Die Menschheit ist imstande, ins Weltall zu fliegen. Die Stadt St.Gallen schafft es hingegen nicht, eine Rolltreppe am Laufen zu halten.
Wer aus dem Parkhaus Brühltor nach oben an die frische Luft Richtung Marktplatz will, hat drei Möglichkeiten: Eine Treppe, einen Lift und eine Rolltreppe.
Der Lift ist keine Option. Wer nicht im dreistelligen Alter ist oder einen Kinderwagen oder einen Rollstuhl dabei hat, erhält schräge Blicke, wenn er zur Überwindung der wenigen Höhenmeter den Lift nimmt.
Die Treppe wäre natürlich der beste Weg. In der Gesundheits-App auf meinem Smartphone wird nämlich jedes Stockwerk verzeichnet, das ich zu Fuss bewältige. Allzu viel zu tun hat die App bei mir diesbezüglich allerdings nicht. Und mit Treppen ist es so: Wenn sie direkt neben einer Rolltreppe stehen, sind sie für mich relativ sinnlos. Ich misstraue Menschen, die gehen, wenn sie fahren könnten. Die haben so etwas Asketisches, verbunden mit dem vorwurfsvollen Blick in meine Richtung.
Bleibt also die besagte Rolltreppe aus der Parkhausunterführung Brühltor. Sie wäre meine erste Wahl. Theoretisch. In der Praxis leider sehr selten, da sie ihrem Namen nicht gerecht wird.
Denn diese Rolltreppe rollt nicht, sie steht - und das zu gefühlten über 50 Prozent der Zeit.
Meistens steht sie ganz ohne Aufsehen, und eine rote Ampel signalisiert, dass sie nicht in Betrieb ist. Was einigermassen überflüssig ist, denn es ist unschwer zu erkennen, dass sich die Stufen nicht bewegen.
Immer mal wieder, auch heute gerade, sind aber Handwerker am Gange, die eifrig an der Rolltreppe herumschrauben. Am Bahnhof, in Einkaufszentren, überall rollen die Dinger tagein, tagaus friedlich vor sich hin, nur nicht beim Brühltor. Dieses verhaltensauffällige Ding bindet vermutlich die Hälfte des städtischen technischen Personals.
Was natürlich die Frage aufwirft: Wie komplex kann der Mechanismus einer Rolltreppe eigentlich sein, dass sie dauernd ausfällt und repariert werden muss? Und warum muss es gerade meine «Haus-Rolltreppe» sein? Es reicht ja schon, dass ich von meinem Parkplatz bis zur Rolltreppe zu Fuss muss - und dann noch die Treppe?
Möglicherweise ist das Ganze auch ein abgekartetes Spiel. Eine versteckte Präventionsmassnahme, mit der die St.Galler zum Gehen gezwungen werden. Oder meine Krankenkasse hat sich bei den Stadtbehörden gemeldet und denen gesteckt, sie sollen mir mehr Bewegung verschaffen.
Oder aber, und daran möchte ich gar nicht denken, die Experten der Kantonshauptstadt sind wirklich einfach überfordert mit dem lückenlosen Betrieb einer Rolltreppe.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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