Das neue Jahr begann unter demselben Motto wie das alte endete: Frauen werden - wie immer - angeblich diskriminiert. Die bösen Täter diesmal: Textilreinigungsfachgeschäfte.
Das "Vergehen": Frauen müssen für das Reinigen einer Bluse gemäss einer Umfrage bei verschiedenen Textilreinigungsgeschäften im Durchschnitt deutlich tiefer ins Portemonnaie greifen als Männer für das Reinigen ihrer Hemden.
"Pink Tax" laute der Fachbegriff für dieses Phänomen, belehrt uns die linksliberale Presse - ganz so, als würden sich Unternehmen erdreisten, Steuervogt zu spielen und Frauen mit einer geschlechtsspezifischen Steuer belegen. Zwar handle es sich dabei um keine echte Steuer, wird konzediert - doch der Begriff (ob zutreffend oder nicht), beeinflusst eben das intuitive Verständnis: Einer Steuer steht keine konkrete Gegenleistung gegenüber. Ganz in diesem Sinne wird weiter ausgeführt: Frauen zahlten den "Aufschlag häufig bloss für die Aufmachung eines Produktes".
Diskriminierung? Üblicherweise werden auf einem freien Markt - und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es sich bei der kleingewerbliche Branche der Textilreinigungsfachgeschäfte nicht um einen solchen freien Markt handelt - allfällige Extraprofite ("Pink Tax") aus überhöhten Preisen umgehend durch die wirtschaftliche Konkurrenz eliminiert. Also nichts da von wegen "Diskriminierung".
Doch nehmen wir einmal an, dass auf dem Textilreinigungs-Markt - warum auch immer - keine freie Konkurrenz spiele und die "bösen" Unternehmen tatsächlich über eine gewisse Preissetzungsmacht verfügen, die sie auch voll ausnutzen: Was sagt uns das?
Zum Tango-Tanzen braucht es bekanntlich immer zwei. Um überhöhte Preise erfolgreich durchsetzen zu können, braucht es auf der anderen Seite auch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft: Ein Hungerleider hat schlicht und einfach nicht genügend Geld dafür, dass man ihn als Konsumenten erfolgreich "ausbeuten" könnte.
Zahlungsbereitschaft umfasst also nicht nur der Willen, höhere Preise zu berappen, sondern auch die Fähigkeit, es zu tun - setzt also eine entsprechende Zahlungsfähigkeit voraus.
Zwar zeigt die Diskriminierungshypothese auf die "bösen" Fachgeschäfte, impliziert mit ihrer Anschuldigung erfolgreich durchgesetzter überhöhter Preise aber zugleich, dass es Frauen ökonomisch derart gut geht, dass sie sich solche Preise auch leisten könn(t)en. Dies immerhin ist eine gute Nachricht - wenn auch von den Verfechtern der Diskriminierungshypothese wohl nicht so beabsichtigt. Und dass sich Frauen einen angeblich höheren Preis alleine für die "Aufmachung eines Produktes" verrechnen lassen, stellt der Intelligenz ihres Kaufverhaltens, gelinde gesagt, auch nicht gerade das beste Zeugnis aus. Ob die Kritikerinnen dies wohl ebenfalls bedacht haben?
Doch wie steht es um die Branche wirklich - und die Gleichberechtigung?
Die Textilreinigungsbranche ist eine ziemlich kleine Branche: Insgesamt umfasste sie im Jahr 2020 (dem letzten Jahr, für welches derzeit statistische Daten erhältlich sind) nur rund 2000 Beschäftigte - bzw. 1500 vollzeitäquivalente Stellen. Es ist auch eine Branche, wo die Beschäftigung trotz steigender Bevölkerungszahl kaum wächst.
Es handelt sich nicht bloss um eine eher kleine Branche, sondern um Kleingewerbe im eigentlichen Wortsinn: Ein Betrieb umfasst im statistischen Durchschnitt nur rund vier Mitarbeitende bzw. drei vollzeitäquivalente Stellen.
