Nach der Ablehnung des Projekts «Stadtraum» in Rapperswil-Jona liegt nun eine Analyse des Resultats vor. Diese zeigt klar: Die Mehrheit der Bürger will zuerst einen Stadttunnel, um das Verkehrschaos zu entflechten. Eine Vorlage darüber soll bis 2023 abstimmungsreif sein.
Laut der repräsentativen Nachanalyse des gfs.bern zum abgelehnten Strassenprojekt «Stadtraum Neue Jonastrasse – St. Gallerstrasse» scheiterte die Vorlage an verschiedenen Faktoren. Das schreibt die Stadtkanzlei Rapperswil-Jona in einer Mitteilung. Nicht ein einzelnes Argument führte demnach zur Ablehnung, sondern eine breite Palette an Argumenten.
Die wichtigsten Gründe gegen die Vorlage lassen sich mit den Stichworten «zu teuer, nicht effektiv und zuerst der Tunnel» zusammenfassen. Gestützt auf die Nachanalyse legt der Stadtrat nun das Schwergewicht der Verkehrsplanung auf die Projektierung der Verkehrsentlastung Stadttunnel und die Überarbeitung des Gesamtverkehrskonzepts.
An der repräsentativen Umfrage, die der Stadtrat in Auftrag gab, nahmen vom 9. bis am 20. Dezember 2019 1002 Stimmberechtigte der Stadt teil. Das gfs.bern fasst die Erkenntnisse der Nachanalyse in Form von fünf Thesen wie folgt zusammen:
Grundsätzlich hätte eine politische Vorlage im Bereich Verkehrsplanung gute Chancen an der Urne. Die Stimmberechtigten von Rapperswil-Jona sehen beim Verkehrsaufkommen mit grosser Mehrheit ein Problem. Primärer Kritikpunkt an der gegenwärtig als schlecht beurteilten Verkehrssituation ist ganz klar der Durchgangsverkehr.
Auf der Ebene einzelner Gesellschaftsgruppen scheiterte die Vorlage auch daran, dass regierungskritische Personen besonders mobilisiert waren und gleichzeitig fast geschlossen Nein stimmten.
Auf der argumentativen Ebene scheiterte die Vorlage an einer Kombination aus Kritik am Preis, der Kritik an der Verbreiterung der Strasse samt damit zusammenhängendem zusätzlichem Landbedarf.
Zudem wünschen sich die Stimmbürger zuerst weitere Schritte rund um den Stadttunnel. Nicht nur ist eine klare Mehrheit der Stimmbürger dieser Ansicht. Es ist ausserdem auch dasjenige Element, welches die Bürger am häufigsten von sich aus zur Sprache bringen, wenn sie gefragt werden, was sich bei einem allfälligen neuen Projekt ändern muss.
Eine Mehrheit der Stimmberechtigten will einen neuen Anlauf zur Neugestaltung des Strassenraumes. Aber die Stimmbürgerschaft wünscht sich dafür spezifische Änderungen. Neben der häufigsten Forderung nach Vorziehen des Stadttunnel-Entscheides sind dies: Eine weitergehende Berücksichtigung des Langsamverkehrs (Velo, Fussgänger), ein besseres Kosten-Nutzen Verhältnis und eine stärkere Einbindung des Volkes bei der Planung.
Der Stadtrat zieht aus der Analyse verschiedene Schlussfolgerungen. «Trotz der klaren Ablehnung wünscht sich eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen Stimmbürger eine Neuauflage der Stadtraum-Vorlage. Für den Stadtrat ist aber klar, dasskleine Anpassungen an der Vorlage nicht für eine Mehrheit genügen würden, und dass das bestehende Projekt ad acta zu legen ist», heisst es dazu. Eine allfällige neue Lösung müsse grundsätzlich überdacht werden. Dabei sei aufgrund der gfs-Umfrage noch unklar, in welche Richtung ein zukünftiges Strassenprojekt abzielen soll, zumal einige der meistgenannten Änderungswünsche nicht miteinander vereinbar sind oder sich sogar widersprechen.
Für den Stadtrat auch im Hinblick auf weitere Projekte bemerkenswert sei die Erkenntnis, dass die Fragen der Stadtentwicklung und Stadtraumgestaltung in der Abstimmung eine klar nebensächliche Rolle gespielt haben. Auch die Bedürfnisse des öffentlichen Verkehrs spielten eine eher untergeordnete Rolle. Vorläufig offen bleibe die Frage, ob diese Themen auch bei anderen Verkehrs- und Strassenprojekten so wenig Bedeutung beigemessen wird.
Aufgrund der Ergebnisse der Nachanalyse nehme der Stadtrat zur Kenntnis, dass zwei Drittel der Stimmberechtigten den Durchgangsverkehr als hauptsächlichstes Verkehrsproblem in der Stadt beurteilen und die restlichen Themen als kaum bedeutend gewichtet werden. In dieses Bild passe der Befund, dass mehr als 20 Prozent der Stimmberechtigten finden, es soll jetzt zuerst über den Stadttunnel entschieden sein, bevor den Bürgerinnen und Bürgern weitere, für die Stadtentwicklung bedeutende Infrastrukturprojekte, zur Entscheidfindung vorgelegt werden.
Der Stadtrat schreibt: «Diese Haltungen decken sich mit der langfristigen Mobilitätsstrategie des Stadtrates zur Verkehrsentlastung mit dem Stadttunnel Mitte, aber nach der Ablehnung des Projektes 'Stadtraum Neue Jonastrasse – St. Gallerstrasse' nicht mehr mit den mittelfristig beabsichtigten Massnahmen.» Daher sei der Stadtrat überzeugt, dass nebst der Aufnahme der Projektierungsarbeiten zum Stadttunnel auch der bestehende Masterplan Siedlung und Verkehr (Gesamtverkehrsoptimierung GVO, 2003) überarbeitet werden muss.
Das aktualisierte Gesamtverkehrskonzept (GVK) nehme die Verkehrsentlastung mittels Stadttunnel Mitte auf und definiere die anzupassende mittelfristige Mobilitätsstrategie. Es sei auch Teil der notwendigen Ortsplanungsrevision. Das Gesamtverkehrskonzept (GVO) werde der Bevölkerung «in geeigneter Form präsentiert» und anschliessend im Rahmen der Mobilitätsstudie des gfs.bern überprüft. Die Mobilitätsstudie des gfs.bern vergleicht verschiedene Schweizer Städte mit unterschiedlicher Grösse und liefert wertvolle Hinweise auf die Bedürfnisse und Prioritäten der Bevölkerung in Verkehrsfragen. Ergänzend dazu kann im Rahmen der Mobilitätsstudie ein Meinungsbild der Bevölkerung zum Gesamtverkehrskonzept ermittelt werden.
Ziel von Kanton und Stadt sei es, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Rapperswil-Jona im Jahre 2023 eine entscheidungsreife Stadttunnelvorlage zur Abstimmung bringen zu können.
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