Der WWF St.Gallen bezeichnet sich als parteipolitisch unabhängig. Er unterstützt daher weder Parteien noch Personen direkt im Wahlkampf. Die gewählte Kantonsrätin Franziska Cavelti (GLP) sagt aber, sie habe finanzielle Unterstützung vom WWF St.Gallen erhalten. Und: Sie ist Co-Präsidentin des WWF.
Wenn jemand sagt «so wars» und der andere sagt «so wars nicht», dann gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens: Sie sind nicht auf dem gleichen Wissensstand. Oder zweitens: Einer lügt.
In dieser Geschichte müssen eigentlich alle Beteiligten gleich viel gewusst haben.
Es geht um Franziska Cavelti, dieses Jahr für die GLP im Wahlkreis Wil neu zur Kantonsrätin gewählt und Mitinhaberin eines Medienunternehmens in Gossau. Sie kam vor den Kantonsratswahlen ziemlich in letzter Sekunde als Quereinsteigerin auf die Liste der GLP und wurde prompt gewählt. Zu verdanken hatte sie das wohl auch einem sehr engagierten und teuren Wahlkampf, der Schlagzeilen machte. Denn die GLP Wil hatte in diesem Jahr einen papierlosen Wahlkampf ausgerufen. Die Mitbesitzerin einer Druckerei liess dennoch einen Flyer in alle Haushaltungen verteilen. Danach wurde erbittert diskutiert, was in diesem «papierlosen Wahlkampf» auf Papier zulässig war und was nicht. Die lokale Posse führte zum Zerwürfnis in der Partei; wir haben berichtet.
Zumindest offiziell, wenn auch nicht für die einzelnen Protagonisten, ist die parteiinterne Sache abgeschlossen. Doch nun stellt sich eine neue Frage: Wer hat die Flyeraktion von Franziska Cavelti bezahlt?
Das würde man sich vermutlich gar nicht mal fragen, wenn die damalige Kandidatin es nicht selbst thematisiert hat. Sie schrieb am 14. Februar in einem E-Mail an diverse Exponenten der GLP: «Ich wollte Euch informieren, dass der WWF - wie an der Vorstandssitzung in Aussicht gestellt - mich mit einem Flyer in alle Haushaltungen unterstützt. Die Verteilung erfolgt kommende Woche.»
Franziska Cavelti ist Co-Präsidentin des WWF St.Gallen. Auf den ersten Blick kann das kaum für Aufregung sorgen: Es ist üblich, dass Organisationen Kandidierende aus ihren Reihen unterstützen. Nur: Der WWF tut das laut eigenen Richtlinien ganz bewusst nicht. Er will parteipolitisch unabhängig bleiben. Selbst bei langjährigen Mitgliedern oder Leuten, die sich im Vorstand engagieren, gibt es kein Geld. Das hält der Umweltverband in seiner Eigendarstellung ausdrücklich fest.
Es gibt Ausnahmefälle, zum Beispiel zweite Wahlgänge für Stände- oder Regierungsrat, dann also, wenn nur noch wenige Personen beteiligt sind und es um die Wurst geht. Und auch dann nur, «wenn die Umweltfreundlichkeit grosse Unterschiede zwischen den Kandidierenden aufweist.»
Ein Kantonsratswahlkampf und eine einzelne Kandidatin in einem bestimmten Wahlkreis fällt definitiv nicht unter diese Definition. Sprich: Der WWF St.Gallen, der von Mitgliederbeiträgen und Spenden lebt, könnte es in keiner Weise begründen, warum er seiner Co-Präsidentin finanziell zu einem Amt verhilft, wenn es so gewesen sein sollte. Mehr noch: Er darf es nach seinen eigenen Richtlinien gar nicht tun.
Anfang September konfrontiert der Journalist einer anderen Zeitung den WWF mit der Frage, ob es eine finanzielle Unterstützung für Franziska Cavelti im Wahlkampf gegeben habe. Die uns vorliegende Antwort aus der Zentrale der Umweltorganisation: «Der WWF SG hat keine Gelder an Kandidierende überwiesen.»
