Die geplante Brücke zwischen Au und Lustenau bei Tag…
Ab 2026 sollen die Schweiz und Österreich mit einer Brücke zwischen Au und Lustenau verbunden werden. Projektsieger ist ein Tessiner Ingenieurstudio. Dieses hat sich die Arbeit aber sehr leicht gemacht – und 30'000 Franken Preisgeld dafür kassiert.
Eine Fahrrad- und Fussgängerbrücke über den Rhein als Verbindung zwischen Au und Lustenau: Das soll ab 2025 mit Eröffnung ein Jahr später entstehen. Im Rahmen eines Projektwettbewerbs wurde der Vorschlag des Tessiner Ingenieurbüros «Studio d’ingegneria Giorgio Masotti» ausgewählt. Und das von einer «fachkundigen Jury», wie es in einer Mitteilung heisst. Dieses bestand aus dem Auer Gemeindepräsidenten Christian Sepin, dem Lustenauer Bürgermeister Kurt Fischer, dem St.Galler Kantonsingenieur Marcel John sowie Peter Moosbrugger, Vorarlberger Radverkehrsbeauftragter.
Gut 280 Meter lang wird die Fuss- und Radwegbrücke sein. Zu stehen kommt sie beim früheren Lustenauer Zollamt Oberfahr. Die Visualisierungen vermitteln den Eindruck eines stimmigen, attraktiven Objekts. So stimmig und attraktiv, dass es schon zum zweiten Mal realisiert werden soll.
Denn das Tessiner Ingenieurstudio hat vor einem Jahr in Locarno eine Passerelle fertiggestellt, welche die Stadt mit Ascona verbindet – und die auch beim mehrfachen Hinsehen so gut wie identisch aussieht. Die Arbeit der Tessiner beschränkte sich wohl auf die Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten im Rheintal, darüber hinaus haben sie einfach ein bestehendes Projekt aus der Schublade gezogen. Und dafür immerhin bereits 30'000 Franken Preisgeld kassiert.
Die beiden Brücken im Vergleich:
Die geplante Brücke zwischen Au und Lustenau bei Tag…
… und bei Nacht. (Visualisierungen: Studio Giorgio Masotti)
Und die Passerelle in Locarno zum Vergleich.
Die Passerelle zwischen Locarno und Ascona von oben.
Das ist auch den Tessinern aufgefallen. Die Zeitung «La Regione» stellt das Projekt zwischen Au und Lustenau vor und kommt zum Schluss:
Bei Betrachtung der Renderings zeigt sich eine Ähnlichkeit mit der im letzten Jahr eingeweihten Passerelle zwischen Ascona und Locarno, der vom selben Bellinzona-Studio entworfen wurde.
Wobei «eine Ähnlichkeit» doch eher vorsichtig ausgedrückt ist. Es ist eher schwierig, Unterschiede zu finden. Die Jury im Rheintal war aber offenbar hin und weg von der «Idee» und entschied sich einstimmig für diese Wettbewerbseingabe. Im Jurybericht klingt es so, als hätte das Studio Masotti hier einen Vorschlag abgeliefert, der wie massgeschneidert ist für die örtlichen Verhältnisse, ein regelrechtes Unikat:
«Das Projekt überzeugt durch seine Schlichtheit, welche die Rheinlandschaft in seiner Topographie der Dämme respektiert. Das Bauwerk erwirkt dadurch eine erwünschte Klarheit im Zusammenspiel mit der Umgebung des Flussraumes.»
Das mag stimmen, es stimmt aber eben auch zwischen Locarno und Ascona. Die Bänke mitten auf dem Weg, das Lichtspiel, das Geländer: Die neue Brücke scheint wie der Zwillingsbruder des Tessiner Originals. Zwar spricht nichts dagegen, sich von einer eigenen guten Idee auch bei weiteren Projekten inspirieren zu lassen. Hier werden aber Rheintaler, die Locarno besuchen, ein regelrechtes Déjà-vu haben.
Kommt dazu, dass Lustenau und Au in einer gemeinsamen Mitteilung von einem «Leuchtturmprojekt» sprechen. Da wäre es nicht verkehrt gewesen, wenn die Kopie auch noch über das eine oder andere wirklich einmalige Element verfügen würde.
Wobei Designfragen bei vielen Beobachtern nicht einmal im Vordergrund stehen. Bei ihnen ist eher der Standort der neuen Brücke ein Fragezeichen. Das Gebiet Oberfahr liegt nicht gerade im Zentrum von Au. Bei Velofahrern für einen Ausflug an einem sonnigen Wochenende mag das kein Hindernis sein. Doch dass es viele Fussgänger aus Lustenau in dieses Gebiet zieht oder Rheintaler umgekehrt von dort aus zu Fuss den Weg ins Vorarlberg suchen, ist eher zweifelhaft.
Die beiden Bilder oben sind Visualisierungen der geplanten Brücke im Rheintal, die unteren Aufnahmen zeigen das bereits realisierte Gegenstück im Tessin.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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