logo

St.Galler Pionierversuch

E-Trottinett in der Stadt: Alles andere als ökologisch

Die Stadt St.Gallen hat eine Testphase mit 100 E-Trottinett - auch als E-Scooter bekannt - eingeläutet. Sie sollen eine valable Alternative zum Auto darstellen. Befragungen zeigen aber, dass das gar nicht der Fall ist. Und ökologisch sind die Gefährte in der Endabrechnung ohnehin nicht.

Stefan Millius am 03. August 2019

St.Gallen ist nicht die erste Stadt, die versucht, sich mit E-Trottinetts oder E-Scooters einen grünen Anstrich zu geben. In einem Pilotversuch sollen 100 dieser Elektrofahrzeuge im inneren Kreis der Stadt dazu verführen, ökologisch verantwortungsvoll unterwegs zu sein, statt auf das Auto zu setzen. Das passt zur demokratisch legitimierten Strategie, die Stadt vom Auto weg hin zu alternativen Verkehrsformen zu führen.

Nur: Was gut klingt, muss nicht gut sein. In Deutschland ist eine regelrechte E-Scooter-Welle in Städten in Gang. Und ausgerechnet die linke Tageszeitung «Taz» kommt nun zum Schluss, dass es nicht weit her ist mit Öko - und dass die E-Scooter schon gar keine Alternative zum Auto bilden. Dabei stützt sich die Zeitung auf entsprechende Untersuchungen.

Denn fast überall ist es das übergeordnete Ziel der Aktion, Autofahrer zum Umsteigen zu bewegen. Und Zahlen belegen, dass das nicht funktioniert. Die E-Fahrzeuge führen zu einem Ausbau an «Maschinisierung und Individualisierung» des städtischen Verkehrs, aber nicht zu einem Umstieg.

In einer aktuellen Umfrage unter über 4000 Leuten sagen 47 Prozent der Teilnehmer, dass sie zu Fuss gegangen wären, wenn kein E-Scooter zur Verfügung gestanden wäre. 3 Prozent wären gar nicht erst unterwegs gewesen. Und bescheidene 8 Prozent gaben an, dass sie das Auto benutzt hätten, wenn es den E-Scooter nicht gegeben hätte.  Und in dieser Zahl sind Optionen wie Taxi, Uber und Carsharing enthalten.

Dass der Autoverkehr dank E-Scooter oder E-Trottinett abnimmt, ist also nicht mehr als ein frommer Wunsch. In Wahrheit halten die Dinger die Leute eher davon ab, zu Fuss zu gehen. Das bedeutet: Die E-Gefährte tragen in der Endabrechnung eher zu einer negativen CO2-Bilanz bei, statt diese zu reduzieren.

Denn wie wir es schon von E-Autos kennen, ist die Schlussbilanz nicht unbedingt umweltfreundlich. Oft ausgeblendet wird die Produktion, die ebenfalls Emissionen zur Folge hat, vor allem bei den Batterien. Laut der Studie, welche die «Taz» anführt, werden die bewussten Batterien oft in ärmeren Ländern hergestellt, was zur Auswirkung hat, dass dort Umweltschäden entstehen für Leistungen, die wir dann in Industrienationen nutzen. Bekanntlich sind für die Herstellung der Batterien seltene Erden nötig, und abgebaut werden diese unter bedenklichen Bedingungen.

Auch der Einsatz hier vor Ort sei nicht unbedenklich. Da die E-Trottinetts im öffentlichen Raum stehen, sind Schäden häufig. Entweder durch Dritte oder auch durch die Benutzer, die bei einer Kurzzeitmiete keinen wirklichen Bezug zum Fahrzeug haben und es achtlos behandeln. Die Lebenszeit von E-Scootern, die in solchen Sharingmodellen genutzt werden, beträgt je nach Hersteller nur wenige Monate. Den Rekord hält ein Versuch in den USA mit einem Monat.

Und dass auch E-Scooter Energie benötigen, wird oft auch ausgeblendet. Bei einem der führenden Anbieter beträgt die Ladezeit satte sieben Stunden, um wieder voll funktionsfähig zu sein. Und der Strom muss ja auch irgendwo herkommen.

Die «Taz» spricht von einem «Ökokapitalismus», auch in Bezug auf das Personal, das für das Einsammeln und die Wartung der Fahrzeuge verantwortlich ist und das zumindest in Deutschland nicht gerade unter besten Bedingungen arbeitet. Wie das in St.Gallen gelöst wird, bleibt abzuwarten. Die linke Zeitung spricht von einem «grünen Anstrich», mit dem das Marktprinzip auf einen neuen Bereich ausgedehnt werde: Die Ökologie.

