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VBSG lehnen Werbeplakat ab

Ein Plakat für einen Videoblogger ist plötzlich «politische Werbung»

Der Thurgauer Videoblogger und Massnahmenkritiker Daniel Stricker wollte in den Bussen der St.Galler Verkehrsbetriebe (VBSG) für seinen Kanal werben. Die APG als Vermittlerin sah kein Problem, die VBSG schon. Die Suche nach Ablehnungsgründen verdient das Prädikat: Kreativ.

Stefan Millius am 21. April 2021

Zensur ist ein hässliches Wort. Dennoch wird sie immer salonfähiger. Das neueste Beispiel kommt aus der Stadt St.Gallen. Dort wollte Daniel Stricker, der unter stricker.tv tägliche Videobeiträge mit Kritik an den Coronamassnahmen publiziert, in der ersten Hälfte des Monats Mai für seinen Kanal werben. Und zwar in den Bussen der VBSG. Als Sujet vorgesehen war das hier:

VBSG Stricker

Dieses Sujet war bei der APG für die VBSG-Busse in Auftrag gegeben und zunächst akzeptiert worden.

Zugegebenermassen ein satirisch angehauchter Text, der Befürwortern der aktuellen Coronapolitik kaum gefallen dürfte. Aber ebenso sicher kein strafrechtlich relevanter Inhalt und keine rassistische oder sexistische Botschaft.

Die APG, die für die VBSG die Werbeflächen in den Bussen vermarktet, sah deshalb auch kein Problem, als Stricker die Kampagne in Auftrag gab, sie nahm das Ganze entgegen. Die 2308 Franken, die für die Laufzeit fällig wurden, überwies der Thurgauer sofort, gleichzeitig beauftragte er einen Printshop mit der Produktion der Kleinplakate.

Dann aber die Wende. Die APG teilte der Druckerei mit, dass es Probleme gebe mit dem Werbeauftrag. Nachdem jemand bei den VBSG interveniert hatte, solle sich nun sogar der Stadtrat mit der Angelegenheit beschäftigen. Ein Auszug aus dem E-Mail der APG:

VBSG Stricker

Der erste Austausch zwischen der APG und dem Printshop, der für Daniel Stricker das Werbeplakat umsetzen sollte.

Es ist eine ziemlich kuriose Botschaft. Wird ein Werbesujet abgelehnt, hat das meist eindeutige Gründe. Hier wurden gleich mal zwei mögliche Motive in den Raum geworfen – vermutlich sicherheitshalber. Die Sache mit der Alkoholwerbung kann man getrost unter «netter Versuch» abbuchen. Dass es sich bei diesem Plakat nicht um Werbung für das mexikanische Bier handelt, erkennt ein Blinder. 

Und vermutlich hat man das auch bei den VBSG schnell mal gemerkt. Deshalb schoss man sich auf Beweggrund 2 ein: Den angeblichen Zusammenhang mit dem Covid-19-Gesetz. Die VBSG lassen in ihren Fahrzeugen keine politische Werbung zu, damit sollte sich eine Ablehnung doch wohl begründen lassen? Und das war dann auch im weiteren Verlauf die offizielle Begründung, wie dieses E-Mail der VBSG zeigt:

VBSG Stricker

Später wurde die anstimmende Abstimmung über das Covid-19-Gesetz als offizielle Begründung verwendet.

Nur: Was hat die Werbung für einen Videokanal eines unabhängigen Journalisten mit politischer Werbung zu tun? Wo genau liegt der «Zusammenhang mit der Volksabstimmung»? Oder wie Daniel Stricker in seiner Sendung selbst ansprach: Wie soll ein tagesaktuelles Medium derzeit das Thema «Corona» völlig umgehen? Ist man automatisch in die kommende Abstimmung verstrickt, wenn man einfach über Corona berichtet? Wie könnten dann das «Tagblatt» oder «FM1today» jemals wieder in den Bussen der VBSG werben, wenn Medien ausgeschlossen sind, die Corona thematisieren, egal auf welche Weise?

Entscheidend muss allein sein, was sich auf dem Werbesujet findet und nicht die Hintergründe der Person, die es in Auftrag gibt. Das Plakat und der Slogan darauf gehen jedenfalls in keiner Art auf die Abstimmung vom Juni ein und empfehlen auch keinerlei Parole für diese. Das Covid-19-Gesetz ist schlicht kein Thema in dieser Kampagne. Dennoch lehnen die VBSG die Werbung unter Berufung auf diese Abstimmung ab.

Der Verdacht liegt nahe, dass die VBSG ganz einfach negative Reaktionen aus den Reihen der Passagiere befürchteten. Denn Daniel Stricker, da gibt es keinen Zweifel, polarisiert mit seiner unzimperlich formulierten Kritik an der Coronapolitik des Bundesrats. Entsprechend könnte es dem einen oder anderen Fahrgast sauer aufstossen, wenn er mit Strickers Kanal konfrontiert wird. Dieses Unwohlsein kann allerdings kaum als offizieller Grund für eine Ablehnung eines Werbemotivs dienen.

Aber es gab wohl auch keine andere Begründung, die besser gewesen wäre.  Der Grundsatz «keine politische Werbung» mit dem Verweis auf eine konkrete Abstimmung ist jedenfalls auch alles andere als schlüssig. Würde es Stricker darum gehen, auf die Initiative einzuwirken, wäre es wohl die misslungenste Kampagne aller Zeiten: Sogar eine Ja- oder Nein-Parole fehlt auf dem Sujet…

Daniel Stricker

Daniel Stricker bei einer Ausstrahlung von stricker.tv.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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