In der ersten Welle haben wir mehr oder weniger brav das Einmaleins des Maskentragens gelernt. Jede(r) weiss, wo, wann und wie er sie tragen soll(te). Ab der jetzt beginnenden zweiten Welle müssen wir uns auf Dauer auf sie einstellen, denn Corona wird es wie Grippe noch sehr lange geben.
Also sollten wir ausser dem technischen Wissen auch lernen, wie wir Gesagtes mit grossenteils verdecktem Gesicht richtig und wirkungsvoll zum Gegenüber transportieren.
Den Menschen gibt es seit 3 Millionen Jahren. Eine Maske hat er nie dauerhaft gebraucht, vielleicht kurzzeitig zu rituellen Zwecken oder an Karneval.
Kommunikation war seit Urzeiten der Blick ins ganze Gesicht. Wir können instinktiv einschätzen, wie Augen, Nase, Mund und die Gestiken des gesamten Gesichts die Worte unterstützen. Der Grossteil unserer zwischenmenschlichen Kommunikation läuft unbewusst, also non-verbal:
Auf Gestik und Mimik entfallen 55% der Kommunikation, auf die Stimme 26% und nur 19% auf den mitgeteilten fachlichen Inhalt.
Grob gerechnet fällt mit Maske mindestens die Hälfte der non-verbalen Information weg. Dieser gewaltige Verlust destabilisiert unsere Corona-Kommunikation enorm. Kein Wunder, dass wir verunsichert sind.
Jeder kann mit kontrolliertem Verstärken der noch vorhandenen sichtbaren Teile einige der fehlenden Prozent-Anteile aufstocken. Dazu braucht es Wissen und den Willen, bewusst Mimik und Gestik zu verändern. Dies braucht Zeit und Geduld.
Nur so können wir unsere Kommunikation flüssiger und echter gestalten und uns so präsentieren, wie wir wirklich sind.
Gehen wir es an!
Mit Maske sieht man nur noch die Augenpartie, der Rest bleibt verdeckt. Als wichtigste Ergänzung zum Gesagten bleibt im Gesicht nur der Blickkontakt. Jeder Blick ist ohne die Mimik des ganzen Gesichtes schwer zu interpretieren.
Wir sind quasi wie Hunde ohne Schwänze und können wie sie nur bruchstückweise unsere Emotionen transportieren.
Wir werden schlechter verstanden und schlittern in manche Missverständnisse hinein. In diesem Fall müssen wir uns die Zeit nehmen und die Sache aufklären.
Ausserdem ist Blickkontakt kulturabhängig: Südländer blicken intensiver und Asiaten schauen sich möglichst wenig in die Augen.
Der historische Satz im Film «Casablanca»: «Schau mir in die Augen!» ist heute viel wichtiger, denn das mittlerweile wie eine Seuche grassierende Aufs-Handy-starren oder in Die-Weites-schauen, verhindert persönliche Kontakte.
Suchen Sie sich Ihre Variante, Menschen in die Augen zu schauen!
Und dann gibt es zusätzlich als sichtbare Signale die Augenbrauen und die Stirn. Sie sind der kleine Rest von automatischer Einschätzung des Gegenübers.
Jeder hat seine Vorstellungen, was etwa zusammengezogene Augenbrauen oder eine gerunzelte Stirn bedeuten können. Doch ohne das Gesamtbild des Gesichts können Missverständnissen entstehen. Auch hier gilt: im Zweifelsfall nachfragen.
Tipp: beobachten Sie sich im Spiegel oder Handy und stellen Sie sich die drei häufigsten Basis-Emotionen vor: Begeisterung, Zweifel, Ablehnung.
Sichern Sie sich ab, wie Sie Augenbrauen und Stirn einsetzen und ob die Infos an Ihr Gegenüber klar und genügend deutlich ankommen. Machen Sie sich dabei nicht zum Clown und lassen Sie nur die Stärken zu, die Ihnen entsprechen. Ein verständnisvoller Partner kann dabei hilfreich sein, kurze Handy-Sequenzen ebenfalls.
