Was sich in den vergangenen Wochen und Tagen beim Bundesligaclub Union Berlin, dem Tabellenletzten, abgespielt hat, ist in der Welt des Fussballs einzigartig. Obwohl Union Niederlage an Niederlage reihte, standen der Club, die Fans eisern zu Trainer Urs Fischer.
Doch am vergangenen Montag befand er selber, dass es sich richtig anfühle, wenn jetzt eine Veränderung passiere. Das passt ganz gut zu Urs Fischer, der einst als Aktiver auch beim FC St.Gallen gespielt hat. Erinnerungen an einen Spieler, der schon zu Espenmoos-Zeiten wie ein Trainer dachte.
Als der FC St.Gallen vor der Saison 1987/88 bekanntgab, dass Urs Fischer vom FC Zürich zum Ostschweizer NLA-Club wechsle, war die Meinung unter den FCSG-Anhängern schnell gemacht. Dieser «arrogante Zürcher», tat der eine oder andere Anhänger des Clubs damals lautstark kund, habe im ehrwürdigen Espenmoos rein gar nichts zu suchen. Acht Jahre und 243 Spiele später war er «einer von ihnen». Sie hatten den Fussballer, aber vor allem auch den Menschen Urs Fischer kennengelernt. Ein Mensch, dem Werte wie Anstand und Ehrlichkeit wichtig sind.
Der Fussballer Urs Fischer
Da war der Fussballer Urs Fischer, der sich für nichts zu schade war. Als er 1995 zu seinem Stammverein FC Zürich zurückkehrte, hielt er einmal in einem Resümee schmunzelnd fest: «In der Meisterschaft habe ich auf jeder Position mindestens einmal gespielt.» Je nach Trainer spielte er im Mittelfeld, in der Verteidigung oder als Libero, den es damals noch gab. Und weil er auf dem Platz ein «Chrampfer» war, konnte sich auch die St.Galler Anhängerschaft schnell mit ihm anfreunden.
Urs Fischer war mit dabei, als das Espenmoos die begeisternden Zamorano-Zeiten erlebte. Wobei er das selber hin und wieder nicht als «begeisternd» empfand. Urs Fischer, der schon als Spieler wie ein Trainer dachte und damit dem einen oder anderen Vorgesetzten Kopfzerbrechen bereitete, ärgerte sich über den chilenischen «Freigeist» Hugo Rubio, der sich meist nicht an die Vorgaben (heute: Matchplan) hielt. Als Rubio nach einem Angriff wieder einmal für sich entschied, vorne stehen zu bleiben und nicht zurückzulaufen, die Mannschaft dadurch in der Defensive in Schwierigkeiten geriet, hatte Fischer genug. Er lief schnurstracks nach vorne und stellte den Chilenen ganz ordentlich in den Senkel. Das war Urs Fischer, der Leitwolf, der Antreiber.
Der Mensch Urs Fischer
Wer Urs Fischer zu jenen St.Galler Zeiten kennenlernte, stellte schnell fest, welch feiner Mensch er ist. Das Jahr 1993 sagt so viel über ihn aus. In jenem Jahr stieg der FC St.Gallen in die NLB ab. Es gab Spieler, die nach dem Abstieg schon fast eidesstattlich versicherten, sie würden beim Club bleiben, um tags darauf ihren Transfer zu einem NLA-Club zu verkünden. Nicht so Urs Fischer. Trotz Abstieg blieb Urs Fischer.
Obwohl der Verein damals mit grossen finanziellen Problemen zu kämpfen hatte und die Spieler Lohnkürzungen hinnehmen mussten, blieb Urs Fischer beim FC St.Gallen. Mit Blick auf jene Zeit (1993) beim FC St.Gallen hat er einmal gesagt: «Wenn man ein paar Franken weniger verdient, dafür aber ein Umfeld hat, in dem man sich wohl fühlt, macht das viel aus.»
Markus Scherrer war langjähriger Sportjournalist, unter anderem für die ehemalige Tageszeitung «Die Ostschweiz». Er ist heute Kommunikationsbeauftragter der Gemeinde Flawil
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