Das Thurgauer Schloss Sonnenberg ist nicht als Ausflugsziel, sondern als ewige Baustelle bekannt. Unser Autor Gottlieb F. Höpli beantragt nun beim Denkmalschutz: Seid konsequent und macht aus dem Baukran gleich ein offiziell festgehaltenes Kulturgut. Hier sein – ab sofort offener – Brief.
Antrag: Schutz des Wahrzeichens auf Schloss Sonnenberg
An: Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau und den Regierungsrat des Kantons Thurgau
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Kind in Wängi mit dem täglichen Blick auf Schloss Sonnenberg aufgewachsen und meiner Heimat (Bürgerort Tuttwil) bis heute verbunden, beantrage ich hiermit, alles in die Wege zu leiten, um den dortigen Baukran als integrales und weithin sichtbares Wahrzeichen des im Kulturgüterinventar unter KGS-DS Nr 5174 aufgeführten Objekts Schloss Sonnenberg zu inventarisieren (dafür kann ja gleichzeitig, da anscheinend obsolet, die heutige Nutzung als «Restaurant Schloss» gestrichen werden).
Begründung: Der das Schloss hoch überragende Baukran hat sich in den vergangenen bald anderthalb Dezennien zum Wahrzeichen von Schloss Sonnenberg entwickelt, ähnlich etwa dem grossen Antennenmast auf dem Säntis. Erwähnenswert wären in diesem Zusammenhang auch die Bauhütten als Annexbauten der während Jahrhunderten immer weiter gebauten und restaurierten grossen Sakralbauten Europas wie Notre-Dame in Paris oder dem Strassburger Münster, die integralen Denkmalschutz geniessen.
Moderner Denkmal- und Kulturgüterschutz wertet bekanntlich die Entstehungsstufen eines schützenswerten Objekts nicht mehr nach historischem Alter (je älter, desto wertvoller) oder nach aktuell gerade herrschenden ästhetischen Normen. Er ist vielmehr bestrebt, «identitätsstiftende Objekte für die nachfolgenden Generationen zu erhalten». Und zwar eben integral! Der markante, weithin sichtbare Baukran ist für die heute Lebenden unbestreitbar zu einem identitätsstiftenden Teil des Schlosses Sonnenberg geworden, der nicht mehr wegzudenken ist. Auch wenn zurzeit keine akute Gefahr besteht, dass der Baukran in den kommenden 10-20 Jahren verschwinden könnte, ist eine Unterschutzstellung auf längere Sicht trotzdem geboten. Gouverner, c’est prévoir!
Sollten sich die zuständigen Behörden und insbesondere der Thurgauer Regierungsrat dieser Sichtweise nicht anschliessen können, sollte mein Antrag zur Unterschutzstellung also abgelehnt werden, müsste dies zwingend bedeuten, dass der Baukran nicht als schützenswert, ja, wie nicht wenige kritische Stimmen erklären, sogar als Schandfleck des historisch einmaligen Ensembles Schloss Sonnenberg zu beurteilen ist. In diesem Fall ist logischerweise zu erwarten, dass Sie sich saisongemäss Asche aufs Haupt streuen und sich für eine rasche Entfernung des Krans einsetzen. Gerne würde ich in diesem Fall erfahren, innert welchen Zeitraums eine solchen Entfernung bzw. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu erwarten ist.
In Erwartung Ihrer Antwort und mit freundlichen exilthurgauischen Grüssen
Gottlieb F. Höpli, Teufen
Gottlieb F. Höpli (* 1943) wuchs auf einem Bauernhof in Wängi (TG) auf. A-Matur an der Kantonssschule Frauenfeld. Studien der Germanistik, Publizistik und Sozialwissenschaften in Zürich und Berlin, Liz.arbeit über den Theaterkritiker Alfred Kerr.
1968-78 journalistische Lehr- und Wanderjahre für Schweizer und deutsche Blätter (u.a. Thurgauer Zeitung, St.Galler Tagblatt) und das Schweizer Fernsehen. 1978-1994 Inlandredaktor NZZ; 1994-2009 Chefredaktor St.Galler Tagblatt. Bücher u.a.: Heute kein Fussball … und andere Tagblatt-Texte gegen den Strom; wohnt in Teufen AR.
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