Vierte Gewalt, unverzichtbar in einer demokratischen Gesellschaft? Kontrolle, Analyse, Einordnung, Aufklärung. So lassen die Medien-Clans säuseln. Wie eine Prostituierte den Freier liebt. Während es ihr nur ums Geld geht.
Der war gut. Pietro Supino macht sich öffentlich Gedanken um seine Zukunft: «Die Politik ist gefordert, die Pressefreiheit zu bewahren». Nach harten internen Debatten kam die Redaktionsleitung von Tamedia zur Auffassung, dass sie ausnahmsweise ihrem Chef erlauben will, sich ins Monopolblatt zu ergiessen. Sonst könnte sich der noch, wie die Tamedia-Frauen, über unerträgliche Diskriminierung beschweren.
Dabei ist doch alles auf gutem Weg. Noch ein kleines Hin und Her, dann ist das neue «Mediengesetz» im Parlament durch. Dabei ist das gar kein Mediengesetz. Es ist ein «der Steuerzahler zahlt, die Medien-Clans kassieren»-Gesetz. Dabei ist es nicht ein «ein bisschen mehr Unterstützung»-Gesetz, sondern ein «mittelfristig eine Milliarde Steuergelder verrösten»-Gesetz.
Wofür? Na, Dummerchen, so wie die Landwirtschaft dringend nötig ist und deswegen bis über beide Ohren des Bäuerchen subventioniert werden muss, ist die Vierte Gewalt doch auch nötig. Unabdingbar, wie die Verleger so gerne sagen. Unverzichtbar, wie sie so gerne säuseln. Gefährdet, wie sie dann drohend hinzufügen.
Schauen wir uns das doch mal genauer an. Es gibt im Medienkuchen zwei lustige Ausnahmen. Die NZZ und den Staatsfunk; Pardon, die mit Zwangsgebühren finanzierte SRG. Ansonsten gehört der Medienmarkt Schweiz vier Clans. Lebrument, Wanner, Coninx und Ringier heissen die. Coninx und Ringier lassen die Gelddruckmaschinen schon länger laufen, deshalb sind sie Milliardäre. Lebrument und Wanner sind im Vergleich Newcomer, also sind sie nur Multimillionäre.
Allen gemeinsam ist, dass sie die Rolex im Schrank lassen, das massgeschneiderte Jackett weglegen, aus dem Rolls, dem Aston Martin aussteigen, den Privatjet stehen lassen, auch die Yacht verlassen, die Kunstsammlung zusperren, der neue Golfplatz in Singapur bleibt auch unbespielt. Denn es geht um Wichtigeres. Um Geld natürlich.
Denn so ein Lebensstil will finanziert sein, die Clans werden nicht kleiner, die Ansprüche auch nicht. Es gibt immer wieder einen neuen Aston Martin, und wenn die längere Yacht zur kürzeren wird, meiner Treu, das kann sogar zu Erektionsproblemen führen.
Also stellten sich die Clans mit dem Hut in der Hand wie Wegelagerer in den Weg der Politiker und bettelten und jammerten und seufzten. Sie seien zwar unabdingbar, aber höchst gefährdet. Sozusagen eine aussterbende Spezies. Ein Opfer des Klimawandels. Rettung, Hilfe, sofort. Bitte. Kurzarbeitsunterstützung, Billigkredite, schon vorhandene Millionensubventionen, Sonderbehandlung bei der Mehrwertsteuer: schon, aber das reicht doch nicht.
Der Chor zerriss sich die Kleider, streute Asche überall hin, blinzelte dann aber unter der Blindenbrille hervor, um zu sehen, ob der Wink mit dem Zaumpfahl genützt hatte. Denn jeder Politiker braucht Multiplikatoren, eine Plattform. Findet nur statt, wenn irgendwo steht oder gesendet wird: Max Muster kündet einen parlamentarischen Vorstoss an, Petra Musterli fordert rückhaltlose Aufklärung. Alles für die Bürger da draussen im Lande.
Es soll Freier geben, die der Nutte glauben, dass es ihr noch niemals jemand so besorgt habe. Es soll Deppen geben, die der Prostituierten glauben, dass sie es aus Liebe tue, aber leider, leider, die Miete müsse halt bezahlt werden. Die Verleger-Clans haben zumindest die Parlamentarier glauben lassen, dass es ihnen um die Pressefreiheit, Wächterfunktion, um die Rettung der Demokratie gehe. Das glauben ja auch ein paar tausend «Republik»-Verleger.
Dabei geht es denen nur ums Portemonnaie. Das eigene. Weil sie – und ihre Managerclique – zu blöd sind, sich etwas Sinnvolles zum Internet einfallen zu lassen. Weil sie stattdessen mit offenen Mündern zuschauen, wie Google, Facebook & Co. ihnen die Butter vom Online-Werbebrot nehmen. Weil sie unfähig sind, ein normales Geschäftsmodell aufrecht zu erhalten: wir bieten eine Dienstleistung, eine Ware an, die wird kostendeckend bezahlt.
Die Wahrheit ist: die Clans verdienen sich weiterhin krumm. Auch, indem sie das Angebot zum Skelett runtersparen, alles kleiner machen, ausser die Profitrate. Weil sie überall Kohle abstauben, wo sie nur können. Aber dagegen hat sich nun – wie zu erwarten war – ein Referendumskomitee gebildet, dem scheint’s auch der Chefredaktor dieser Postille hier angehört. In vorauseilendem Gehorsam (er hat mich wirklich nicht genötig, das hier zu schreiben), erkläre ich mich solidarisch mit dem Anliegen, den Steuerzahler darüber abstimmen zu lassen, ob er mit Steuergeldern die unfähigen Medien-Clans unterstützen will.
Was spräche eigentlich dagegen, liebe Clans, statt zu jammern mal so symbolisch eine Million, ein Milliönchen aus dem eigenen Sack in die absaufenden Medienangebote zu stecken? Oder gar zehn? Was spräche eigentlich dagegen, das eigene Gehalt nicht als sakrosankt zu sehen? So wie Nathalie Wappler keine Relation zwischen Einkommen und Leistung sieht, so seht Ihr das auch? Von Supino abwärts?
Den Gürtel enger schnallen, aber nur bei den anderen? Die sprudelnden Geldquellen zudem nur auf die eigenen Mühlen lenken, nicht auf Gratis- und Herzblutangebote wie «Die Ostschweiz» (oder ZACKBUM.ch))? Das wollen wir doch mal sehen.
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.
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