Martina Hügi (Foto: Mira Andres)
Martina Hügi ist Comedienne und Poetry-Slammerin aus Tägerwilen. Mit wie viel Humor ging die 35-Jährige durch das nicht einfache Corona-Jahr.
«Corona» war das dominierende Thema im vergangenen Jahr. Auf was können Sie in diesem Zusammenhang im positiven Sinne zurückblicken?
Es gab mehr, wenn auch erzwungene, Me-Time. Ich hatte vermehrt freie Abende.
Meine Wohnung ist dadurch auch gemütlicher geworden. Seit ich mehr dort bin, habe ich in flauschige Decken, gemütliches Licht und selbstgemachtes Essen investiert. Und ich hab fleissig meine Frustrationstoleranz trainiert.
Womit hatten Sie im Zusammenhang mit «Corona» am meisten zu kämpfen? Was hat Sie bedrückt?
Am schwierigsten finde ich den emotionalen Abstand. In meinem Umkreis gibt es Menschen in der Risikogruppe, wir wollen uns trotz allem gerne treffen und da kommen Ängste, jemanden anzustecken und mich dann plötzlich mit düsteren Fragen konfrontiert zu sehen, wie: «Bringe ich mein Mami um, wenn ich sie jetzt sehe?» Ebenso empfinde ich die finanzielle Unterstützung weniger als Not und mehr als dürftig. Auch das Verständnis von Bühnenkunst als einen Beruf zu sehen, ist nicht gross gestiegen. Gratis zu arbeiten mit der einzigen Perspektive «Es isch doch e tolli Plattform» gibt mir – ähnlich wie in den Branchen Gesundheit, Ausgang und Gastronomie – keine finanzielle Absicherung. Und NATÜRLICH macht es mir Spass! Gopf! Die wenigsten wählen Berufe, die sie hassen.
Bleiben wir beim Positiven: Was wird Ihnen rückblickend auf das Jahr 2020 in sehr guter Erinnerung bleiben? Gab es allenfalls einen entscheidenden Meilenstein in Ihrem Berufs- oder Privatleben?
Anfangs Jahr durfte ich für das SRF Comedy Team «Zwei am Morge» anfangen, als Autorin zu arbeiten. Dies hat auch meinen Blick auf Themen und die Herangehensweise an Texte bereichernd verändert. Am meisten werde ich mich wohl ans gemeinsame Kochen und Backen mit dem Freund erinnern. Das Beste daran: Egal, wie es rausgekommen ist, er isst einfach alles. Durch die gezwungenen Pausen und damit verbundenen Adrenalin-Aussetzer habe ich erst gemerkt, unter wie viel Anspannung ich sonst stecke und habe immer wieder die Muse entdecken können. Zum Beispiel habe ich angefangen Armkettchen zu basteln mit Buchstaben. Meine bescheidene Eigen-Kollektion besteht nun aus «schnuuufe» «gönn dir» oder «hu kärs» (Who cares). Und ich dachte immer, mit Ungewissheit kann ich schlecht umgehen. Dieses Jahr zeigte mir, wie flexibel und anpassungsfähig ich bin und trotz vielen Makeln (es menschelet au bi mir) immer wieder Zuversicht tanken kann.
Martina Hügi (Foto: Mira Andres)
Welche drei Persönlichkeiten haben für Sie das Jahr 2020 positiv geprägt?
Mich begeistern immer wieder die Menschen in meinem Umfeld, wie sie ganz persönlich Hürden meistern und mich mit ihrer positiven Art anstecken.
Woran denken Sie umgehend, wenn Sie sich mit der «Planung» des Jahres 2021 befassen?
Dass ich keinen Plan habe. Das ist vielleicht zurzeit der beste Plan.
Gibt es darüber hinaus etwas, was Sie nächstes Jahr unbedingt in Angriff nehmen möchten?
Mehr Muse (nicht Mousse)! Eigentlich will ich schon lange mehr von weniger und öfters entspannen können. Arbeit ziehe ich irgendwie magnetisch an, da bleibt immer so wenig Freizeit und Genuss am Ende, dass ich mir das wirklich (jetzt aber würkli) zu Herzen nehmen will. Vielleicht.
Abschliessend ein paar entweder/oder-Fragen. Den Übergang ins neue Jahr feiern oder im Bett verbringen?
Vielleicht beides zusammen. Aber ich finde Silvester generell überbewertet. Das Neue findet immer wieder statt, ich feiere lieber eigene Anfänge und gemeisterte Hürden, wenn sie gerade geschehen.
Das Jahr 2021 mit klaren Vorsätzen starten oder alles auf sich zukommen lassen?
Das zweite. Mein Vorsatz: Keinen Vorsatz. Ich starte ein Jahr grundsätzlich nicht mit Vorsätzen, sondern nehme mir Vorsätze, wenn’s grad passt. Dann muss auch niemand wissen, wenn ich mal wieder daran scheitere.
Die Sommerferien 2021 wenn möglich im Ausland verbringen oder hier in der Schweiz?
Oje! Du könntest mich das vermutlich auch noch im Juni fragen und ich hätte immer noch keinen blassen Schimmer.
Martina Hügi (Foto: Mira Andres)
Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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