Dann folgt die schwierige Stufe des bewussten Einsatzes in der Realität. Im Idealfall erreichen Sie durch zahlreiche Wiederholungen eine «Automatisierung» Ihrer neuen verstärkten Mimik oberhalb der Augen.
Der Kopf als Ganzes kann eine Verständigung unterstützen.
Bisher haben wir es unbewusst und nebenbei gemacht, nun sollten die Bewegungen intensiver werden. Sie werden bei sich und dem Angesprochenen positiveres Verstehen erleben:
Ja = Kopfnicken
Nein = Kopfschütteln
Zweifel = Kopf drehen
Ihre Test-Kopfbewegungen:
Hast du morgen frei? Ja.
Weiss der Chef davon? Nein.
Wird er es erfahren? Vielleicht.
Es gibt zwei negative Beispiele von Kopfbewegungen, die sie am besten nie anwenden:
Kopf senken im Gespräch = Desinteresse,
Kopf nach hinten halten = Überheblichkeit.
In Corona-Zeiten wirken sie besonders stark.
Auch hier gilt: Finden Sie Ihre persönliche Intensität der Bewegungen. Ein wenig mehr als vor Corona sollte es schon sein.
Hände und Arme haben Sie immer schon automatisch parallel zu den Aussagen bewegt. Jetzt müssen sie alle ausgefallenen Emotionen der fehlenden unteren Gesichtshälfte ergänzen.
Werden Sie zum Italiener, der von Natur aus mehr Gestik im Blut hat und manchmal für uns Mitteleuropäer zu viel gestikuliert. Jetzt zählt er zu den Gewinnern der Kommunikation!
Der Tipp: Werden Sie ein Stück italienischer!
Die Anwendungen:
Halten Sie die Hände grundsätzlich höher als bisher, sie müssen sichtbarer sein als zuvor. Am wirkungsvollsten sind sie auf Höhe des Halses und ersetzen dort den fehlenden Blick auf den Mund.
Geben Sie kulturelle Reduktionen auf und bewegen Sie Hände und Arme intensiver.
Auch hier: Finden Sie Ihre Glaubwürdigkeit!
Hände haben Finger. Diese können damit ganze Geschichten erzählen:
Es gibt u.a. den Droh-Finger, den ausgestreckten Zeigefinger, die gezeigte Verstärkung von Zahlen («nein, es sind 4 und nicht 3!», die Drehbewegung als Zeichen der Unsicherheit («Ist sie Italienerin oder nicht?»), das Hin-und Her-Flattern ( «mehr oder weniger») und viele spontane Ergänzungen.
Und wenn Sie beide Hände gemeinsam «sprechen lassen», wird das Verstehen nochmals erleichtert.
Und vergessen Sie nicht die elegante Begrüssung aus der Distanz: rechte Hand hoch und ausgestreckt kurz verharren. So haben schon die Indianer bestätigt, dass sie mit guten Absichten kommen.
Der Testsatz: «Sie kam von links, ich zeigte auf die rote Ampel, nein, sie sah sie nicht. Dann krachte es heftig, doch sie glaubte, dass sie nicht schuld sei.»
Ihr Merksatz: Spielen Sie dauernd Polizist: «Hände hoch!»
Die Sprechtechnik leidet stark, denn die Maske verschluckt je nach Dichte bis zu 50%. Vokale (a,u,o) werden eher durchgelassen als Konsonanten (t,s,r). Es kann zu Peinlichkeiten kommen, wenn in einem wichtigen Augenblick z.B. «Ich liebe dich» gesagt wird, streicht man die Konsonanten, dann bleiben nur «i» übrig, im ungünstigsten Fall interpretierbar als «igitt, igitt.»
Beim Sprechen fühlen wir uns unwohl, weil alles Gewohnte nicht mehr wie vor Corona funktioniert:
Wie laut sollte man sprechen?
Deutlich lauter als bisher, je nach Maskendichte.
