Die Digitalisierung erfasst die Baubranche. Das wurde am Forum «Digitales Bauen» von Bühler+Scherler in St.Gallen deutlich. Fachleute und Investoren liessen sich in die Gebäudeplanung von morgen einführen.
Die Referenten von Bühler+Scherler, einem führenden Unternehmen für Elektroplanung und Gebäudeautomation mit Hauptsitz in St.Gallen, liessen am Forum «Digitales Bauen» Ende Oktober in St.Gallen keinen Zweifel offen: Das Zukunfts-Zauberwort in der Baubranche heisst Building Information Modeling (BIM), oder zu Deutsch Gebäudedatenmodellierung. Geschäftsführer Thomas Bischofberger sieht darin grosse Chancen und spricht von einer eigentlichen Digitalisierungswelle. Er setzt deshalb nebst erfahrenen Berufsleuten bewusst auf junge Nachwuchskräfte, mit denen er auf der Digitalisierungswelle mitreiten will. Er ist sich bewusst: «Wir werden sicher viel lernen, üben, uns kontinuierlich verbessern, Mut zur Veränderung haben, Ungewohntes probieren, Arbeitsweisen hinterfragen und ‹spielen› müssen.» Die Digitalisierung werde die Berufsbilder der Zukunft völlig verändern. Er sei aber überzeugt, dass es dadurch nicht weniger Arbeitsplätze geben werde. Und er habe «die Hoffnung, dass wir im Bau geordnetere Abläufe haben werden».
Investitionen in Millionenhöhe
Oliver Werren als Leiter der Elektroplanung konkretisierte die Chancen und ging auf Entwicklungsprojekte ein. Er brachte einen wichtigen Bestandteil der Geschäftsstrategie von Bühler+Scherler auf den Punkt: «Wir bauen digital.» Bis Ende 2020 sei ein Entwicklungsbudget in Millionenhöhe gesprochen worden. Der Kundennutzen stehe im Mittelpunkt der Bemühungen: «Ziel sind bessere sowie effizientere Lösungen mit Blick auf den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie.» Das bedeute, dass bereits bei der Planung bedacht werde, was für die Erstellung, den Betrieb und einen allfälligen Rückbau eines Gebäudes berücksichtigt werden muss. Dazu entwickle Bühler+Scherler gegenwärtig einen Projektkonfigurator: «Das kennen wir aus der Automobilindustrie. Sie macht es möglich, ein Auto einfach im Internet zu konfigurieren. Entsprechend soll es auch in der Baubranche zu einem Erlebnis werden, ein Gebäude zu konfigurieren.» Werren erklärte, was er sich davon für Wohnüberbauungen und industrielle Bauten verspricht. Man könne vorausschauend bauen und dem Konfliktpotenzial auf dem Bau vorbeugen: «Wir können cleverer bauen und Kosten sparen.» Er stellte in Aussicht, dass der Projektkonfigurator noch dieses Jahr im ersten Kundenprojekt zum Einsatz kommen wird.
Ersatzbestellung einplanen
Marc Fontanive gab einen vertieften Einblick in die Praxis und sein Spezialgebiet des digitalen Bauens. Der Projektleiter Elektroplanung betonte, dass BIM die Zusammenarbeit und den Datenaustausch zwischen allen Akteuren über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks unterstütze. «Heute sind wir noch zu 50 Prozent der Zeit beschäftigt, Dokumente abzuschreiben und aufeinander abzustimmen. Wenn wir mit BIM arbeiten, haben wir nur ein Datenmodell. Dort können wir alle Informationen abrufen – egal ob Architekt, Planer, Statiker, Handwerker oder Hauswart. Fontanive zeigte auf, wie mit einem 3-D-Laserscanner Daten von Räumen digitalisiert werden können und dass damit eine virtuelle Welt geschaffen wird: «Man kann alles auf dem Bildschirm wirklichkeitsgetreu anschauen und erleben. BIM geht aber viel weiter und ermöglicht es, nebst 2D- und 3D-Plänen auch alle wesentlichen Kommentare in einer Datenbank zu hinterlegen.» Anschaulich wurde dies am Beispiel einer Deckenleuchte in einer Brandschutzdecke mit Brandmelder: Die Anforderungen sind komplex und im Verlauf eines Immobilien-Lebenszyklus sind viele Beteiligte mit den unterschiedlichsten Interessen froh, auf die Daten zurückgreifen zu können: «Man kann die Leuchten sogar so im Plan hinterlegen, dass die spätere Ersatzbestellung automatisiert wird.»
Der Mensch bleibt zentral
Fontanive betonte aber, dass der menschliche Aspekt immer noch wesentlich sei. BIM sei «eine digitale Methode der Zusammenarbeit und die Möglichkeit, das Fachwissen verständlich und transparent weiterzugeben. Am liebsten würden wir mit allen Kunden digital zusammenarbeiten. Da müssen wir aber noch miteinander ins Gespräch kommen», räumte Fontanive ein. Es sei aber schon eine grosser Mehrwert, dass BIM überhaupt thematisiert werde. Man könne dadurch Schemen aufbrechen und effektiver interdisziplinär zusammenarbeiten. Die Qualität der Planung werde besser, die Arbeit mache mehr Freude. Das Fundament der BIM-Geschichte blieben aber der Mensch und seine Fachkenntnisse, denn: «Die Leute müssen etwas vom Bau verstehen.»
Das neue Denken reicht
Die rege Fragerunde zeigte, wie sehr das Thema des digitalen Bauens die Fachleute beschäftigt. Was es denn dazu brauche, fragte ein Unternehmer. «Es reicht ein Computer mit einem Browser», sagte Fontanive und mutmasste, dass in wenigen Jahren selbst bei komplexen Systemen für Geschäftsprozesse nicht mehr über Schnittstellenprobleme diskutiert werden müsse. Einen Handwerker ermunterte er, dass nur schon seine Bereitschaft, digital zusammenarbeiten zu wollen, die halbe Miete sei: «Es fängt nicht mit der Software an, sondern mit dem neuen Denken.»
Roman Salzmann ist Inhaber und Geschäftsführer der salcom.biz in Bischofszell. Zuvor war er unter anderem Wirtschaftsredaktor und Kommunikationsleiter eines Konzerns. Heute betreut er für verschiedene Ostschweizer Unternehmen die Kommunikationsarbeit.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.