Wobei die Überweisung von Geld nicht die einzige Möglichkeit ist, Werbemittel mitzufinanzieren. Es ist beispielsweise auch denkbar, dass eine Organisation eine Rechnung direkt übernimmt. Dann fliesst kein Geld zur Kandidatin, der Effekt ist aber derselbe. Von «Die Ostschweiz» angesprochen, sagt Lukas Indermaur, Geschäftsführer des WWF St.Gallen: «Es wurden auch keine Fremdrechnungen bezahlt.»
Kein Geld an Kandidierende, keine Fremdrechnungen übernommen: Was meinte die heutige Kantonsrätin, als sie von Unterstützung sprach?
Sicher ist: Der WWF, und das macht der Verband auch transparent, ist durchaus politisch aktiv. Und investiert dafür auch Geld. Dabei verweist er stets auf das Umweltrating, bei dem Kandidierende auf umweltpolitische Fragen abgeklopft und dann «benotet» werden. Dieses Projekt wird unter anderem vom WWF mitfinanziert, Greenpeace, Pro Natura und andere sind auch mit dabei. Es geht nicht um die Unterstützung einzelner Kandidaturen, sondern um Transparenz möglichst vieler Kandidaturen zu Umweltthemen.
Aber gleichzeitig steht fest: Es gibt durchaus eine Kasse, also auch ein Budget, für politische Arbeit.
Die Kandidatin und heutige Kantonsrätin Franziska Cavelti selbst bezieht sich bei der Unterstützung des WWF, die sie mehrfach bestätigt hat, in einem Mail auf ein «globales Budget für politische Arbeit», über das der WWF verfüge. Was sie als Co-Präsidentin natürlich wissen muss. Mit diesem würden «verschiedene WWF-nahe Kandidierende unterstützt.»
Das wäre bereits gegen die Grundsätze des WWF, dessen Co-Präsidentin sie ist. Zudem: Wer sind diese «WWF-nahen Kandidierenden», welche Kriterien müssen sie erfüllen? Wie kommt es, dass beispielsweise kein einziges Mitglied der Fraktion der Grünen im Kantonsparlament aus diesem «Globalbudget» in irgendeiner Weise unterstützt wurde, auch nicht, wenn sie Mitglied des WWF sind? Das jedenfalls bestätigt Fraktionspräsident Meinrad Gschwend in einem weiteren Mailaustausch.
Aus irgendeinem Grund scheint man beim WWF stattdessen den Narren an den Grünliberalen gefressen zu haben. Denn WWF-Co-Präsidentin Franziska Cavelti ist auch auf einem Mailing zu finden, das ganz offiziell vom WWF St.Gallen kam - zusammen mit Reto Schmid, im Frühjahr Kantonsratskandidat für die GLP im Wahlkreis St.Gallen. Und auch er sitzt wenig überraschend im Vorstand des WWF St.Gallen.
Um welche Summe es bei der Unterstützung im Fall von Franziska Cavelti gegangen sein soll, ist offen, davon spricht die inzwischen gewählte Kantonsrätin im Austausch, der uns vorliegt, nicht konkret. Sie liege aber «deutlich unter den Empfehlungen der GLP von 10'000 Franken» für Wahlspenden. Auch so lässt sich das Ganze halbwegs kalkulieren. Bei der Gestaltung und dem Druck eines Flyers braucht jemand, der eine Druckerei betreibt, kaum Hilfe, es entstehen einfach interne Kosten. Aber die postalische Haushaltsverteilung allein dürfte laut aktuellen Zahlen in der Verteilregion mit zwischen 5000 und 6000 Franken zu Buche schlagen.
Es gibt also eine Bestätigung der Jonschwiler Kantonsrätin, dass sie - auf welchem Kanal auch immer - Unterstützung für einen persönlichen Wahlflyer vom WWF erhalten hat. Der WWF St.Gallen wiederum sagt, er habe weder Geld überwiesen noch Rechnungen bezahlt. Was stimmt denn nun? Gab es eine Unterstützungsform, nach der niemand konkret gefragt hat und die deshalb nicht dementiert wurde?
Wäre dem so, läge jedenfalls die Schlussfolgerung nahe, dass es für den WWF in den eigenen Reihen Kandidierende verschiedener Klassen gibt. Obschon alle brav den Mitgliederbeitrag bezahlen. Im Vorstand zu sitzen scheint jedenfalls nicht zu schaden.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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