Bei Übertreibungen kann es zu laut werden, man kommt in die Nähe des Schreiens. Dann flattert die Maske, Aerosole jagen hinaus, man provoziert ungewollt noch mehr Abstand und verfehlt die Wirkung dessen, was man vorher ruhiger gesprochen hätte.
Tipp: Testen Sie die richtige Lautstärke mit einem Partner aus, er wird mit Ihnen austüfteln, wann Sie am überzeugendsten klingen. Und seien Sie nicht enttäuscht: Nicht nur Ihre Stimme wird durch die Maske verändert, es betrifft jeden.
Ihr Testsatz: «Hallo, hallo! Kannst du mich so verstehen, dass es positiv klingt?»
Wie schnell sollte man sprechen?
Die Maske «frisst» das Gesagte zum Teil weg, die Verständigung wird auch bei höherer Lautstärke schlechter, also muss langsamer gesprochen werden. Das sind wir nicht gewohnt – doch Sie müssen es lernen!
Es geht nur über die ständige Wiederholung des Anwendungstipps: «Ich spreche l a n g s a m e r.» Nach wenigen Tagen werden Sie diesen Satz nicht mehr brauchen, weil sie sich automatisch adaptiert haben.
Gibt es Unterschiede zwischen der Verstehbarkeit mit Maske bei Frauen und Männern?
Ja, leider sind Frauen im Nachteil: Ihre höheren Sprech-Frequenzen werden mehr durch die Maske geschluckt als die tieferen der Männer.
Es gibt nur einen weitaus schwierigeren Ausweg: Frauen müssen noch lauter reden und versuchen (!), ein wenig tiefer zu agieren.
Ihr Fazit zum Umsetzen dieser Infos:
Sie haben im Griff oder wollen Veränderungen umsetzen:
Blickkontakt
Augenbrauen und Stirn
Kopf
Hände und Arme
Sprechtechnik
Viel Erfolg! Sie machen sich damit besser «corona-gen».
Wie sieht es mit diesen Tipps bei Jugendlichen aus?
Die meisten gehören zur Generation «WhatsApp».
Sie kommunizieren unglaublich viel elektronisch von Bildschirm zu Bildschirm. Der herkömmliche zwischenmenschliche Kontakt ist bei ihnen verkümmert. Sie gleichen corona-bedingte Veränderungen leichter aus als Erwachsene.
Sprachlautstärke zum Beispiel lösen sie mit näherem Kontakt des Handys an den Mund.
Ihr Problempunkt kommt, wenn sie diese Illusion verlassen müssen und ins Berufsleben einsteigen. Dann müssen sie doppelt lernen: echte zwischenmenschliche Beziehungen vor und in Corona-Zeiten. Das wird für Ausbilder und Auszubildende schwierig.
Wie lernen Kinder die neuen Veränderungen?
Die Fantasie der Eltern ist gefragt.
Kinder müssen langsam herangeführt werden, für sie ist nicht nur die Sicherheit wichtig, sie wollen uns Erwachsene auch verstehen in Corona-Zeiten. Und das geht am besten über spielerische Elemente. Beispiel: auch das Lieblingstier bekommt eine Maske aufgesetzt und das Kind erzählt ihm ein Erlebnis.
Der Teddy mit der Stimme etwa des Vaters, wird ihm langsam und wiederholend die wichtigen Veränderungen bei Corona erklären. Eine hochkreative Aufgabe.
Vielen Dank für Ihre hoffnungsvolle Geduld! Sie werden es schaffen, so wie wir Corona schaffen werden!
Der Autor bietet ein interaktives Seminar an:
«In 1,5 Stunden zur guten Kommunikation mit Maske».
Wolf Buchinger (*1943) studierte an der Universität Saarbrücken Germanistik und Geografie. Er arbeitete 25 Jahre als Sekundarlehrer in St. Gallen und im Pestalozzidorf Trogen. Seit 1994 ist er als Coach und Kommunikationstrainer im Management tätig. Sein literarisches Werk umfasst Kurzgeschichten, Gedichte, Romane, Fachbücher und Theaterstücke. Er wohnt in Erlen (TG).
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