Kaum eine Newcomerin hat so gute Chancen, ins Kantonsparlament einzuziehen, wie die Rheintalerin Claudia Graf. Das hat wenig mit ihrer politischenLeistung zu tun, sondern damit, dass sie die Brauerei Sonnenbräu leitet. Für die FDP ist die Kandidatur ein Glücksfall - aber vielleicht nicht für alle.
Gerüchte hatte es bereits vor den Wahlen vor vier Jahren gegeben. Claudia Graf, die damals 28-jährige Rebsteinerin, wolle in den Kantonsrat. Zu finden war sie auf der FDP-Liste dann aber nicht. Das führte zu grossem Aufatmen. Aber nicht bei den politischen Gegnern, sondern bei einigen anderen Kandidaten. Denn sie wussten: Ist Graf auf der Liste, wird es für den Rest schwierig.
Der Grund: Claudia Graf führt in bereits fünfter Generation die Brauerei Sonnenbräu, die eigentliche Hausbrauerei des Rheintals. Hier ist das Unternehmen eine Institution - und das Bier auch. Seit 2007 gibt es sogar einen «Sonnenbräu Fanclub». Und der ist unglaubliche 4800 Mitglieder stark. In einem Wahlkreis, in dem je nach Konstellation wenige hundert Stimmen den Ausschlag geben können, ist das eine wahre Hausmacht.
Nun, am 8. März 2020, will es die Braumeisterin aus Rebstein doch wissen. Sie steht auf dem fünften Listenplatz der FDP, hinter den drei Bisherigen, die doppelt geführt werden und einem anderen neuen Kandidaten. Gelänge es der Rheintaler FDP, einen vierten Sitz zu gewinnen, wäre Graf mit einiger Sicherheit gesetzt. Davon ist mit Blick auf die jüngsten Wahlresultate im Kanton nicht auszugehen. Sie müsste also bei Besitzstandwahrung einen Bisherigen überrunden, und sollte die FDP einen Sitz verlieren, gar zwei von ihnen. Der Gemüsebauer Stefan Britschgi sitzt fest im Sattel, hinter ihm folgen der Oberrieter Gemeindepräsident Rolf Huber und der Anwalt Alexander Bartl.
Offiziell will niemand parteiintern von einer Konkurrenzsituation sprechen, überall heisst es, man freue sich über den Coup, die im Rheintal populäre Brauerin als Kandidatin gewonnen zu haben. Und dass sie als Stimmenfängerin viel bewirken wird, darüber sind sich alle einig. Nötig ist das vor allem, weil sich auf der FDP-Liste - neben zwei oder drei Ausnahmen - eine Reihe von ziemlich unbekannten Namen findet, die der Gesamtliste kaum besonders viel bringen. Mit 14 Anwärtern konnte die FDP ihre Liste auch nicht füllen, 17 Kandidaturen wären möglich gewesen.
Unterm Strich dürfte Claudia Graf der FDP Rheintal hilfreich sein, um den Stand zu halten. Ohne die Stimmen, die sie generieren dürfte, würde der Partei wohl Ungemach bevorstehen. Darüberhinaus wird es spannend sein zu beobachten, ob sie einen Bisherigen überrundet.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.