Richard Reinart, technischer Direktor der Schützengarten, bei der Degustation von Bieren aus dem «Brauwerk», dem neuen Lokal mit Kleinbrauerei beim Bahnhof St.Gallen.
Ein leicht gestiegener Gesamtumsatz, reissender Absatz bei den neuen Biermischgetränken und in naher Zukunft eher Konsolidierung als viele neue Produkte: Diese und weitere Informationen legte die St.Galler Brauerei Schützengarten an ihrer traditionellen Jahresmedienkonferenz vor.
Der Wein schwächelt in der Schweiz, das Bier hält sich konstant: So könnte man die Entwicklung der letzten Zeit umschreiben. Bier hat sich vom typischen Männergetränk am Feierabendstammtisch zu einem Kulturgut entwickelt. Das nicht zuletzt dank der zahllosen Kleinbrauereien, die tiefe Mengen, aber oft sehr originelle Spezialitäten kreieren. Bei Schützengarten, das liess die Führungsriege vor den Medien mehrmals durchblicken, hat man ganz und gar nichts gegen die Zwerge der Branche, im Gegenteil: «Die kleinen Brauereien tragen zum positiven Gesamtbild unserer Branche bei», sagt Reto Preisig, Vorsitzender der Geschäftsleitung.
Dabei ist diese Branche in den letzten 30 Jahren förmlich explodiert. Waren es um 1990 noch 30 Brauereien in der Schweiz, sind es heute über 1100. Und das Wachstum flacht nicht ab, allein in den letzten zwölf Monaten kamen rund 100 dazu. Mitgezählt werden Brauereien, die mindestens 400 Liter produzieren, daneben dürfte es viele Private oder Vereine geben, die im Keller an ihrem eigenen Gerstensaft herumpröbeln. Allerdings sind die 50 grossen Brauereien für 99 Prozent des Bierausstosses besorgt, wie Preisig sagt, über 1000 teilen sich das restliche Prozent. Dem Biertrinker kann es egal sein: Es gibt heute dadurch für jede Gelegenheit und jeden Geschmack das richtige Bier.
Doch zurück zu Schützengarten. Die St.Galler Brauerei steckt mitten in ihrem 240-Jahr-Jubiläum und kann auf ein positives Ergebnis verweisen. Genau wie der Biermarkt Schweiz allgemein setzte Schützengarten in diesem Jahr mehr ab. Was nicht selbstverständlich ist, weil 2019 kein Grossereignis wie eine Fusball-WM stattfand, von dem Bierproduzenten jeweils profitieren. Der Nettoerlös von Schützengarten stieg zum fünften Mal in Folge leicht um 1,2 Prozent. Was das exakt in Zahlen heisst, kommuniziert das Unternehmen jeweils nicht.
Zu verdanken ist das Ergebnis auch Produkten, die hartgesottenen Biertrinkern vielleicht sauer aufstossen: Alkohokfreie Biermischgetränke. In diesem Bereich hat Schützengarten in jüngerer Zeit einige Neuheiten auf den Markt gebracht, die auch kräftig gekauft werden. Erfolgreich ist die Brauerei auch - entgegen dem nationalen Trend - bei den Verkäufen an die Gastronomie, leicht weniger abgesetzt wurde über die Detailhandelskanäle. Diesen Punkt will man auch offensiv angehen, wie Verkaufsdirektor Kurt Moor sagt: «Wir haben dies intern thematisiert und sind aktuell daran, entsprechende Massnahmen einzuleiten, die im Frühjahr greifen werden». Im Veranstaltungsbereich ruhen die Hoffnungen 2020 auf der Fussball-EM, und vermutlich hat man bei Schützengarten mitgejubelt, als die Qualifikation der Schweiz Tatsache war.
Appropos feiern: Eine direkte Folge des Jubiläumsjahres ist das Jubiläumsbier «Sud 1779». Es soll über die Feierlichkeiten hinaus im Sortiment bleiben, da es bei den Konsumenten gut ankommt. Investiert wurde in diesem Jahr ebenfalls kräftig, insgesamt im Volumen von zwölf Millionen Franken. Modernisiert wurden die Fassfüllerei und der Filterjeller, dazu kamen Renovationen bei mehreren Liegenschaften.
Personell ist bei Schützengarten einiges im Umbruch, mehrere Kaderleute stehen vor der Pensionierung. Ende Jahr ist das beispielsweise beim langjährigen Finanzdirektor Josef Zweifel der Fall. In seinen 25 Jahren hat er nicht «nur» Zahlen gewälzt, sondern hatte auch das Personal und die Liegenschaften, das Vertragswesen und die Informatik unter sich. Dazu kamen diverse Projekte wie Firmenübernahmen oder auch das, was Schützengarten als «Leuchttürme» bezeichnet, die «Aussenposten» der Brauerei wie das Rathaus Altstätten oder das Brauwerk in St.Gallen. Letzteres - nach einem aufwändigen Umbau in den Räumen des ehemaligen Restaurant Dufour beim Bahnhof St.Gallen - ist einerseits ein Lokal, andererseits eine Kleinbrauerei, in der Schützengarten in kleinen Mengen experimentieren kann.
Für die Zukunft ist die St.Galler Brauerei weiterhin optimistisch. Zahlen zeigen, dass der Alkoholkonsum in der Schweiz zurückgeht, das Bier von dieser Entwicklung aber am wenigsten betroffen ist. Mit der derzeitigen Produktepalette sei man gut positioniert, so Reto Preisig. In näherer Zukunft gehe es daher nicht mehr in erster Linie darum, Neuheiten zu kreieren, sondern eher, die bestehenden Klassiker wie das Lagerbier sanft aufzufrischen, was den Auftritt angeht. Allerdings werden die Braumeister wohl kaum einfach aufhören, herumzutüfteln, und ist das Ergebnis schlagend, dürfte es auch bald wieder ein neues «Schüga» geben.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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