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Gastbeitrag

Die Entmystifizierung der Kulturschaffenden

Seit Beginn dieser Krise kein Aufbäumen, keine kritischen Fragen. Nichts. Das grosse Nichts. Warum ist das so? - Betrachtungen eines Kulturveranstalters.

Markus Schamberger am 19. November 2020

Denke ich an meine Jugend zurück, hat sich doch vieles verändert in der Kulturbranche. Vielleicht sehe ich die «Helden» von gestern aber zu stark verklärt durch die Flower-Power-Brille und es war schon damals so, wie es heute ist. Aber es fühlte sich anders an. Es waren oft Musiker, Schriftsteller, und andere Kulturschaffende, die das Zeitgeschehen kritisch beleuchteten, Missstände, Verstösse gegen Minderheiten oder Verletzungen von Menschenrechten öffentlich machten. Irgendwie hatten Kulturschaffende in dieser Zeit immer auch etwas Revolutionäres.

Heute scheint dies anders. In der aktuellen weltweiten Coronakrise schweigt die Kulturbranche praktisch komplett. Oder jene, die es wagen eine kritische Haltung einzunehmen, werden mit einem mächtigen – zum Teil aus den eigenen Reihen stammenden – Shitstorm überzogen.

Seit Beginn dieser Krise warte ich auf ein Aufbäumen. Auf ein kritisches Fragen stellen. Nichts. Das grosse Nichts. Warum ist das so?

Man hört schon laute Stimmen aus der Kulturbranche wie «Ohne uns wird es still» oder «Ohne Kultur wird es still». Die Branche wehrt sich, damit sie nicht untergeht und Zuschüsse oder Überlebenshilfen erhält. Es geht schlicht um ihre Existenz. Die Forderungen sind völlig berechtigt. Überhaupt keine Frage. Aber geht es nicht auch um mehr?

• Geht es nicht auch darum, was unsere egoistischen Massnahmen der sogenannten «zivilisierten Welt» in der dritten Welt für Elend erzeugt haben und nach wie vor erzeugen?

• Geht es nicht auch darum, dass Regierungen ihre Macht missbrauchen und zunehmend totalitäre Züge annehmen und Grundrechte mit Füssen treten?

• Geht es nicht auch darum, dass die freie Meinungsäusserung und ein Dialog - welcher bisher eine Demokratie ausgezeichnet hat – nicht stattfinden und Zensur zur Tagesordnung geworden ist?

• Geht es nicht auch darum, dass die Ökonomie weltweit massiv geschädigt wird und Gelder umverteilt werden, die anschliessend fehlen, um bedürftigen Menschen zu helfen?

• Geht es nicht auch darum, dass eine grosse Geldumverteilung zu den Superreichen stattfindet?

• Geht es nicht auch darum, dass diese Coronakrise von der Pharmaindustrie und der Finanzelite missbraucht wird?

• Geht es nicht auch darum, dass das Finanzsystem und somit unser globales Wirtschaftssystem schon längst kollabiert ist, es aber in der Öffentlichkeit nicht realisiert wird?


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Könnte es da womöglich einen Plan geben?

Ich weiss es nicht! Aber würde ich diese Frage mit ja beantworten und müsste ich für diese Elite einen Plan entwerfen, um die Bevölkerung möglichst ruhig zu halten, würde ich für den Kulturbereich folgendes vorschlagen:

Aus dem Wissen heraus, dass Musiker und Künstler das Zünglein an der Waage sein können, um die schlafende Masse aufzuwecken und zu mobilisieren, würde ich diese unbedingt von Anfang an aus dem Spiel nehmen.

Zwei Dinge würde ich tun.

1. Ich schränke sie so stark ein, dass sie ihren Beruf gar nicht mehr ausüben können und somit ihr Auskommen von einem Tag auf den anderen infrage gestellt ist. Gleichzeitig hänge ich sie sofort an den Tropf. Aber zuerst müssen sie um diesen Tropf betteln. Dann hänge ich sie an. Ich stelle diesen aber so ein, dass jeder Tropfen per Hand durchgelassen werden muss. Es kommt jetzt also immer nur so viel, damit sie nicht sterben und immer so wenig, dass der Hunger bleibt. Und die Sicherheit, dass morgen ein nächster Tropfen kommt, ist nicht gegeben. Ich lasse sie also immer im Akutzustand. Gepaart mit der Angst, wenn sie sich gegen die Hand am Tropf erheben oder kritisch werden, diese Hand den Tropf nicht mehr öffnet.

2. Weiter schaffe ich ein starkes Narrativ. «Coronaleugner». Wow, was für eine Erfindung! Kein wirklich normal denkender Mensch wird jemals bestreiten, dass es Coronaviren gibt, da sie uns schon immer im Winterhalbjahr zusammen mit dem ganzen Grippepaket begleitet haben. Es heisst ja nicht «Covid-19-Leugner» sondern «Coronaleugner». Covid-19-Leugner wäre etwas anderes. Darüber liesse sich zumindest diskutieren. Aber Coronaleugner ist natürlich viel stärker, komplett irreführend und vor allem falsch. Und haben wir den Begriff «Leugner» nicht erst für eine andere Gruppe Menschen aus dem nationalsozialistischen Umfeld gebraucht? Niemand will in diesem Eck gesehen werden und schon gar nicht Musiker, Theaterschaffende, Künstler oder andere Kulturschaffende.

Somit habe ich zwei Dinge geschaffen, um die Branche still halten zu können und mein Auftraggeber wäre mit mir zufrieden.

Für mich hat sich die Kulturwelt entzaubert und so leid es mir tut – entmystifiziert. Es sind leider nicht die von vielen gesuchten und gewünschten Helden und Revolutionäre. Es sind auch nur Menschen, die in Angst gehalten werden. Dafür habe ich natürlich Verständnis. Das meine ich nicht sarkastisch. Das meine ich ernst. Trotzdem macht es mich traurig.

Der Autor

Als Liebhaber schöner Dinge lenkt Markus Schamberger die Geschicke der Weinhandlung Küferweg. Seit 2009 ist er Mitinhaber der Weinhandlung. 2017 eröffneten Ariane und Markus Schamberger in direkter Nachbarschaft zur Weinhandlung in der ehemaligen Conservenfabrik Seethal in Seon das Kulturlokal «Konservi». Seither finden Konzerte und kulturelle Veranstaltungen in intimer, gediegener Clubatmosphäre statt. In seiner Freizeit widmet er sich am liebsten der Musik und der Natur- und hin und wieder schreibt er über Dinge, die ihn bewegen.

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Autor/in
Markus Schamberger

Markus Schamberger (*1962) ist Weinhändler und Kulturveranstalter sowie geschäftsführender Mitinhaber der Weinhandlung «Küferweg – Weine mit Kultur».  Er ist ausserdem Initiant und Mitinhaber des Kulturlokals «Konservi» in Seon. Schamberger ist wohnhaft in Ammerswil (AG).

Verheiratet und Vater dreier Kinder

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