Autor/in
Remo Daguati
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.
Entwicklung der Stadt St.Gallen
Die öffentliche Verwaltung als Krake: Es lebe der Baumeister...
Derzeit sind alle im Banne eines Virus, das sich in Windeseile verbreitet. Die SP veranstaltet sogar eine Wahlkampfveranstaltung, die sich der Ausbreitung des Virus in unserer Stadt widmet. Doch das Virus lähmt seit Jahren die Entwicklung der Zentrumsfunktion von St.Gallen.
Remo Daguati
Publiziert am 09. Februar 2020
Die Stadt St.Gallen aus der Vogelperspektive.
St.Gallen wächst im Jobbereich nur noch im öffentlichen Sektor (Grafik unten: graue Balken). Dafür verschwinden – trotz HSG – ausgerechnet Jobs bei den Unternehmensdienstleistungen (hellblaue Balken). Unternehmensdienstleistungen bringen neue Wertschöpfung und benötigen bestens erschlossene Büroflächen in Bahnhofsnähe. Doch in St.Gallen sind diese bereits vom Staat besetzt: Bibliothek, Rathaus, Fachhochschule, Uni, Lokremise, Spanisches Klubhaus. Auch der Kanton führt seine Verwaltung an bester Lage. Das Bürogebäude «Union» in Fussdistanz zum Hauptbahnhof soll künftig öffentlich für eine neue Bibliothek genutzt werden.
Wie eine Krake frisst sich die öffentliche Verwaltung ins Herz des Hauptbahnhof-Quartiers. Die SP will nun mit der Bevölkerung über die Nutzung der kantonalen und städtischen Bauten diskutieren. Daraus soll gemäss Mitteilung im besten Fall eine Immobilienstrategie entstehen, genannt «Stadtstrategie 2024». Die Bewahrung des Überhangs an öffentlichen Nutzungen im Zentrum unserer Metropolitanregion könnte bei den Genossinnen und Genossen kalkül sein. Denn die Gebäude ziehen schliesslich Stammwählende nach, welche Mehrheiten schaffen.
Dass eine solche einseitige Entwicklung nicht zwingend ist, zeigten die Planungen rund um den "Bahnhof Nord" St.Gallen im Jahre 2016. In einer beispielhaften Testplanung unter Einbezug aller Interessengruppen hatte der Stadtrat der einseitigen Entwicklung in vorbildlicher Weise Gegensteuer geben wollen. Nebst der Stärkung öffentlicher Freiräume wäre auch Platz für neue Jobs im Bereich Unternehmensdienstleistungen geschaffen worden. Öffentliche wie wirtschaftliche Interessen schienen austariert.
Der Kantonsbaumeister Werner Binotto machte all diese Pläne zunichte, als er Anfang Januar 2017 kategorisch ausschloss, dass im Bahnhof Nord private und öffentliche Nutzungen kombiniert werden. Es schien ihm egal zu sein, dass solche Mischnutzungen bei bahnhofnahen Arealen in Schweizer Städten zum guten Ton gehören. Doch anstatt den Baumeister in den Senkel zu stellen, wurden die Abklärungen seither auf Eis gelegt.
Nun zeichnet sich doch noch eine glückliche Wende ab. Ende März 2020 tritt Werner Binotto vorzeitig in den Ruhestand. Dies bietet bald die Möglichkeit, mit seiner Nachfolge die Planung rund um den Bahnhof Nord wieder aufzunehmen. Denn St.Gallen kann sich die einseitige Entwicklung zu einem noch grösseren Verwaltungscluster nicht mehr leisten. Öffentliche Funktionen sind wichtig, aber nur in einer gesunden Relation zur Entwicklung bei den privaten Arbeitsplätzen. Wissensbasierte Jobs der Privatwirtschaft schaffen langfristig neues, zusätzliches Steuersubstrat. Dies wird bei einer schonungslosen Analyse zur Stadtstrategie hoffentlich auch der SP einleuchten. Werner Binotto hat es leider nicht kapiert.
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Remo Daguati
Remo Daguati (*1975) betreut als unabhängiger Berater Standortförderungen sowie Arealentwicklungen im In- wie Ausland. Daneben wirkt er als Geschäftsführer des HEV Kanton und Stadt St.Gallen. Er ist zudem Mitglied (FDP) des Stadtparlaments St.Gallen.