Die neuen Audiomobile der Suva sind derzeit unterwegs in der Region St. Gallen. Die Audiomobil-Teams besuchen Betriebe mit hoher Lärmbelastung und testen das Gehör der Mitarbeitenden. Wichtig ist die Prävention laut SUVA vor allem bei unter 40-Jährigen. Eine Expertin sagt warum.
Ihre Route führt sie zu Betrieben, deren Mitarbeitenden einer besonders hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Schreinerinnen oder Metallbauer. Die Mitarbeitenden solcher Betriebe werden von der Suva aufgeboten, um im Audiomobil ihr Gehör zu testen. Dabei wird auch kontrolliert, ob die Angestellten ihren Gehörschutz korrekt einsetzen, und die Experten und Expertinnen der Suva vermitteln ihnen Tipps im Umgang mit Lärmbelastung.
Die neuen Audiomobile der Suva bieten dazu besonders gut Hand: Neu können beispielsweise Gehörtests mit eingesetztem Gehörschutz durchgeführt werden. So testen die Fachpersonen der Suva, ob der Gehörschutz richtig getragen wird und wirklich seine volle Wirkung entfaltet. Den Arbeitnehmenden kann zudem durch Visualisierungen der Daten des Gehörtests auf einfache Weise aufgezeigt werden, wie gut ihr Gehör funktioniert und ob es Handlungsbedarf gibt.
Getestet werden vor allem jüngere und neue Mitarbeitende. Bei Mitarbeitenden unter 40 Jahren ist die Gehörschadenprävention nämlich besonders wichtig, da sich Gehörschäden vor allem in den ersten Berufsjahren erfolgreich verhindern lassen. Eine Schwerhörigkeit aufgrund von Lärm entwickelt sich zu grossen Teilen bereits in den ersten zehn Jahren der Exposition.
Claudia Pletscher, Chefärztin Arbeitsmedizin bei der Suva, erklärt im Interview warum die Suva neue Audiomobile bauen liess und warum seit 2017 nur noch Personen bis zum 40. Lebensjahr untersucht werden:
Claudia Pletscher, warum musste die Suva neue Audiomobile bauen lassen?
Unsere Audiomobile waren zwischen 20 und 30 Jahre alt. Was die Fahrzeuge betrifft, war der Unterhalt mittlerweile unverhältnismässig teuer. Teilweise fanden wir kaum noch Ersatzteile. Hinzu kam der hohe Treibstoffverbrauch. Bei den eigentlichen Audiometrie-Geräten war die ganze Technik veraltet und die eingebaute Informatik war ebenfalls am Lebensende und machte uns immer mehr Probleme. Bei jedem Update waren wir unsicher, ob danach noch alles funktioniert.
Was ändert sich mit den neuen Mobilen für die Kunden?
Wir können den Hörtest jetzt mit eingesetztem Gehörschutz machen. So können wir kontrollieren und dem Arbeitnehmenden visuell darstellen, ob er den Schutz korrekt im Ohr eingesetzt hat. Denn nur wer ihn richtig trägt, ist tatsächlich geschützt.
Wer hat eigentlich Anrecht auf ein Untersuchung im Audiomobil?
Wer regelmässig einem Lärmpegel von über 85 Dezibel ausgesetzt ist, hat Anrecht auf eine Untersuchung im Audiomobil. Oder besser gesagt: Diese Arbeitnehmenden müssen zur Untersuchung kommen. Die Suva ist vom Gesetz her beauftragt, Betriebe mit bestimmten Risiken der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu unterstellen. Ziel ist die Verhütung von Berufskrankheiten. Dazu gehört auch die Vermeidung von Gehörschäden. Das Akustik-Team der Abteilung Gesundheitsschutz der Suva überprüft den Lärmpegel an den Arbeitsplätzen in den lärmbetroffenen Betrieben. Die Informationen über den Lärmpegel an bestimmten Arbeitsplätzen sind in den sogenannten Schallpegeltabellen enthalten und für den Arbeitgeber einsehbar.
Warum untersucht die Suva seit 2017 nur noch Personen bis zum 40. Lebensjahr?
