Geht es nach Hans Fässler, muss der «Raiffeisenplatz» so rasch wie möglich umbenannt werden. Doch die Forderung, ihn «Recha-Sternbuch-Platz» zu nennen, löst in der Bevölkerung Unverständnis aus.
Ein Kollektiv rund um den Historiker Hans Fässler setzt sich dafür ein, dass der Raiffeisenplatz in der St.Gallen Innenstadt, der umgangssprachlich auch einfach der «Rote Platz» genannt wird, einen neuen Namen erhält. Und zwar den von Recha Sternbuch, einer 1971 verstorbenen St.Galler Jüdin, die sich für Rettung jüdischer Flüchtlinge starkmachte.
Weil auf die Anfrage auch nach über zwei Jahren nur unbefriedigende beziehungsweise gar keine Antworten eingegangen sind, beschloss das Kollektiv, mit der Forderung an die Öffentlichkeit zu gehen.
Nun stellen die Initianten mit Befriedigung fest, dass die Pressekonferenz vom 25. Mai bereits Wirkung erzielt habe: Nachdem nämlich die historische Aufarbeitung der Schweizer Raiffeisengeschichte die Person des nachweislichen Antisemiten Friedrich Wilhelm Raiffeisen aussen vor lassen wollte, will der Recherchebericht nun auch den aktuellen Forschungsstand über den Bankengründer berücksichtigen. Fässler schreibt in seiner Medienmitteilung: «Die umfassende Analyse, die Raiffeisen nach Vorliegen des Forschungsberichts von der Stadt verlangt, wird 2024 rasch gemacht sein. Wir sind optimistisch, dass die Stadt St. Gallen sich für eine Umbenennung des Platzes entscheiden wird. St.Gallen könnte also schon dieses Jahr mit der Vorbereitung dieser Umbenennung beginnen.»
Kaum Rückhalt in der Bevölkerung
Derweil begegnet die Stadtbevölkerung der Forderung nach Umbenennung des Platzes eher skeptisch. Von «wokem» Unsinn ist die Rede. Oder von einer spitzfindigen, weit hergeholten Forderung eines Initianten, der sich einfach wichtig machen wolle. Warum müsse man einen Platz nach einer unbekannten, längst verstorbenen Person benennen und könne den Platz nicht einfach offiziell «Roter Platz» taufen, so wie alle zu ihm sagen, wird gefragt. Wobei man dann wahrscheinlich – mit Blick auf den berühmten Moskowiter Roten Platz – ukrainisches Unverständnis ernten würde, gibt jemand anderes auf diesen Vorschlag zu bedenken…
Klar ist: Eine Namensgebung für einen prominenten öffentlichen Platz kann zu einem Spiessrutenlauf werden. Dass man aber Menschen mit zweifelhafter, ja gar problematischer Einstellung zu Angehörigen anderer Religionen mit einem eigenen Platz ehrt, darf zurecht kritisiert und eine Umbenennung gefordert werden. Warum aber ein Platz unbedingt nach einer Person benannt werden sollte, ist unbegründet.
Vielleicht sollten die Stadtmütter und -väter und sich auf etwas simples wie «Zentrumsplatz» einigen: einfach, wertneutral und beruhigend für alle erhitzten Gemüter.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
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