Andere Versuche mit öffentlich zur Verfügung gestellten Leih-Velos waren ein kurzzeitiger Hype, der schnell auf dem Boden der Realität landete. Das «Publibike» der Post ist hoch defizitär, nachdem es zu Beginn als das nächste grosse Ding gefeiert wird.

Ob den E-Trottinetts dasselbe Schicksal blüht, bleibt abzuwarten. Einige der mit der Einführung verknüpften Hoffnungen aber sind kaum haltbar. Mit Sicherheit nicht das des grossen Umstiegs vom Auto auf das E-Trottinett.

WERBUNG
Ostschweiz Newsletter

Highlights

Meinung zu Idee von Bundesparlamentskommission

Die angedachte «vorgezogene Retourengebühr» für den Online-Versandhandel ist ein ausgemachter Unsinn

am 03. Dez 2023
Reaktionen auf Bundesentscheid

Nach Bekanntgabe eines neuen Asylzentrums in Rehetobel: «Die Bevölkerung ist verunsichert»

am 01. Dez 2023
Interpellation der SVP

Hat die Wiler Schule Lindenhof ein Gewaltproblem?

am 05. Dez 2023
Pflege zu Hause

Spitex St.Gallen auf dem Weg in ruhigere Gewässer? Das ist der neue Verwaltungsrat - und so viele haben sich beworben

am 04. Dez 2023
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
St.Gallen wählt im Frühling

Regierungsratswahlen: Was bisher bekannt ist, und weshalb alle auf die SVP warten

am 05. Dez 2023
Martin Imboden

Herzstillstand: Gemeindepräsident von Wuppenau ist unerwartet verstorben

am 05. Dez 2023
Rettungsdienst umfährt Notfallzentrum

Happiger Vorwurf des Toggenburger Ärztevereins: «Kantonale Gesundheitspolitik gefährdet die Bevölkerung»

am 05. Dez 2023
Ostschweizer Energieversorgung

Energieversorgerin SAK setzt sich als erstes Schweizer Energieunternehmen Netto-Null-Ziel bis 2040: Die Antworten auf die wichtigsten Fragen

am 06. Dez 2023
Ana Krnjic trat in Investorenshow auf

Konnte diese Kosmetikherstellerin aus St.Gallen die «Löwen» überzeugen?

am 06. Dez 2023
Culinarium-Partnerbeitrag

Im Hoch dank Hochmoor Chäs: Wie die dritte und vierte Generation die Käserei Liechti weiterentwickelt

am 06. Dez 2023
Das etwas andere Stelleninserat

Erfolgreiche Kandidatensuche: Für einmal macht der Samichlaus in St.Gallen keine Überstunden

am 06. Dez 2023
Social-Media-Rundschau

Nach SRG-Kritik von Ueli Maurer twittert der St.Galler Kantonsrat Sandro Hess auf der grossen Bühne mit

am 01. Dez 2023
Spekulation über Verbindungen zu Fundamentalisten

Wiler Moschee sorgte einst für politischen Zündstoff

am 04. Dez 2023
Gedanken zu Freundlichkeit und Krieg

Psychiaterin Luise Reddemann: «Ich bitte Sie, werden Sie lauter und weisen Sie darauf hin, dass man ohne Krieg zu führen leben kann»

am 02. Dez 2023
Ostschweizer in Atacamawüste

Auf dem Weg zum Weltrekord: Wenn das Fahren, Putzen und Kochen kein Ende nehmen will

am 03. Dez 2023
Meinung

Sonderbares Demokratieverständnis der beiden SP-Bundesratskandidaten

am 07. Dez 2023
Besuch in St.Galler Tierarztpraxis

Wenn Dalmatiner Aramis sich auf Hautkrebs scannen lässt

am 07. Dez 2023
Schadstoffe in der Landwirtschaft

Trotz weniger Düngeüberschüsse sagt der St.Galler Bauernverband: «Die Landwirtschaft muss selbst zusätzliche Massnahmen ergreifen»

am 09. Dez 2023
Culinarium-Partnerbeitrag

Breitenmoser: Wo Appenzeller und St. Galler Klassiker Wurst sind

am 07. Dez 2023
Grosse Nachfrage nach Treffen

Wenn das Sammeln krankhaft wird: Selbsthilfegruppe für Messies in St.Gallen ist zurück

am 08. Dez 2023
Regierungsratswahlen 2024

Die SVP-Delegierten haben entschieden: Danuta Zemp und Christof Hartmann sollen in die St.Galler Regierung

am 07. Dez 2023
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.