Eigentlich geht es nicht um das 40. Altersjahr. Es geht darum, in den ersten Berufsjahren einen Gehörschaden zu verhindern. Die Lärmschwerhörigkeit erreicht bereits in den ersten zehn Jahren der Exposition drei Viertel ihres Endwerts. Sie entwickelt sich rasch und verflacht dann über die Jahre, während der altersbedingte Hörverlust kontinuierlich zunimmt (siehe Grafik). Daher haben Arbeitnehmende in den ersten 20 Berufsjahren in einem lärmbetroffenen Betrieb Anrecht auf den Gehörtest. Ältere, aber neueintretende Arbeitnehmende bieten wir nach wie vor für den Test im Audiomobil auf.
Das heisst, irgendwann ist es einfach zu spät für das Gehör?
Wir können den berufsbedingten Hörverlust beeinflussen, aber nicht den altersbedingten. Für die Prävention bedeutet das, dass die Gehörvorsorgeuntersuchungen vor allem in den ersten Jahren der Lärmexposition sinnvoll sind. Später wird nur noch der unaufhaltsame Hörverlust des Alters registriert.
Welche Vorteile bringt diese Anpassung für den Kunden?
Durch diese Altersbegrenzung können wir häufiger bei den Betrieben sein, da wir weniger Leute untersuchen müssen. Das Untersuchungsintervall verkürzt sich von fünf auf drei Jahre. Wir erreichen so die jungen Arbeitnehmenden in kürzeren Abständen und können sie entsprechend sensibilisieren und informieren.
Manche Kunden sind wegen der Altersbegrenzung sehr irritiert.
Das kann ich nachvollziehen. Es wird als Verlust empfunden, wenn man nicht mehr getestet wird. Vor allem, wenn man es über lange Zeit anders gewohnt war. Wir müssen erklären, dass nach 20 Jahren Lärmbelastung das Tal erreicht ist. Denn unser Auftrag ist es, Berufskrankheiten zu verhindern. Wir müssen also schauen, wo das höchste Risiko ist und wo wir die grösste Wirkung erzielen können.
Kann die Suva den Kunden etwas anbieten, wenn diese ihre über 40-jährigen Mitarbeitenden dennoch testen lassen wollen?
Der Kunde kann das Modul «Gehörschutz-Check» bei uns auf der Webseite bestellen . Mit dem Laptop und der mitgelieferten Software kann er den Gehörtest selber im Betrieb durchführen. Mit dem Modul lässt sich auch testen, ob die Mitarbeitenden den Gehörschutz richtig einsetzen.
Wie sieht eine Untersuchung im Audiomobil konkret aus?
Bei der eigentlichen Untersuchung spielen wir dem Arbeitnehmenden über einen Kopfhörer Töne in verschiedenen Frequenzen ab, die er dann quittieren muss. Anhand dieser Daten erstellen wir eine Vergleichskurve zu früheren Untersuchungen oder zeigen auf, wo die Gehörleistung im Vergleich zu gleichalterigen liegt. Ausserdem zeigen wir im Audiomobil einen Erklärfilm zum Einsatz des Gehörschutzes und wir führen ein ausführliches Gespräch mit dem Arbeitnehmenden. Er muss uns auch zeigen, wie er den Gehörschutz einsetzt.
Erfährt der Betrieb die Ergebnisse des Tests?
Der Betrieb erhält eine Meldung, dass die Untersuchung stattfand und eine Zusammenfassung der Daten aller Untersuchten. Er bekommt aber keine medizinischen Daten von Einzelpersonen. Der Datenschutz ist immer gewährleistet. Denn letztlich geht es um den Schutz des einzelnen Arbeitnehmenden, nicht um die Suva oder den Chef.
Kann man sich als Betrieb selber zum Gehörtest melden?
Grundsätzlich wissen wir, in welchen Betrieben wir vorbeigehen müssen. Wenn aber ein Betrieb das Gefühl hat, bei ihm sei die Lärmbelastung hoch, zeigt ihm ein Blick auf die Schallpegeltabelle seiner Branche, bei welchen Tätigkeiten in seiner Branche nach Erfahrung unserer Akustiker die Gehöruntersuchungen nötig sind. Er kann auch selber messen: Eine Mail an akustik@suva.ch genügt, und wir stellen ihm kostenlos ein präzises Schallmessgerät für zehn Tage zur Verfügung.
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