Was sagen uns die Zahlen weiter? Natürlich gibt es (wie in der Schweiz üblich) keine verfügbaren statistischen Daten zu den Besitzverhältnissen - ob also die rund 600 Geschäfte eher Männern oder Frauen gehören und wie hoch die durchschnittlichen Profite sind. Man kann aber davon ausgehen, dass man in dieser Branche kaum reich wird, weder als Lohnbezieher, noch als Besitzer, worauf auch die stagnierende Zahl der Beschäftigten hindeutet. Eine Internet-Recherche fördert zudem zutage, dass sich viele Textilreinigungsfachgeschäfte selbst als "Familienbetriebe" verstehen und bezeichnen.
Textilreinigung ist eine "Frauenbranche": Rund drei Viertel der Beschäftigen sind Frauen. Wenn hier also weiblichen Kunden von den "bösen" Geschäften "diskriminiert" werden, dann hauptsächlich von weiblichen Mitarbeitenden.
Natürlich: Angestellte sind nicht gleich Besitzer. Wer intellektuell im Zeitalter des Zigarren schmauchendem und Zylinder tragenden Kapitalisten des 19. Jahrhunderts steckengeblieben ist, geht selbstverständlich davon aus, dass die Firmeninhaber (sicher allesamt Männer!) ihre Finger nur beim Zählen ihres Profits bewegen.
Doch bekanntlich leben wir nicht mehr im 19. Jahrhundert und eine zeitgemässere Interpretation ist heute: Wer Vollzeit arbeitet, hat eher eine höhere Position inne und verdient tendenziell besser als Teilzeitangestellte.
Wie sieht es also diesbezüglich in der Branche aus? Männer kommen im langjährigen Durchschnitt auf einen durchschnittlichen Beschäftigungsgrad von knapp unter 80% und Frauen von ungefähr 75%. Also kaum ein Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Vergleicht man den relativen Beschäftigungsgrad von Frauen zu Männern aller Wirtschaftsbranchen der Schweiz, dann rangiert die Textilreinigungsbranche im Jahr 2020 auf dem guten 40. Rang aller erfassten 750 Branchen - und im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 gar auf dem 20. Rang oder in den Top 3% aller Branchen. Nur in sehr wenigen Branchen haben Frauen im Vergleich zu Männern somit einen noch höheren durchschnittlichen Beschäftigungsgrad.
Fazit: Die Branche "Textilreinigung", wie sie in der allgemeinen Systematik der Wirtschaftszweige heisst, ist zu einem grossen Teil in Frauenhand und Frauen und Männer legen ungefähr gleich intensiv Hand an.
Diese "böse" Branche, die Kundinnen angeblich schamlos ausbeutet, kann somit auf der Basis verfügbar statistischer Daten geradezu als Musterbeispiel für gelebte Gleichberechtigung gelten. Anstatt sich über angeblich überhöhte Preise für Frauen zu ärgern, müsste sich jede Feministin mit ökonomischem Sachverstand eigentlich über die Existenz einer solchen Branche freuen.
Aber vielleicht geht es ja gar nicht darum, dass die Reinigung von Frauenblusen zu teuer, sondern die Reinigung von Herrenhemden zu billig ist. Männer sollen heutzutage schliesslich auch im Haushalt mit anpacken. Da geht es natürlich nicht an, dass sie ihre Hemden einfach auswärts reinigen lassen. Wobei: Eigentlich wäre dies ja eine sehr elegante Art, wie man Auseinandersetzungen über die Aufteilung der Hausarbeit verhindern könnte. Denn gibt es gar keine Hausarbeit, muss man auch nicht über deren Aufteilung streiten. Aber vielleicht geht es beim "Streit" über die Erledigung der Hausarbeit letztlich gar nicht um die Hausarbeit an sich...
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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