Fussgängerinnen und Fussgänger – führen. Wird die Bahn in den Tunnel verlegt, kann sie ungestört verkehren und kreuzt ihrerseits den Individualverkehr nirgends. Überall in der Schweiz bemüht man sich aus guten Gründen, die Verkehrsträger Schiene und Strasse zu entflechten, nur in Teufen will man das Gegenteil machen. Das grenzt an einen Schildbürgerstreich!
Die Appenzeller Bahnen sagen, dass nur eine Kreuzungsmöglichkeit im Bereich Sternen/Stofel den Viertelstundentakt zwischen Trogen und Teufen garantieren könne. Sehen Sie das anders? Oder wollen Sie gar keinen Viertelstundentakt?
Eine gute Bahnerschliessung mit Viertelstundentakt ist für Teufen wichtig. Ob es die erwähnte Kreuzungsstelle braucht, ist heute jedoch ungewiss, denn das Fahrplankonzept 2035 existiert erst als Idee. Sollte es diese Kreuzungsstelle brauchen, kann sie aber im Egglirank realisiert werden – und zwar neben und nicht auf der Strasse. Das zweite Gleis könnte hangseitig realisiert werden, die dortigen Grundeigentümer haben bereits signalisiert, dass sie dazu Hand bieten würden. Mit dem Tunnel und dieser Kreuzungsstelle würde die AB in Teufen durchgehend eigentrassiert verkehren – das sind beste Voraussetzungen für Fahrplanstabilität. Eine doppelspurige Strassenbahn im Dorfkern wäre hingegen ein Garant für dauernde Verspätungen.
Welchen Vorteil hätte das Gewerbe von einem Tunnel?
Die Doppelspur brächte etliche Parkplätze zum Verschwinden, das Benutzen der verbliebenen Parkplätze würde mancherorts zur Mutprobe. Die Erreichbarkeit des Gewerbes würde massiv leiden, auch, weil es unangenehm würde, in einer massiv ausgebauten Bahninfrastruktur statt in einem malerischen Appenzellerdorf zu flanieren. Verschwindet die Bahn im Tunnel, kann man im Zentrum wieder atmen, es besteht Platz für eine attraktive Gestaltung.
Und welche Nachteile entständen ihm bei einem Doppelspurausbau auf der Hauptstrasse?
Die Hauptstrasse würde zur Staustrasse, verschiedene Einlenker in die Hauptstrasse würden acht Mal pro Stunde regelrecht blockiert, wenn erst ein Zug und dahinter eine schleichende Autokolonne vorbeifahren. Für Velofahrer hat es in vielen Bereichen schlicht keinen Platz. Entweder strampeln sie mutig zwischen den Schienen und lassen sich von der Bahn im Rücken nicht beirren, oder sonst müssen sie sich in Seitengässchen oder, wo überhaupt vorhanden, auf Trottoirs flüchten.
Sagt das Stimmvolk am 15. Mai Ja, ist das noch kein Ja zum Tunnel, sondern ein Auftrag an die Gemeinde, ein Tunnelprojekt auszuarbeiten. Es brauche noch weitere Volksabstimmungen – zum Beispiel für den Projektkredit, bis ein Projekt überhaupt erst beim Bund eingereicht werden könnte. Von wie vielen Jahren sprechen wir da realistischerweise, bis der Zug durch den Tunnel fahren kann?
Das kommt darauf an, ob sich die Behörden weiterhin so widerwillig gebärden oder ob sie nach einem Ja den politischen Prozess zügig vorantreiben. Die reine Bauzeit dürfte dann kaum länger dauern als etwa der Bau des Ruckhaldentunnels, der zweieinhalb Jahre benötigte. Der Bau der Doppelspur im Dorfkern würde übrigens zu einer wesentlich unangenehmeren Übung, denn erst müssten einmal alle Werkleitungen verlegt werden, bevor die zweigleisige Eisenbahninfrastruktur eingebaut werden kann. Während dieser Zeit würde das Dorfzentrum massiv in Mitleidenschaft gezogen, während der Tunnelbau das Dorfleben deutlich weniger beeinträchtigen würde.
Die Gegnerschaft ist mit dem Gemeinderat und den Appenzeller Bahnen gross und mächtig. Welche Chancen rechnen Sie sich für den 15. Mai aus?
In den letzten Wochen hat sich aus dem Stand das Komitee Teufen mit Zukunft mit inzwischen weit über 300 Mitgliedern gebildet, die IG Tüüfner Engpass durfte ebenfalls einen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Die Appenzeller Bahnen, der Kanton und die Gemeinde haben trotzdem ungleich grössere Ressourcen – aber wir haben eindeutig die besseren Argumente. Deshalb gehe ich von einem deutlichen Ja zur Tunnelinitiative aus.
Was passiert nach dem 15. Mai? Löst sich der Verein Tüüfner Engpass so oder so auf?
Da wir davon ausgehen, dass die Initiative angenommen wird, braucht es wohl jemanden, der auch weiterhin auf die Umsetzung des Volkswillens pocht…
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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