Am 17. November wird über einen neuen Autobahnanschluss in der Region Goldach/Rorschach abgestimmt. Verschiedene Berichte kommen zum Schluss, dass nicht die Bestvariante zur Abstimmung kommt. Kreise in Goldach lasten der Gemeindeführung an, dass diese nicht gut genug verhandelt hat.
Ein SP-Kantonsrat an der Seite eines CVP-Mannes: Dieses Bild bot sich im Abstimmungskampf um den Autobahnanschluss mit Kantonsstrasse im Gebiet Goldach/Rorschach mehrfach. Ideologien sind hier nicht entscheidend, das Projekt ruft Befürworter und Gegner aus allen Lagern auf den Plan. Dazu gehört eine Gruppe aus Goldach, bei der auch Gewerbetreibende mit dabei sind. Diesen wird meist eine Nähe zum Auto und zu neuen Strassen unterstellt; hier sieht es anders aus, die Gruppe bekämpft die Vorlage.
Der Goldacher Unternehmer Reto Peterhans fungiert als Sprecher der Gruppierung - und er stellt klar, dass er nichts gegen einen Ausbau des Strassennetzes in der Region hat. «Die meisten von uns sind privat oder geschäftlich auf das Auto angewiesen und wollen dem Individualverkehr seine berechtigte Funktion erhalten», sagt Peterhans. Nur eben nicht in der vorliegenden Form.
Die Goldacher stören sich aktuell vor allem daran, dass es Alternativen zu der Variante gegeben hätte, die am 17. November zur Abstimmung kommt. Peterhans spricht von einem «Goldacher Eigentor». Zwei Berichte, die der Gruppe jetzt bekannt geworden sind, würden das deutlich machen. Neu sind die Berichte keineswegs, sie stammen aus dem Jahr 2015 und wurden von einem privaten Planungsunternehmen zuhanden des St.Galler Tiefbauamts erstellt. Es geht darin um die «Ergänzung und Würdigung Variantenbeurteilung».
«Die beiden Berichte zeigen glasklar, dass die Goldacher Verhandlungsführer bei der politischen Bestimmung der Anschlussvariante komplett versagten und die langfristigen Interessen der Goldacher schlicht vergassen, nicht erkannten oder nicht durchsetzen konnten», sagt Peterhans. Er bezieht sich auf mehrere Aussagen in dem Papier. So heisst es unter anderem: «Dabei zeigte sich, dass die Variante 2 (Sulzberg) aufgrund der Beurteilung mit Nistra am besten abschneidet.» Bei Nistra handelt es sich um die Nachhaltigkeits-Indikatoren für Strasseninfrastrukturprojekte.
Gleichzeitig wird festgehalten, dass diese Lösung «verschiedene kritische Elemente aufweise», die mit diesem Indikator zu wenig berücksichtigt werden können. Ohnehin ist das Papier voll von diversen Kriterien, die für die eine oder andere Variante sprechen; entscheidend war schliesslich, welche Kriterien wie stark gewichtet wurde. Und offensichtlich veränderte sich dieser Gewichtungskatalog im Lauf der Zeit mehrfach.
Kanton und Gemeinden entschieden sich später für die Variante Witen, die heute zur Debatte steht. Das Planungsbüro schreibt, vor allem die Stadt Rorschach baue in ihren städtebaulichen Projekten «konsequent auf diese Variante auf». Das Bundesamt für Strassen (Astra) äusserte dennoch später die Kritik, dass es sich nicht um die Bestvariante handle.
Es gibt eine Reihe weiterer Feststellungen im Bericht, die zumindest suggerieren, dass eine Variante gewählt wurde, von der in erster Linie Rorschach profitiert. Dort seien die stärkeren Verhandlungsführer mit dabei gewesen, kritisiert die Goldacher Gruppe, während sich die Gemeinde Goldach stattdessen führen liess - zu ihrem Nachteil. Dies zum Teil noch unter der alten politischen Führung.
Auf der Basis dieses Berichts und der Einschätzung des Astra wäre es aus Sicht der Goldacher Projektgegner möglich gewesen, dass die Gemeinde auf diese Variante besteht, weil sie dabei sogar das Bundesamt für Strassen und private Planer hinter sich gewusst hätte. Die Variante Sulzberg wäre «aus Goldacher Sicht die vorteilhafteste» gewesen, schreiben die Gegner die Vorlage. Die Gemeinde hätte sich aus ihrer Sicht - wenn sie sich nicht für die Sulzberg-Variante stark machen wollte- zumindest für ein Projekt aussprechen müssen, das für Goldach «verträglich und langfristig weniger schädlich» gewesen wäre. Peterhans meint damit, dass der Hohraintunnel aus dem Projekt wesentlich länger und überbaubar gestaltet hätte werden können.
Der erwähnte Tunnel ist eine Schlüsselstelle im Projekt. Denn die Variante, die nun vorliegt, überbaut das Gebiet Hohrain mit einer Strasse, ein Gebiet, das punkto Lage und Aussicht prädestiniert wäre für schönen Wohnraum. Derzeit ist eine Überbauung aufgrund des Richtplans nicht möglich, allerdings weiss niemand, was die Zukunft bringt.
Überbauungen, die durch die Führung der neuen Strasse verunmöglicht werden, haben zwischen den beiden Lagern zu viel Ärger geführt. An einem Informationsanlass in Rorschach führte der frühere St.Galler Kantonsplaner Ueli Strauss, der heute selbständig beratend tätig ist, aus, dass das Projekt keinerlei neuen Wohnraum verhindere, da an den bewussten Stellen ohnehin keine neuen Wohnungen gebaut werden dürfen. Das formulierte er sehr umfassend, was bei vielen Zuhörern den Eindruck erweckte, sowohl im Hohrain wie auch im Rorschacherberg wäre das sowieso nicht möglich - also spräche das nicht gegen eine neue Strasse.
Die Gegner nahmen diese Aussage auf und kritisierten sie. Der Goldacher Gemeindepräsident Dominik Gemperle, einer der führenden Vertreter des Pro-Lagers, schoss danach in seinem privaten Blog scharf. Er sprach von «Streuung von falschen Informationen». Ueli Strauss habe mit seiner Aussage die Entwicklung der Gemeinde Rorschacherberg gemeint und nicht das Gebiet Hohrain. Die Behauptung der Gegner sei «Blödsinn».
Was so aber wohl nicht stimmt, sagen wiederum die Gegner. Ueli Strauss habe auf Anfrage zugegeben, dass er hier etwas pointiert formuliert habe. In einer Wortmeldung auf seiner Webseite räumte er ein, heute seien Neueinzonungen zwar Mangelware, «wie aber die Steuerung von Neueinzonungen in fernerer Zukunft erfolgt, entscheiden zukünftige Generationen.» Sprich: Dass am Hohrain, einer ausgesuchten (theoretischen) Wohnlage, für alle Ewigkeitkeiten kein Wohnraum entsteht, kann man heute noch nicht sagen.
Man sieht: Die Nerven liegen blank. Ganz besonders in Goldach, wo die Gegner unermüdlich sagen, ihre Gemeinde trage bei diesem Projekt sehr viele Lasten und profitiere wenig - was die Befürworter in Abrede stellen. Deutlich wird angesichts der neuen Opposition aber, dass die Vorlage alles andere als ein Selbstläufer ist.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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